Konferenz
»Der Haupt­feind steht im eigenen Land«

Die jährlich stattfindenden Konferenzen gegen den deutschen Imperialismus sollen den politischen Austausch und die Zusammenarbeit derjenigen revolutionären Kräfte fördern und vorantreiben, die in der Arbeiter- und demokratischen Bewegung für die Linie »Der Hauptfeind steht im eigenen Land« kämpfen wollen.

Ist die AfD faschistisch?

Gretl Aden (Kommunistische Arbeiterzeitung)

Zunächst ein schlaglichtartiger Überblick über die Situation, in der wir uns befinden. Wir erleben eine drastische Zuspitzung der Widersprüche. Das scheinbar einmütige, aggressive Vorgehen des „Westens” also dem US-Imperialismus und den imperialistischen Staaten in Europa, sowie den meisten anderen EU-Staaten, ist mit der Wahl von Trump und den hinter ihm stehenden Kräften in den USA aufgebrochen. Die Widersprüche zwischen dem US- und dem deutschen, französischen, britischen Imperialismus treten offen zu Tage. In der EU bzw. Europa wird um die Führung gerungen zwischen Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Der deutsche Imperialismus meldet seinen Anspruch als Führungsmacht an. Die Ukraine wird zunehmend offen zum Zankapfel, um deren Reichtümer man streitet. Allenthalben wird massiv aufgerüstet. Der deutsche Imperialismus nutzt die Situation, wie bereits seit 2022 den Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine, nun auch die Angriffe des US-Imperialismus zur hemmungslosen Aufrüstung. Waren es damals noch 100 Milliarden Sondervermögen für die Aufrüstung, sind diese Ausgaben nun nach oben unbegrenzt. Kanzler Merz kündigt an, die stärkste konventionelle Streitmacht der EU schaffen zu wollen. Gleichzeitig wird darüber diskutiert, wie die US-amerikanischen Atomwaffen zu ersetzen sind. Durch französische oder britische? Doch wer hat die Verfügungsgewalt darüber? Also vielleicht doch auch deutsche, wie z.B. in der FAZ1 kürzlich diskutiert wurde?

Innenpolitisch findet eine entsprechend reaktionäre Entwicklung statt, die mit der neuen Regierung und dem Kanzler Merz noch verschärft wird. Die Angriffe auf die Arbeiterklasse nehmen zu, das Asylrecht wird in der Praxis endgültig entsorgt und dabei gleich noch im Alleingang gegen EU-Regeln verstoßen. Der Übergang zur Umstellung der Wirtschaft auf Kriegswirtschaft beginnt. Allenthalben wird innerhalb der herrschenden Klasse diskutiert, wie man das Volk kriegstüchtig bekommt. Mit Aufständen wird gerechnet, wie man z.B. in dem „Grünbuch”2 genannten Planungen lesen kann, in dem konkrete Erfordernisse und Maßnahmen für den kommenden Krieg durchgespielt werden.

Es ist also keine akademische Diskussion, ob eine Partei, die inzwischen über 20 Prozent der Stimmen bekommt und größte Oppositionspartei ist, mit CDU/CSU um den ersten Platz kämpft und in manchen Bundesländern bereits die größte Fraktion stellt, ob eine solche Partei faschistisch ist oder eine weitere, nur etwas rechtere konservative Partei mit einzelnen Faschisten in ihren Reihen. Sondern es geht ganz konkret darum, wie wir uns in dieser Situation verhalten. Können wir demokratische Proteste gegen die AfD rechts liegen lassen und die Haltung vertreten, dies alles sei ja nur ein Manöver der Bourgeoisie, um von den jetzt schon stattfindenden massiven Angriffen auf die bürgerliche Demokratie, auf die Arbeiterklasse und von den Kriegsvorbereitungen abzulenken und uns nicht um sie kümmern – statt dort eine entsprechende Agitation zu verbreiten? Wie verhalten wir uns gegenüber der selbstmörderischen Sozialdemokratie, die vor allem noch über den Funktionärskörper erheblichen Einfluss in den Gewerkschaften hat, deren Führungen treue Dienste für die Bourgeoisie leisten, die aber immer mehr Einfluss unter den Arbeitern verliert und zwar nach rechts und nicht nach links? Das sind die Fragen, um die es letztendlich geht und deren Beantwortung doch auch abhängt von der Einschätzung des Charakters der AfD und der Gefahr eines Umschaltens der Monopolbourgeoisie auf eine faschistische Herrschaftsform.

