Konferenz
»Der Haupt­feind steht im eigenen Land«

Die jährlich stattfindenden Konferenzen gegen den deutschen Imperialismus sollen den politischen Austausch und die Zusammenarbeit derjenigen revolutionären Kräfte fördern und vorantreiben, die in der Arbeiter- und demokratischen Bewegung für die Linie »Der Hauptfeind steht im eigenen Land« kämpfen wollen.

Wie kann und muss der Antikommunismus bekämpft werden?

Podium mit Teilnehmern aus verschiedenen Parteien, Medien und Organisationen

Moderator:

Wir kommen jetzt zum letzten Punkt unseres Schwerpunkt-Themas, nämlich der Podiumsdiskussion: Wie kann und muss der Antikommunismus bekämpft werden?

Auf dem Podium sind Peter Strathmann für die KPF; Torsten Reichelt für das kommunistische Aktionsbündnis Dresden; Sebastian Carlens, der für die Tageszeitung “Junge Welt” spricht, Erika Wehling-Pangerl für die Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung und Torsten Schöwitz für die KPD. Toto Lyna für die DKP ist leider verhindert.

Torsten Schöwitz:

Als Vorsitzender der KPD habe ich mich gefreut, zu dieser Konferenz eingeladen zu werden und den Standpunkt unserer Partei im Allgemeinen, aber auch hier im Konkreten darstellen zu können. Und natürlich als der Partei, die sich auf der Grundlage der wissenschaftlichen Weltanschauung versteht, versuchen wir auch immer klassenmäßig an diese Sache heranzugehen. Und deswegen, wenn es um das Thema Antikommunismus geht, kann man es natürlich nur im Zusammenhang der Klassenauseinandersetzung, also im Zusammenhang des Klassenkampfes verstehen. Und somit ist es aus zumindest meiner persönlichen Sicht die natürlichste Sache der Welt, wenn wir - zumindest nach unserem Verständnis - in der Epoche gesehen, in der Zeit leben, in der die alte Gesellschaftsordnung aus unserer Sicht der Kapitalismus sein höchstes Stadium erreicht hat und eigentlich sozusagen abgeschafft werden muss oder in eine neue Phase übergehen muss. Und das macht er nicht alleine. Und wir Kommunisten stehen im Grunde genommen dort an dem Krankenbett und versuchen, die Massen davon zu überzeugen, dass wir diesen Teil überwinden müssen. Natürlich wird es als Gegenpart von der Bourgeoisie bis ins Bürgertum hinein und von allen, die nicht aufgeklärt genug sind, immer Formen geben, um das zu verhindern. Und zumindest in diesem Verständnis sehen wir den Antikommunismus. Er ist also sozusagen immanent in der Klassen-Auseinandersetzung.

Wie kann man ihm begegnen? Da sehe ich oder wir als Partei im Grunde genommen eigentlich nur eine Chance, um überhaupt etwas Nützliches machen zu können: Außer dem alltäglichen Kampf vor Ort, wenn man sich mit Freunden, mit Arbeitern, mit Angestellten, mit Selbständigen, was auch immer unterhält, dass man natürlich dort, so wie das Kommunistische Manifest auffordert, immer unserer Hauptmerkmale wiederholt, wo wir die Probleme sehen und ansonsten uns halt eben an den demokratischen Kämpfen, die passieren, an Lohnkämpfen, dass wir uns dort beteiligen. Aber um wirklich was Ernsthaftes zu tun, bleibt es dabei, das was wir seit Jahren sagen: Wir brauchen wieder eine einheitliche kommunistische Partei in Deutschland und wir haben uns auf jeden Fall auf die Fahnen geschrieben, an diesem Prozess teilzunehmen. Wir werden ja immer wieder gefragt: Naja, ihr tragt einen großen Namen, aber ihr seid zahlenmäßig nicht so viele. Und wie auch immer, sage ich: Erstens ist die Masse jetzt nicht in gewissen Phasen das Entscheidende, sondern das Entscheidende ist eigentlich eine gewisse Klarheit. Und wir nehmen auch für uns nicht in Anspruch, die einzige Kommunistische Partei auf unserem schönen Planeten zu sein, sondern wir fordern auf und sagen abstrakt: Es muss auch in diesem Land wieder eine starke, einheitliche kommunistische Partei auf der Grundlage unserer wissenschaftlichen Weltanschauung geben. Und wir fordern alle auf, egal, ob sie jetzt in Parteien oder in Gruppen organisiert sind oder welches Verständnis sie davon haben, dass sie an diesem Formierungsprozess mit teilhaben. Wir haben dort schon mehrere Initiativen gemacht, Organisationen zusammengerufen, Diskussionen organisiert. Wenn ich zum Beispiel jetzt an die KAZ denke, gab es über viele Jahre immer eine Diskussionsrunde, wo Vertreter dabei waren, Arbeit und Zukunft, FDJ und andere. Es gab natürlich auch Gespräche mit der DKP, die ich leider einschätzen muss, dass sie nicht von absolutem Erfolg gekrönt waren. Mit der KPF ist es ja im Grunde genommen eine ähnliche Art und Weise. Wenn ich überlege, Ellen Brombacher war zum Beispiel mal zu Besuch bei uns im Zentralkomitee. Wir haben uns auch über Einheit und so weiter unterhalten und haben auch nach Ihrer Meinung gefragt, wie es denn mit der Partei PDS - später die Linke - weiter geht. Und sie hat gesagt: Na, aus dieser Partei wird auf jeden Fall nie wieder eine kommunistische oder eine kommunistisch orientierte Partei. Und natürlich ist es dann immer die logische Frage: Mensch, was machst denn du dann noch in der Partei, wenn du das so einschätzt und eigentlich von dir sagst, du bist Kommunist? Und diese Frage kann man natürlich überall in unserer, ich nenne es mal in unserer Szene stellen.