Was kennzeichnet eine faschistische Partei …

Faschisten haben keine konsequente Haltung, keine Grundsätze, an denen man sie erkennen könnte. Sie sind ausgesprochene Pragmatiker, vertreten nach Bedarf mal dieses, mal jenes.

Um diese Frage also beantworten zu können, muss man sich klar darüber sein, was überhaupt Faschismus bedeutet. Was ist sein Klassencharakter, und was ist seine soziale Basis?

Den Klassencharakter des Faschismus kennzeichnete Georgi Dimitroff auf dem VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale folgedermaßen: „Der Faschismus an der Macht”, so seine Worte, „ist die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals”3.

Der Faschismus ist also bürgerliche Herrschaft, widerspricht aber der bürgerlichen Demokratie und strebt ihre völlige Zerstörung an. Ideologisch leugnet er die Klassen und versucht – vor allem in imperialistischen Ländern – eine scheinbar klassenlose Volksgemeinschaft herzustellen, mit deren Hilfe in den Krieg, ja in den Weltkrieg gezogen werden kann. Um diese Volksgemeinschaft zu schmieden, müssen Feindbilder aufgebaut werden, müssen die inneren Feinde der Monopolbourgeoisie – die organisierte Arbeiterbewegung und die demokratischen Kräfte – ausgeschaltet werden, muss der tatsächliche Klassenunterschied ausgetauscht werden gegen angebliche Unterschiede zwischen den Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, Weltanschauung, Lebensweise etc.4

Um dahin zu kommen, braucht es eine faschistische Massenbewegung, eine kleinbürgerliche bis lumpenproletarische arbeiterfeindliche Bewegung, die – je nach Zustand der Arbeiterbewegung – auch rückständige Arbeiter mehr oder weniger erfassen kann. Sie ist Grundlage der herzustellenden Volksgemeinschaft und soziale Basis des Faschismus.

Die soziale Basis des Faschismus unterscheidet sich also von ihrem Klassencharakter – was auch logisch ist, die Monopolbourgeoisie kann schließlich nicht selber den faschistischen Terror durchführen, sie ist dazu kräftemäßig gar nicht in der Lage, dafür braucht sie die faschistische Massenbewegung. Auch unter bürgerlich-demokratischen Verhältnissen braucht die Monopolbourgeoisie eine soziale Stütze im Volk, um ihre Herrschaft aufrecht erhalten zu können. Das ist dann hauptsächlich die Arbeiteraristokratie mit ihrem Einfluss bei den Arbeitern, in den Betrieben, in den Gewerkschaften, politisch organisiert über die Sozialdemokratie. Seit 1945 bis heute ist dies die soziale Hauptstütze der Monopolbourgeoisie.

… was sind ihre Aufgaben

Aus all dem Gesagten ergibt sich auch, was faschistische Parteien, die dem Monopolkapital ihre Dienste anbieten, zu bewerkstelligen haben, um zum Erfolg zu kommen:

Sie müssen die bürgerliche Demokratie und die bürgerliche Rechtsgleichheit (von rechts) angreifen.

Sie müssen in der Lage sein, kleinbürgerliche, enttäuschte, verbitterte Massen um sich zu sammeln und aggressiv in Stellung zu bringen.

Sie müssen beweisen, dass sie geschworene Feinde der Arbeiterbewegung sind, was nicht heißt, dass sie, je nach Stärke der Arbeiterbewegung, in ihren Programmen Forderungen der Arbeiterbewegung aufnehmen bis hin zu Enteignungen. Das gehört zur faschistischen Demagogie.

Sie müssen beweisen, dass sie eine wehrhafte Volksgemeinschaft herstellen können, die sich gegen andere Völker, auch gegen die imperialistischen Konkurrenten richtet.