Da gibt es die verschiedensten Gründe vor Ort, um sich überhaupt zu treffen oder wie auch immer. Und auch das muss man im Grunde genommen erst mal anerkennen, dass es so ist, wie es ist. Die Realität muss angenommen werden. Aber um auf das, was ich sagen wollte, zurückzukommen Um mit geeigneten, also um geeignete Sachen anzukurbeln, anzuleiten, um Antikommunismus wirklich ernsthaft entgegenzutreten, brauchen wir eine starke, einheitliche kommunistische Partei auf der Grundlage unserer Weltanschauung. Und die müssen wir gemeinsam formieren. Vorher werden wir in den täglichen Kämpfen, die wir haben, weiter verhangen bleiben und es wird zumindest scheinbar nicht weiter nach vorne gehen. Natürlich brauchen wir bei diesem Kampf die Jugend. Und wir müssen im Grunde genommen auch über den Tellerrand hinausschauen. Aber trotzdem, es muss Klarheit geben: Wohin soll es gehen? Was soll die Grundlage sein? Und das muss man diskutieren. Und ich finde, dafür ist die heutige Konferenz auch ein guter Anlass, so was zu machen. Und deswegen sage ich noch mal in dem Zusammenhang: Schönen Dank, dass ihr das organisiert habt.

Moderator:

Vielen Dank an Thorsten. Dann gebe ich jetzt dem Peter das Wort.

Peter Strathmann:

Danke. Also, hier steht jetzt ‘KPF’ drauf. Ich behalte mir vor, meine eigene Meinung zu sagen. Das ist jetzt nicht eine abgesprochene KPF-Meinung. Es ist die von dem jenigen, der hier jetzt sitzt mit dem Label ‘KPF’.

Ich muss sagen, als ich nach dem Referat am Anfang der Konferenz hier gehört habe, ich sollte mich noch mal aufs Podium setzen zur Frage „Was tun gegen Antikommunismus?“ habe ich erst mal flapsig gesagt: „Ich habe nicht die geringste Ahnung, denn ich habe keine Erfolge vorzuweisen, aus denen man in irgendeiner Form etwas lernen könnte.“ In dialektischer Weise ist aber auch das Umgekehrte richtig: Es gibt uns als Kommunisten noch, man muss also nicht antikommunistisch sein. Es ist also möglich, auch unter antikommunistischen Angriffen nicht völlig den Verstand zu verlieren.

Ich wollte das kurze Statement mit dem Fazit beginnen, das ich in meinem Referat hatte. Es versucht, Antikommunismus zu definieren wie folgt: „Der Antikommunismus ist ein Komplex ideologisch-politischer Taktiken der Monopolbourgeoisie zur Unterbindung der Bündnis-Taktiken der Arbeiterklasse. Er tangiert notwendig Lebensinteressen weiterer anderer Volksteile. Diese werden dabei wiederum zu wichtigen Verbündeten für demokratische anti-antikommunistische Taktiken der Arbeiterklasse, wie auch immer sie konkret auszusehen haben. Ein gewisser Nachteil zu ihrer Entwicklung ist eben, dass diese Verbündeten nur schwer vor dem Angriff des Klassenfeindes gesammelt werden können, da sie vielmehr erst durch ihn selbst sichtbar werden. Hier muss unser präventives taktisches Verständnis erheblich geschärft werden.“ Das heißt also, das Ziel muss eigentlich sein, dass wir entgegen der Angriffe des Klassenfeindes, der unsere Bündnisse zerhauen will, wir unsere Bündnisse zusammenkriegen und unsere Bündnisse organisieren. Das wäre - klassisch gesagt, von oben nach unten -: eine antifaschistisch-demokratische Volksfront; dann - ganz notwendig für jede Revolution - die Einheitsfront der Arbeiterklasse; und - in der gegenwärtigen Lage ohne kommunistische Partei - die Aktionseinheit mit Tendenz auf die einheitliche Partei - die Aktionseinheit: das Bündnis der Kommunisten mit sich selbst; Kommunisten also in dem Sinne des Kommunistischen Manifests: „Die Kommunisten sind also der entschiedenste, immer weiter treibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder. Sie haben theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus.“

Ich fange bei Letzterem an: Was überwunden werden muss, ist das, was ich einen infantilen Organisations-Egoismus nennen würde: „Mein Verein hui - dein Verein pfui!“ Das muss einfach schlicht und ergreifend ein Ende finden, denn antikommunistische Angriffe sind nicht anti-KPD, die sind nicht anti-DKP, die sind nicht anti-VVN, die sind nicht anti-’junge Welt’. Die sind nicht anti-sonstige. Sie sind antikommunistisch! Sie betreffen uns alle. Und wir können darauf nur reagieren, indem wir reagieren von dem Punkt, an dem wir im Augenblick gerade auch in unserer organisatorischen Zersplitterung stehen. Wir tun gut dran, wenn wir das so verstehen, jetzt einfach zu sagen, wenn wir in unterschiedlichen Organisationen sind: Wir stehen nicht an unterschiedlichen Fronten, wir stehen an einer Front. Wir stehen aber an unterschiedlichen Front-Abschnitten, an denen nur gewonnen werden kann, wenn man weiß und sich darauf einstellen kann, was die anderen machen. Also wenn ich das, was ich jetzt in der KPF bezeichnen würde als Rückzugsgefecht oder Nachhut-Gefecht, dann kann das auch nur funktionieren, wenn ich weiß, was die anderen machen - und die anderen auch wissen, was ich mache, nämlich ein Rückzugsgefecht, das versucht, das hintere Ende sozusagen unseres Blocks am Zersplittern zu hindern.

Allerdings, wie gesagt, die Einheit der Kommunisten, die kann man nicht einfach deklarieren, man muss sie erkämpfen und kann sie nur erkämpfen, indem man zusammen kämpft - gegen den Klassenfeind und gegen seine Angriffe. Und dazu gehört auch: Wir müssen uns - der Verlust theoretischen Wissens, theoretischer wissenschaftlicher Fähigkeiten ist ja eigentlich evident nach der Konterrevolution - wir müssen uns diese wieder aneignen. Und wir müssen uns die aneignen, notfalls auch (oder nicht nur notfalls auch) - besser: ohne Rücksicht - auf die Organisationsgrenzen. Also: Wenn wir zusammen lernen können, um zusammen zu kämpfen, dann ist das auch einer der notwendigen Wege, um den Antikommunismus zu bekämpfen.

Ja, für die weiteren Bündnisse? Wie soll ich das sagen? Da gilt eigentlich sehr Einfaches: Wir müssen einerseits natürlich berücksichtigen, dass wir als Kommunisten tendenziell „der entschiedenste, der immer weitertreibende Teil der Arbeiterparteien“ sind. Andererseits müssen wir ja die Witterung gewinnen, wo die nächsten antikommunistischen Angriffe des Klassenfeindes - erfolgen werden und welche andere Volksteile sie mit-tangieren werden. Das heißt also, in unserem Umgang müssen wir das lernen, das ich nennen würde: eine gewisse Bescheidenheit. Wir können nicht auftreten als Besserwisser. Und wir müssen zuhören, … ohne unseren Anspruch aufzugeben, einen Vorsprung von Wissen zu haben, wo es langgeht. Ja, das war es erst mal das; ich denke, vielleicht kommt mehr in der Diskussion.