… und Methoden

Um das zu erreichen, bedienen sie sich unterschiedlicher Methoden, die sie, ganz pragmatisch, je nach Bedarf, also entsprechend innen- wie außenpolitischer Kräfteverhältnisse, zum Einsatz bringen. Das sind:

Der Nationalismus in seiner aggressivsten, chauvinistischsten Variante (Deutschland, Deutschland über alles), der das Volk kriegsfähig machen soll auch gegen imperialistische Konkurrenten.

Und vor allem der imperialistische Rassenwahn, der von den tatsächlichen Feinden des Volkes ablenken soll und zur Vernichtung der Demokratie dient. Denn mit ihm wird nicht nur die bürgerliche Gleichheit vor dem Gesetz bekämpft und außer Kraft gesetzt, sondern auch das Wegschauen, die Mitleidlosigkeit, das Mitschreien, das Mitjagen eingeübt. Das Volk wird aggressiv nach Außen in Stellung gebracht. Die Barbarei braucht Barbaren, die sie durchführen.

Warum es schwierig ist, faschistische Angriffe auf die bürgerliche Demokratie zu erkennen

Und nun zu zwei Aspekten, die es für die Arbeiter- und demokratische Bewegung hier sehr schwierig machen, Angriffe auf die bürgerliche Demokratie, die das Ziel haben, sie zu zerstören, zu erkennen und damit auch den faschistischen Charakter einer Partei.

Erstens: Über das hinaus, dass der Imperialismus grundsätzlich die Tendenz zu Reaktion und Aggression in sich birgt, war die BRD noch nie ein Leuchtturm bürgerlicher Demokratie. So war bis 2000 das Blutsrecht alleinige Grundlage für das Staatsbürgerschaftsrecht, statt das Territorialrecht. Es gab immer unterschiedliches Recht für Einwanderer (Ausländergesetze). Es gibt kein Streikrecht. Weiteres: KPD-Verbot, Notstandsgesetze, Berufsverbote, im Zuge der RAF-Bekämpfung 88a wird schon alleine die Befürwortung von Gewalt strafbar und mit dem Paragraphen 129a die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, immer natürlich begründet mit der inneren Sicherheit.

Eine weitere Besonderheit des deutschen Imperialismus: Mit der Einverleibung der DDR existierte die Ungleichheit der Staatsbürger. Die Angriffe auf das Asylrecht und damit verbunden massenhaft rassistische Hetze ab Anfang der 1990er Jahre. Die Angriffe ab 2001, wodurch die Überwachungsrechte des Staates ständig ausgebaut worden und weitere Grundrechte im Zuge nun der islamistischen Terrorbekämpfung außer Kraft gesetzt worden sind. Vor allem ab 2015 die weiteren Angriffe auf geflüchtete Menschen, ein CSU-Integrationsgesetz, das die Achtung vor der Leitkultur und damit Willkür zum Gesetz erklärt, Polizeiaufgabengesetze, die die Staatsgewalt berechtigen, bereits bei einer drohenden Gefahr tätig zu werden. Die seit der von Scholz propagierten Zeitenwende zunehmenden Angriffe auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit und vor allem die immer heftiger werdende Entrechtung von Geflüchteten. Und das ist ganz und gar keine vollständige Auflistung.

Die bürgerliche Demokratie ist also bei uns schon völlig deformiert. D.h. die Arbeiter- und demokratische Bewegung sind immer weiter an die Wand gedrängt worden und das Erkennen faschistischer Angriffe wird dadurch sehr erschwert. Ja, ich nehme das gleich vorweg, es ist so, dass viele Forderungen der AfD, wie man sie in ihrem Grundsatzprogramm von 2016 findet, heute von der Regierung umgesetzt werden.