Moderator:

Vielen Dank, Peter. Dann bitte ich jetzt den Torsten Reichert.

Torsten Reichelt:

Ja bloß gut, dass ich das Thema etwas anders vorhatte anzugehen und jetzt nicht wiederholen werde, was natürlich alles notwendig ist, sondern mehr so die inhaltlichen Sachen: Kampf gegen den Antikommunismus. Und wenn man das so ausformuliert, wäre es ja dann ein Anti-Antikommunismus. Und unser Problem ist gegen den Antikommunismus. Meine Aussage nicht voreilig verurteilen: Diesem können wir niemals ausreichend beikommen. Während wir eine Lüge entkräften, werden 100 neue mit vielfach höherem Personalbestand und bei absoluter Medien-Hegemonie des Kapitals verkündet. Während wir uns gegen einen Angriff der Klassen-Gesetzgebung oder der Klassenjustiz der Bourgeoisie wehren, werden zehn neue Angriffe gestartet. Wir haben keinen ebenbürtigen, edlen Gegner, sondern wir haben einen mächtigen, hemmungslosen und hinterhältigen Feind. Und wie Marx schon in der Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie schrieb: Die Kritik, die sich mit diesem Inhalt befasst, ist die Kritik im Handgemenge und im Handgemenge handelt es sich nicht darum, ob der Gegner ein edler, ebenbürtiger, ein interessanter Gegner ist. Es handelt sich darum, ihn zu treffen. Es handelt sich darum, den Deutschen keinen Augenblick der Selbsttäuschung und der Resignation zu gönnen. Man muss den wirklichen Druck noch drückender machen, indem man ihm das Bewusstsein des Drucks hinzufügt, die Schmach noch schmachvoll, indem man sie publiziert. Man muss jede Sphäre der deutschen Gesellschaft als den Schandfleck der deutschen Gesellschaft schildern, dass man diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingt, dass man ihnen ihre eigene Melodie vorsingt. Man muss das Volk vor sich selbst erschrecken lehren, um ihm Courage zu machen. Man erfüllt damit ein unabweisbares Bedürfnis des deutschen Volkes, und die Bedürfnisse der Völker sind in eigener Person die letzten Gründe ihrer Befriedigung. Und statt also den Antikommunismus zu thematisieren und sich vordergründig damit in der Öffentlichkeit auseinanderzusetzen, müssen wir die Verbrechen und Zerstörungen des Kapitalismus anprangern. Der bürgerliche Propagandaapparat lebt ja davon, eine Illusion über den Kapitalismus zu erzeugen, insbesondere mit den Begriffen, was ja auch schon zur Sprache kam: Freiheit und Demokratie, die absurderweise dem Kommunismus abgesprochen werden, da die Verhältnisse ja genau umgekehrt sind. Sie werden hier auf den Kopf gestellt. Und so absurd das ist, so zielgerichtet und effektiv ist es aber auch. Um das Proletariat zur sozialen Revolution zu bringen, ist nicht nur nötig, dass große Teile so nicht mehr weiterleben können, sondern nötig ist auch ein klares Ziel, wohin man sich dann bewegen muss. Und durch Auflösung der doppelten Negation des Antikommunismus kommen wir auf den Begriff Kommunismus, der gleichbedeutend mit Antikapitalismus und - in der heutigen Phase - mit Antiimperialismus ist. Die Mehrheit der BRD-Insassen oder der Mehrheit, der in der BRD Lebenden, ist das Wesen des Kapitalismus aber unklar, was immer wieder zu Illusionen führt, ein imperialistischer Staat könne auch langfristig ohne Massen-Verelendung, soziale Unsicherheit und Krieg existieren. Ganz davon abgesehen, dass der Inhalt des Begriffs Imperialismus im wissenschaftlichen Sinn den meisten unbekannt ist. Genau dieses Wesen sehen die BRD-Insassen aber täglich und spüren es auch in den eigenen Lebensverhältnissen. Sie wollen es nur nicht wahrnehmen. Sie wollen es nicht erkennen, weil sie dann schwer rechtfertigen könnten, warum sie nichts dagegen tun. Wir müssen also genau diese alltäglichen Verbrechen anprangern und ihre Hintergründe sowie ihre Unvermeidlichkeit unter kapitalistischen Verhältnissen aufdecken. Gleichzeitig gehört dazu die Aufklärung über den Kommunismus. Damit meine ich nicht die Verteidigung gegen falsche Unterstellungen und Entkräftung der Lügen. Denn erstens kommen wir dann gegen die Übermacht der Medien niemals an und zweitens kann aus erkenntnistheoretischen Gründen eine Nichtexistenz, nämlich die Verbrechen des Kommunismus, gar nicht bewiesen werden. Ich hatte das schon mal erwähnt. Und auch nicht die Nichtexistenz behaupteter Verbrechen. Und deshalb müssen wir aufklären, was das Wesen des Kommunismus und was der zentrale Gegensatz zum Kapitalismus ist. Und das sind nun mal letztlich die Eigentumsverhältnisse. Und auch, dass das nicht auf beliebigen Wegen geht und warum auch keine Alternative zum Kapitalismus existieren kann als der Sozialismus. Kurz zusammengefasst: wir müssen aus der Verteidigung in die Angriffsposition kommen. Und aufgrund des Kräfteverhältnisses müssen wir räumliche, zeitliche und inhaltliche Schwerpunkte setzen. Und das in möglichst breiten Zusammenschlüssen, in denen der jeweilige Inhalt zustimmungsfähig ist. Womit ich bei den Vorrednern im Wesentlichen angekommen wäre.

Moderator:

Vielen Dank, Torsten. Dann ist jetzt der Sebastian dran.

Sebastian Carlens:

Ja, hallo und auch von mir noch mal ganz herzlichen Dank für die Einladung. Ich sitze hier heute für die Tageszeitung Junge Welt. Keine Organisation, kein Zentralorgan - dementsprechend wird das, was ich sage, sich naturgemäß etwas unterscheiden von dem, was viele meiner Mitdiskutanten hier sagen. Ich möchte zwei Schlaglichter ansprechen, natürlich immer aus der Perspektive des Zeitungsmannes.

Die erste These ist: Für Antikommunismus braucht man keine Kommunisten. Wer wissen möchte, wie das konkret abläuft, kann heute in die bürgerlichen Massenmedien und Organe schauen und sehen, was und wie über Russland berichtet wird. Man könnte es auch mal so ausdrücken Mit dem Untergang der Sowjetunion, mit der Restauration des Kapitalismus in Russland und in den anderen Sowjetrepubliken hat der Imperialismus ein wesentliches Etappenziel erreicht: die Liquidierung des ersten sozialistischen Staates der Erde. Wird der siegreiche russische Kapitalismus als Gleicher von Gleichen anerkannt? Nein, das ist nicht der Fall. Stattdessen erleben wir ein Trommelfeuer, ein Propaganda-Trommelfeuer gegen Russland, was sämtliche Klischees des Kalten Krieges wieder aufwärmt. Ungeachtet der Tatsache, dass in Russland selbst natürlich mit der sowjetischen Vergangenheit auch gearbeitet wird. Das meine ich hier nicht in Bezugnahme auf einzelne positive Errungenschaften der Sowjetunion, die durchaus immer wieder getätigt wird. Ich spreche davon, dass die bürgerlichen Massenmedien mit den in Jahrzehnten aufgebauten Klischees und antikommunistischen Vorstellungen, die den Menschen hier schon von den Nazis eingehämmert wurden, später in der BRD und auch in der ganzen westlichen Welt, dass mit diesen Klischees einfach bruchlos weitergearbeitet werden kann, auch wenn dieses Land, um das es geht, überhaupt kein sozialistisches mehr ist, wenn keine kommunistische Partei mehr an der Macht ist, dies auch niemand behauptet. Auch Herr Putin behauptet von sich ja keineswegs Kommunist zu sein. Das ist vollkommen egal. Mit diesen Klischees kann weiter gearbeitet werden. Ich glaube, wenn wir das nüchtern betrachten, haben wir eine der wesentlichen Propaganda-Funktionen des Antikommunismus schon relativ klar vor Augen. Darüber hinaus gibt es natürlich Länder, die sich weiterhin zum Sozialismus oder auf dem Weg zum Sozialismus befindlich bekennen. Die erleben selbstverständlich, das ganze Programm. Die Berichterstattung über China oder über Kuba sei hier nur beispielhaft erwähnt, wo antikommunistische Klischees nach wie vor ihrer Rolle erfüllen und ihre Funktion haben.