Doch ganz neu ist auch diese Schwierigkeit nicht. Auch zwischen 1929 und 1933 tat sich die KPD aufgrund der permanenten Demontage der bürgerlichen Demokratie schwer zu beurteilen, was nun schon faschistisch ist und was nicht. Dimitroff fasste die Erfahrungen der Arbeiterbewegung mit der Situation vor dem Machtantritt des Faschismus auf dem 7. Weltkongress folgendermaßen zusammen:

„Genossen, man darf sich den Machtantritt des Faschismus nicht so simpel und glatt vorstellen, als ob irgendein Komitee des Finanzkapitals den Beschluß faßt, an diesem und diesem Tage die faschistische Diktatur aufzurichten. In Wirklichkeit gelangt der Faschismus gewöhnlich zur Macht im gegenseitigen, zuweilen scharfen Kampf mit den alten bürgerlichen Parteien oder mit einem bestimmten Teil dieser Parteien, im Kampf sogar innerhalb des faschistischen Lagers selbst, der manchmal bis zu bewaffneten Zusammenstößen führt, wie wir das in Deutschland, Österreich und anderen Ländern gesehen haben. Alles das verringert indessen nicht die Bedeutung der Tatsache, daß vor der Errichtung der faschistischen Diktatur die bürgerlichen Regierungen in der Regel eine Reihe von Vorbereitungsetappen durchlaufen und eine Reihe reaktionärer Maßnahmen durchführen, die den Machtantritt des Faschismus unmittelbar fördern. Wer in diesen Vorbereitungsetappen nicht gegen die reaktionären Maßnahmen der Bourgeoisie und gegen den anwachsenden Faschismus kämpft, der ist nicht imstande, den Sieg des Faschismus zu verhindern, der erleichtert ihn vielmehr.”5 (Hervorhebungen durch G.A.) Wenn also heute mit dem Argument, der AfD den Boden entziehen zu wollen, eine rassistische Forderung der AfD nach der anderen gegen Einwanderer umgesetzt wird, ist das kein Beweis dafür, dass die AfD nicht faschistisch sei (weil es CDU/CSU und sogar die SPD doch auch täten), sondern wie sehr der Boden für einen möglichen Machtantritt des Faschismus bereits bereitet ist.

Zweitens: Wir können uns bei der Beurteilung der AfD nicht einfach nur an der NSDAP der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts orientieren. Schon damals hatte der Faschismus unterschiedliche Gesichter, trat in Italien anders auf als im Deutschen Reich. Und auch im Programm der NSDAP vor 1933 stand noch nichts von der dann erfolgten schrittweisen Entrechtung und schließlich millionenfacher Ermordung der Juden. Da stand „nur”: „Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksichtnahme auf die Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein.” Und noch einmal zum 7. Weltkongress, auf dem Dimitroff auch auf faschistische Parteien in anderen Staaten, hier als Beispiel die USA, eingegangen ist. „Der erst in seinen Anfängen steckende amerikanische Faschismus versucht, die Enttäuschung und Unzufriedenheit dieser Massen in eine reaktionäre faschistische Bahn zu lenken. Die Eigenart der Entwicklung des amerikanischen Faschismus besteht darin, daß er im jetzigen Stadium vorwiegend in der Form der Opposition gegen den Faschismus als einer „nichtamerikanischen”, aus dem Auslande importierten Strömung auftritt. Zum Unterschied vom deutschen Faschismus, der mit verfassungsfeindlichen Losungen auftrat, versucht der amerikanische Faschismus, sich als Kämpfer für die Verfassung und die „amerikanische Demokratie” hinzustellen.”6 Wie Faschisten auftreten, hat eben immer auch mit den konkreten außen- und innenpolitischen Kräfteverhältnissen und Besonderheiten zu tun.

Was die Kräfteverhältnisse noch nicht zulassen und was schon

Kommen wir zu heute. Noch sind die Kräfteverhältnisse so, dass sich in Deutschland aus innen- wie außenpolitischen Gründen keine Partei, die ernsthaft Masseneinfluss gewinnen will, offen als faschistische Partei zu erkennen geben und sich positiv auf den Faschismus beziehen kann.