Ich sagte, ich sitze hier für die “Junge Welt”. Die “Junge Welt” ist eine marxistisch orientierte Tageszeitung in der Bundesrepublik Deutschland, eine von mittlerweile noch sieben überregional erscheinenden Tageszeitungen überhaupt. Bei manchen ist es fraglich, wie lange sie rein ökonomisch noch existieren werden. Es ist also ein relativ überschaubares Marktsegment, wo die “Junge Welt” mitspielt. Da gibt es keine wirklich große Vielfalt, auch im bürgerlichen Sinne nicht. Ihr wisst das, wenn ihr in die Zeitungsständer an den Kiosken oder Spätis schaut. Da sind nicht mehr wirklich viele Titel, die da noch irgendwo mitspielen. Die “Junge Welt” ist klein, aber nicht die kleinste unter diesen bundesweit erscheinenden Tageszeitungen. Wir sind, was unsere Verkäufe im Einzelhandel angeht, auf einem Niveau oder sogar schon etwas darüber mit Springers Welt. Wir haben das Neue Deutschland zahlenmäßig lange hinter uns gelassen und im Einzelverkauf auch die taz geknackt. Ich sage das jetzt nicht, um mir oder uns auf die Schulter zu klopfen. Es freut mich natürlich, aber ich möchte zu bedenken geben, dass die “Junge Welt” damit in tödliche Gefahr gerät. Nicht, weil wir viele Abos machen, die wir machen müssen, um die Zeitung zu finanzieren, sondern weil wir damit, ich sage es mal so, oberhalb des Radars sind. Wir werden plötzlich zu einer Größe, die wahrgenommen werden muss. Mit reinem Totschweigen geht es nicht mehr. Totschweigen war der Kurs, der gegenüber der”Jungen Welt” 20 Jahre lang praktiziert wurde. Wir konnten in Berlin “Rosa Luxemburg Konferenzen” mit Tausenden Teilnehmern machen. Da wurde nicht drüber berichtet. Da hat selbst das Regionalfernsehen oder regionale Blätter nicht darüber berichtet. Über viele kleinere Veranstaltungen hingegen in epischer Form, muss ich euch alles nicht erklären. Es ist Antikommunismus, mit dem wir es hier zu tun haben. Warum die “Junge Welt” erst totgeschwiegen wurde und jetzt immer offensiver bekämpft wird das hat damit zu tun, dass wir wahrnehmbar sind, dass wir eine Meinung im bürgerlichen Mainstream abbilden, die dort nicht abgebildet werden soll. Teilweise ist es so bizarr, dass wir schlicht auch die Funktion erfüllen müssen, bestimmte Minoritäten bürgerlicher Sichtweisen zur Geltung zu bringen. Ich bleibe jetzt beim Stichwort Russland. Es ist ja mittlerweile so, dass in den bürgerlichen Massenmedien selbst alle Kapitalfraktionen nicht mehr berücksichtigt werden. Es gibt Kapitalfraktionen, die dort, obwohl ökonomisch stark, publizistisch nicht mehr zu Gehör kommt. Das ist für den bürgerlichen Journalismus ein Armutszeugnis. Betreffs der Abo-Zugewinne, die wir seit Beginn des Ukraine-Krieg gewonnen haben: Manche Leute rufen an und sagen, warum sie uns bestellen. Dieses Motiv ist übrigens ein immer wiederkehrendes? Es geht gar nicht darum, dass die alles richtig finden, was die “Junge Welt” schreibt. Aber es muss doch verdammt noch mal möglich sein, auch eine andere Sichtweise auf die Dinge zu haben und diese Sicht auch irgendwo bekommen und befriedigen zu können. Das spielt also bei vielen Leuten eine Rolle. Die “Junge Welt” selbst wird nicht erst seit gestern bekämpft. Das wollte ich jetzt damit nicht gesagt haben. Wir werden seit einem Vierteljahrhundert vom Verfassungsschutz beobachtet. Beobachtet klingt immer so harmlos. Letztlich geht es darum, - das haben die Damen und Herren der Bundesregierung ganz offen eingeräumt auf eine Kleine Anfrage - der “Jungen Welt” den ökonomischen Nährboden zu entziehen. Also Ruin ist das Ziel. Das hat viele Facetten, beispielsweise Werbeverbote. Wir dürfen beispielsweise in keinen Liegenschaften der Deutschen Bahn, also allen Bahnhöfen nicht werben. Wir dürfen in der Berliner U-Bahn nicht werben usw. Unsere Webseite ist in Schulen und Universitäten zum Teil blockiert, kann dort nicht aufgerufen werden. Die Liste könnte ich jetzt lang fortsetzen. Zu erwähnen wären auch noch regelmäßige Sachbeschädigung, Einbrüche in Redaktionsräumlichkeiten, Verwüstungen, aber ohne Diebstähle und solche Dinge, die einfach unsere Versicherungspolicen in die Höhe treiben sollen, bis wir dann irgendwann nicht mehr versichert sind und dann haut uns sowas irgendwann aus den Latschen. Also die Angriffe sind mannigfaltig und haben zum Ziel, einfach eine kritische Stimme zum Schweigen zu bringen.