Was macht die AfD? Man gibt sich als Demokrat, ja greift heftig und scheinbar unversöhnlich die anderen Parteien, die „Altparteien”, die „Eliten”, ja auch schon mal „das System” (alte Nazi-Losung) als undemokratisch an, die Volkes Willen nicht beachten, ja die das deutsche Volk nicht schützen vor den Gefahren, die da innerhalb wie außerhalb der Grenzen lauern. Man fordert Plebiszite, um dem „gesunden Menschenverstand” zum Durchbruch zu verhelfen und greift so den bürgerlichen Parlamentarismus von rechts an. Die AfD tritt dabei genauso auf, wie Dimitroff 1935 die damaligen Erfahrungen mit dem Auftreten der Faschisten zusammengefasst hat: „Der Faschismus fängt im Interesse der reaktionärsten Kreise der Bourgeoisie die enttäuschten Massen ein, die sich von den alten bürgerlichen Parteien abkehren. Aber er imponiert diesen Massen durch die Heftigkeit seiner Angriffe gegen die bürgerlichen Regierungen, durch seine Unversöhnlichkeit gegenüber den alten Parteien der Bourgeoisie.”7

Die faschistischen Angriffe und Haltungen, die Angriffe auf die bürgerliche Demokratie werden hinter anderen Begriffen und Hetzparolen versteckt. So wird selbstverständlich nicht von Rassen gesprochen, sondern von unterschiedlichen Kulturen, die nicht zueinanderpassen. Man ist selbstverständlich für Religionsfreiheit, aber der Islam hat hier keinen Platz. Das gesamte Grundsatzprogramm der AfD von 2016, das doch auf den ersten Blick so bieder daherkommt, ist durchsetzt von rassistischer Hetze, egal um was es geht. Selbst die Befürwortung des Mindestlohns wird damit begründet, dass er vor dem „Lohndruck durch die Massenimmigration” schützt. Im Kapitel zur Familienpolitik heißt es „Mehr Kinder statt Masseneinwanderung” und selbstverständlich geht es um deutsche Kinder und vor allem um mehr Kinder bildungsnaher Schichten, wozu nach Meinung der AfD selten Einwanderer zählen. Willkommenskultur für Neu- und Ungeborene fordert man dann auch noch gleich, statt für Geflüchtete. Die AfD will das „schleichende Erlöschen der europäischen Kulturen” abwenden8. Deshalb ist man auch gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, dagegen, dass hier geborene Kinder von Einwanderern die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten und fordert, das Territorialprinzip zugunsten des Abstammungsrechts wieder aus dem Gesetz zu streichen – das so noch nie gegolten hat in diesem Staat. Selbstverständlich steht im AfD-Programm nichts über eine „Remigration” deutscher Staatsbürger anderer Nationalität, wie sie auf dem Treffen in Potsdam diskutiert worden ist. Doch bei Straftaten, und die kommen lt. AfD besonders häufig bei Immigranten vor, soll ausgebürgert werden können.

Ich habe mich jetzt bewusst auf Aussagen in diesem Grundsatzprogramm bezogen und nicht auf die noch sehr viel offenere Hetze einzelner AfD-Mitglieder, da m.E. schon dieses Programm zeigt, welch Geistes Kind die AfD ist. Es ist die Grundlage für die aggressive Hetze gegen Geflüchtete, die als Bedrohung dargestellt werden, als diejenigen, die unsere Sozialkassen plündern, die kriminell sind, die eine Kultur haben, die mit unserer nicht zusammenpasst, ja sie zerstört. Für die bezahlt wird, während für das gemeine deutsche Volk, die hart arbeitenden Menschen, die etablierten Parteien nichts übrighaben. So werden unzufriedene kleinbürgerliche Massen, und, aufgrund der verheerenden Schwäche der Arbeiterbewegung, auch viele Arbeiter gesammelt. So wird die Volksgemeinschaft der Deutschen geschmiedet gegen die vermeintlichen Feinde im Inneren und die, die noch vor den Grenzen stehen.