Ich erwähne das jetzt nicht nur deshalb so ausführlich, weil ich von der “Jungen Welt” bin und dafür hier sitze, sondern auch, weil es ein praktisches Beispiel, eine fortgesetzte Reihe von praktischen Beispielen für angewandten Antikommunismus ist. Der “Jungen Welt” wird vorgeworfen, eine marxistische Klassenanalyse zu betreiben. Das ist tatsächlich einer der Hauptvorwürfe, die gegen die Zeitung gerichtet werden, dass wir von der Existenz antagonistischer Klassen in der Gesellschaft ausgehen. Jetzt muss ich mal sagen: Das tun ja nicht nur wir. Also man muss nicht mal Marxist sein, um davon ausgehen zu können, dass, was hier aufgebaut wird gegen die “Junge Welt” als Drohkulisse, viel umfassender ist. Da geht es auch darum, dass bis tief hinein in den bürgerlichen Wissenschaftsbetrieb bestimmte Bereiche als unaussprechbar, als unsagbar markiert werden. Alle von euch, die politisch irgendwie aktiv sind, sei es in Organisationen, sei es in der Gewerkschaft, werden das kennen. Natürlich gibt es dort immer noch auch Kräfte und Teile, die mit Klassenanalyse arbeiten. Streng genommen müsste man sogar ein Schichten-Modell nach ganz bürgerlichen Theoretikern unter dieses Verdikt der Regierung stellen, weil auch da immer wieder antagonistische Positionen auftauchen. Kurz gesagt: Dieser Angriff, der hier rollt und der die “Junge Welt” als erstes trifft, weil sie zu weit über dem Radar ist, richtet sich nicht nur gegen Marxisten, gegen Kommunisten, sondern gegen jede Form von ernst zu nehmender Sozialwissenschaft, darunter auch bürgerlicher, richtet sich in der Spitze insbesondere ausdrücklich auch gegen die Gewerkschaften. Selbst wenn die Gewerkschaften teilweise vergessen haben, dass es so etwas wie soziale Klassen gibt - es ist vollkommen egal. Selbst diese kastrierten, diese amputierten Gewerkschaften sind für gute Teile des Kapitals immer noch zu viel und immer noch zu stark.

Um jetzt den Schluss zu kriegen zum Thema: Wie können wir den Antikommunismus bekämpfen? Jetzt könnte ich es mir leicht machen und sagen, macht “Junge Welt”-Abos. Das ist auf gar keinen Fall falsch. Aber das löst das gesellschaftliche Problem natürlich nicht. Die “Junge Welt” ist in einer Scharnierfunktion, weil wir nicht nur Marxisten erreichen, sondern auch Teile des aufgeklärten, kritischen Bürgertums, bürgerliche Demokraten. Unser Beitrag, einer unserer Beiträge ist nicht, dass wir zu einem neuen Zentralorgan werden. Das sind wir nicht, das werden wir nicht werden. Aber dass wir es immer wieder schaffen, ganz im Geiste der traditionellen kommunistischen Bewegung, ich erinnere da an die Zwanzigerjahre, welche Bündnisse es da zu verschiedenen bis antiimperialistischen Zwecken mit bürgerlichen und demokratischen Kräften gab! Auch da ist die “Junge Welt” tätig, indem wir einfach diese Leute mit hineinziehen in den Kampf. Wir können es nicht akzeptieren, dass wir hier stellvertretend bestraft, bekämpft und platt gemacht werden, gleichzeitig aber sich reformistische Gewerkschafter oder liberale bürgerliche Professoren ausruhen und sagen: Das geht uns nichts an. Natürlich geht dich das was an! Auch das ist ein Aspekt von Bündnisarbeit, klar zu machen: Antikommunismus braucht erst mal nicht nur keine Kommunisten, um existieren zu können und richtet sich auch längst nicht nur gegen Kommunisten. Antikommunismus ist der Anschlag auf jedes kritische Verständnis der bürgerlichen Gesellschaft. Wenn wir dagegen kämpfen wollen, müssen wir neben der - was hier vielfach erwähnt wurde - Einheit der Kommunisten selbst auch Sorge tragen, dass wir bürgerliche Demokraten so tief wie möglich in diesen Kampf, der objektiv der ihre sein muss, verstricken und sie da nicht so einfach davonkommen lassen, ihnen keine Möglichkeit geben, sich einfach da klammheimlich heraus zu stehlen. Das ist, denke ich ein wichtiger Aspekt, längst nicht der einzige. Vieles andere Richtige ist hier gesagt worden. Das muss ich nicht wiederholen. Insofern bedanke ich mich und komme zum Ende.

Erika Wehling-Pangerl:

Ich bin nicht delegiert von der Gruppe KAZ. Ich vertrete hier meine Meinung, die vielleicht nicht von allen Mitgliedern der Gruppe ganz geteilt wird. Wir sind auch in Diskussionen über organisatorische Fragen und die mit dem Kampf gegen Antikommunismus auch zusammenhängen. Ich will deshalb jetzt auch hier kein ganzes Programm entwickeln.

Meiner Ansicht nach gibt es spezielle Fragen, die beim Antikommunismus, beim Kampf gegen den Antikommunismus besonders wichtig sind. Also erstens mal: den antikommunistischen Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit dürfen wir nicht damit parieren, dass wir Kommunisten keine Verfassungsfeinde seien? Also dass wir beteuern, dass wir das Grundgesetz verteidigen, sondern es muss das demokratische Recht verteidigt werden, bestehende Gesetze zu kritisieren und abzulehnen. Im Sinne von Genossen Max Reimann, der gesagt hat bei der Verabschiedung des Grundgesetzes: Wir Kommunisten versagen aus grundsätzlichen Erwägungen heraus dem Gesetz die Zustimmung. Die Gesetzgeber werden im Verlauf ihrer volksfeindlichen Politik ihr eigenes Gesetz brechen. Wir Kommunisten aber werden die im Grundgesetz verankerten wenigen demokratischen Rechte gegen die Verfasser des Grundgesetzes selbst verteidigen.

Zweitens: als Internationalisten haben wir in unserem Land die Vaterlandsverteidigung abzulehnen, auch dann, wenn wir - also besser gesagt die BRD - angegriffen werden und als Hauptgrund: wir haben den Hauptfeind im eigenen Land zu bekämpfen. Die historische Erfahrung insbesondere aus dem Ersten Weltkrieg lehrt, dass alles Andere proletarische Parteien und Organisationen zersetzt und dem Antikommunismus die Tür öffnet. Wir kämpfen nicht gegen die USA oder gegen Russland.

Drittens. Wir müssen einander respektieren und gegen die Angriffe der Reaktion zusammenstehen. Das heißt auch, die historisch in Ost und West gewachsenen Organisationsformen, in dem sich zum Kommunismus bekennende Genossen sammeln, müssen respektiert werden, und ihre eventuelle unvereinbare Verschiedenheit in der Organisationsform muss ausgehalten werden. Mit dieser Unvereinbarkeit meine ich zum Beispiel die zwischen Kommunistischer Partei und sich in der Linkspartei organisierenden Kommunisten. Diese sind natürlich nicht in den Inhalten unvereinbar, aber in der Organisationsform sind sie unvereinbar. Das läßt sich also nicht zusammenführen, muss trotzdem ausgehalten werden. Die Zusammenarbeit bei inhaltlicher Übereinstimmung und die Auseinandersetzung über wichtige strittige Fragen sind zu fördern.

Wenn Genossen von einer Organisation zur anderen wechseln, werden wir nicht mehr - durch solidarische Zusammenarbeit und Auseinandersetzung schon.

Moderator:

Vielen Dank an euch alle. Ihr wart schneller als gedacht. Habt euer zehn Minuten jeweils gar nicht ausgefüllt. Das heißt, wir haben jetzt umso mehr Zeit zu diskutieren und wir machen das jetzt auch gleich im Anschluss. Ich denke, wir brauchen jetzt da nicht dazwischen schon wieder eine Pause.