Der Antisemitismus muss noch unter der Ladentheke bleiben, ja die AfD gibt sich als entschiedene Kämpferin gegen Antisemitismus, v.a. wenn man damit gegen muslimische Einwanderer hetzen kann. Doch da ist schon mal die Rede von einer „globalen Finanzindustrie”, die über den Umweg des Klimaschutzes den „Zugriff auf das Volksvermögen” hat und so „die größte Vermögensumverteilung der Geschichte” einleiten will.9 Der AfD-Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer bezeichnete in E-Mails, die Aufnahme von Flüchtlingen als „Umvolkung”, angeordnet von einer „kreditgeldfinanzierten Bestechungsfaust” und ausgeführt von einer „gelenkten BRD-Führungsclique10. Dunkle Mächte eben, die das deutsche Volk bedrohen, wie gehabt.

Die Verbrechen des deutschen Faschismus muss man selbstverständlich noch verurteilen. Doch man greift die „Verengung der aktuellen Erinnerungskultur” (AfD-Programm S. 48) an, fordert eine „Erinnerungswende um 180 Grad” (Höcke) oder bezeichnet die 12 Jahre größter Verbrechen als „Vogelschiss in der Geschichte” (Gauland). Der Faschismus wird so verharmlost und salonfähig gemacht.

Ganz verschwiegen werden die Verbrechen des deutschen Faschismus, wenn es um die Bundeswehr geht: „Die Bundeswehr ist Teil einer Jahrhunderte alten deutschen Militärtradition”, so in einer Broschüre „Streitkraft Bundeswehr” der AfD von 2019. Oder Gauland, der meint, man könne stolz sein auf „die Leistungen der deutschen Soldaten im 2. Weltkrieg”. Überhaupt muss die deutsche Monopolbourgeoisie durchaus nicht befürchten, dass die angebliche Friedenspartei AfD es ernst meint mit dem Frieden. Die Losung „Frieden mit Russland” ist zum einen eine wirkungsvolle Demagogie, um vor allem bei den Kleinbürgern und Arbeitern in Ostdeutschland weiteren Einfluss zu gewinnen. Zum anderen entspringt sie der Haltung, dass nur Kriege zu führen seien, die „deutschem Interesse” entsprechen. Und da vertritt die AfD eine derzeit sehr zurückgedrängte Strömung innerhalb der Bourgeoisie, die eine Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation zur eigenen Stärkung gegenüber den imperialistischen Konkurrenten, vor allen den USA, anstrebt. Doch das heißt nicht, dass die AfD nicht morgen gegen Russland ins Felde zieht, sie ist durchaus anpassungsfähig. So erklärte der neue außenpolitische Sprecher der AfD Frohnmaier mit Bezug auf Russland vor kurzem: „Wer gegen Deutschland oder seine Verbündeten operiert, – etwas durch Cyberangriffe oder Einflussoperationen – muss mit einer entschlossenen Reaktion rechnen.”11 Die AfD ist für den Verbleib Deutschlands in der NATO, strebt dort eine führende Rolle an, will die Verpflichtungen erfüllen und umfassend aufrüsten, um „auf diesem Weg mehr Gestaltungsmacht und Einfluss zu gewinnen”.12 Abgelehnt wird eine EU-Armee: „Gemeinsame europäische Streitkräfte lehnt die AfD ab und hält an einer umfassend befähigten Bundeswehr als Eckpfeiler deutscher Souveränität fest”, so das Programm (S. 31). Diese Souveränität sieht die AfD permanent bedroht, durch die EU, durch den Euro und ja eben durch dunkle Mächte. Stets ist Deutschland Opfer, das nur zahlen muss und dessen Handlungsspielräume eingeengt werden. Deshalb will die AfD aus dem Euro austreten und die EU zu einem losen Wirtschaftsverband zurückführen. Sollte Deutschland sich damit nicht durchsetzen können, soll es, geht es nach dem AfD-Programm, aus der EU austreten. Es ist die extremste Form des Nationalismus, den die AfD da propagiert, die einer außenpolitischen Variante entspricht, die eher auf einen Alleingang des deutschen Imperialismus setzt als auf ein europäisches Bündnis, das ja vor allem von Seiten Frankreichs immer auch den Versuch bedeutete, diesen gefährlichen Nachbarn einzuhegen.

Letzter Punkt dazu, was heute noch nicht opportun ist: Man kann sich noch keine terroristischen Bataillone erlauben, kann nicht offen zur Gewalt aufrufen. Doch androhen kann man schon einiges, wie z.B. Björn Höcke in seinem Buch „Nie zweimal in denselben Fluss”, der darin bereits 2018 ein „großangelegtes Remigrationsprojekt nicht integrierbarer Migranten” ankündigt, bei dessen Durchführung man, „nicht um eine Politik der ‚wohltemperierten Grausamkeit’ … herumkommen wird. Das heißt, daß sich menschliche Härten und unschöne Szenen nicht immer vermeiden lassen werden.”13 Oder, wie Heribert Prantl in der SZ vom 9.5.2025 schildert, dass AfD-Mitglieder in einem Gerichtssaal drohen: „Wenn wir dran sind, seid ihr alle weg”.

Und was die terroristischen Bataillone betrifft, sollte doch klar sein, dass diese faschistischen Schlägertrupps, die Linke und Antifaschisten zusammenschlagen, Flüchtlingsunterkünfte anzünden, Einwanderer permanent bedrohen, längst existieren und die AfD ihre Kontakte in diese Szene hat, deren Größe stets zunimmt. Es dürfte also kein Problem sein, diese Kräfte zu sammeln und unter einem Kommando zu organisieren, wenn die Verhältnisse so zugespitzt sind, dass man keine innen- und vor allem außenpolitischen Rücksichten mehr nehmen muss.

Meiner Meinung nach handelt es sich bei der AfD also um eine faschistische Partei, die wir als solche ernst nehmen sollten. Eine Partei, die vom Staat unbehindert so mächtig werden konnte, wie sie ist, die in Talkshows und zu Interviews eingeladen wird, als wäre sie eine ganz normale Partei. Die bereit steht für den Fall, dass die Monopolbourgeoisie auf eine offene terroristische Diktatur umschaltet. Ja, das ist schwer vorstellbar. Doch wir müssen doch sehen: Der Krieg, der in aller Öffentlichkeit vorbereitet wird, wird ein Weltkrieg werden. Die Arbeiter und kleinbürgerlichen Massen in den Krieg zu schicken, wird ohne terroristische Herrschaft schon schwierig werden. Doch sie müssen auch bei der Stange gehalten werden, wenn Elend, Hunger, Verwüstung und Tod um sich greifen, und dürfen nicht etwa auf die Idee kommen, die Gewehre umzudrehen, wie am Ende des 1. Weltkrieges. Die Lehre, die die Bourgeoisie aus dieser Erfahrung gezogen hat, war der Faschismus.

Gretl Aden


  1. Siehe dazu www.german-foreign-policy.com vom 16.5.2025 „Nuklear unabhängig von den USA” 

  2. Grünbuch ZMZ 4.0 

  3. Georgi Dimitroff: „Arbeiterklasse gegen Faschismus”, Publikation des Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD S. 6 f. 

  4. Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Der Rassismus ist keine Erfindung der Faschisten, sondern ist mit der Entwicklung hin zum Imperialismus und der Unterjochung abhängiger Völker aufgekommen. Doch die Faschisten treiben ihn auf die Spitze, begründen mit ihm die Entrechtung im Inneren und die Aggression nach außen. 

  5. Georgi Dimitroff, a.a.O. S. 9 

  6. Ebd. S. 44 

  7. Ebd. S. 11 

  8. Grundsatzprogramm der AfD von 2016, S. 59 

  9. Beatrix von Storch in einem Hintergrundartikel in der Jungen Freiheit, zit. nach „Angst vor der grünen Internationale”, Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 10./11.6.2023 

  10. „Position: Rechtsaußen”, SZ vom 25.1.2018 

  11. „AfD zeigt sich differenzierter zu Moskau”, SZ vom 19.5.2025 

  12. Grundsatzprogramm der AfD S. 30 

  13. Zit. nach: www.riffreporter.de/de/gesellschaft/remigration-afd-plane-das-schrieb-bjoern-hoecke-schon-vor-jahren