Konferenz
»Der Haupt­feind steht im eigenen Land«

Die jährlich stattfindenden Konferenzen gegen den deutschen Imperialismus sollen den politischen Austausch und die Zusammenarbeit derjenigen revolutionären Kräfte fördern und vorantreiben, die in der Arbeiter- und demokratischen Bewegung für die Linie »Der Hauptfeind steht im eigenen Land« kämpfen wollen.

Antikommunismus gegen Antifaschismus nach Annexion der DDR (ab 1990)

Zbigniew Wiktor (Kommunistische Partei Polens)

Liebe Genossinnen und Genossen,

vielen Dank für die herzliche Einladung zu dieser interessanten Konferenz. Das Thema dieser Konferenz geht mir persönlich sehr nah. Ich bin aufgewachsen in der Gegend von Waldenburg, wo viele deutsche Arbeiter als Bergleute gearbeitet haben, in Waldenburg, Walbrzych, in Nowa Ruda und vielen anderen Städten. Als Kind hatte ich Nachbarn, die Deutsche waren und ich konnte auch teilweise Deutsch sprechen. Ich war mit deutschen Kindern befreundet, und das war sehr wichtig für unser gegenseitiges Miteinander, weil in diesen Verhältnisse historisch oft Hass und unfreundliche Beziehungen gegeben waren.

Die dramatische, unheilvolle Geschichte unserer beiden Länder und Völker wurde dank der Entstehung der Deutschen Demokratischen Republik beendet. Die Beziehung zwischen den Staaten verbesserte sich, insbesondere als in den 70er Jahren die Grenze offen war und tausende Betriebe, Schulen, Universitäten zusammen kamen, gemeinsam arbeiteten, Bekanntschaften machten und auch Einzelpersonen die Möglichkeit hatten, Freundschaften zu schließen. Das war ein großes Ereignis für unsere gemeinsame Geschichte.

Ich habe an der Wroclawer Universität studiert, die damals den Namen des ersten Präsidenten von Volkspolen, Boleslaw Bierut trug. Heute hat sie diesen Name nicht mehr, genau so wenig wie die Leipziger Universität den Namen Karl Marx.

Diese Situation, die Vernichtung des Sozialismus und neuer fortschrittlicher Verhältnisse betrifft nicht nur die Deutsche Demokratische Republik. Der Antikommunismus und Faschismus wächst in ganz Deutschland und es ist eine große Bedrohung nicht nur für die deutsche Arbeiterklasse, sondern auch für die Völker Europas und der ganzen Welt, weil der deutsche Imperialismus nach dem Zweiten Weltkrieg nicht ganz zerstört wurde und vom amerikanischen Imperialismus im Kampf gegen die sozialistische Sowjetunion und die Volksdemokratien in Mitteleuropa benutzt wurde.

Uns ist die Geschichte zwischen unseren beiden Völker sehr wichtig, auch um Antikommunismus und Faschismus, und damit die Gefährlichkeit dieser imperialistischen und kapitalistischen Kräfte besser zu verstehen. Heute, nach der Niederlage der sozialistischen Gemeinschaft in Europa, wachsen die reaktionären Kräfte des Kapitalismus und des Imperialismus. Das zeigt sich nicht nur im politischem Leben in Deutschland, wo vor mehr als 30 Jahre die Deutsche Demokratische Republik von der kapitalistischen Bundesrepublik Deutschland annektiert wurde. Das war ein großer Schritt zurück, nicht nur für die Arbeiterklasse der DDR und die anderen Werktätigen, sondern auch für die Arbeiterklasse Westdeutschlands. Die Vernichtung der Wirtschaft der DDR und die darauf folgende große Arbeitslosigkeit bedeutete für die Werktätigen der Bundesrepublik die rasche Begrenzung der sozialen Rechte, zum Beispiel durch die sogenannten Hartz-4-Maßnahmen.

Nun hat der Bundestag beschlossen, neue Kredite für Rüstung und Waffenexport auszugeben - 100 Milliarden € als „Sondervermögen“, und zukünftig sollen die Ausgaben für des Militärbudget 2 % des Bruttoinlandsprodukt betragen.

Das bedeutet, dass führende Kräfte der Bundesrepublik eine große europäische Armee vorbereiten, es soll die größte Armee Europas sein; und das natürlich nicht nur, um in Berlin oder anderen Städten Parade-Märsche abzuhalten. Es ist eine reale kriegerische Bedrohung, eine neue Gefährlichkeit. Und wir müssen wieder daran erinnern, dass nach dem Zweiten Weltkrieg die Völker nicht nur Europas, sondern der ganze Welt gerufen haben: Nieder mit dem Krieg! Nieder mit Faschismus!

Heute erleben wir in der Ukraine einen sehr gefährlichen Kurs für die Arbeiterklasse und alle friedliebende Menschen, deshalb müsse wir als Kommunisten, zusammen mit anderen progressiven Kräfte alles tun gegen diesen gefährlichen Kurs. Das ist eine sehr wichtige Frage für die gegenwärtige Welt: Kampf gegen Faschismus, Kampf gegen Imperialismus und nieder mit dem Antikommunismus.

Aber die reale Situation ist sehr schwierig.

Man kann sagen, dass es auch positive Zeichen in dieser Entwicklung gibt. Da ist insbesondere die schwache Entwicklung der Wirtschaft der USA in den letzten 20 Jahren. Nach letzten ökonomischen Angaben verlor die USA schon die erste Stelle des Ranking das Bruttoinlandprodukt betreffend. An die erste Stelle tritt die Chinesische Volksrepublik, an die zweite die Europäische Union und die USA kommt erst an dritter Stelle. Das bedeutet, dass das amerikanische Kapital und Zentrum des Imperialismus militärische Maßnahmen benutzen wird, um nicht nur ihre militärisch-politische Position zu behalten, sondern auch die ökonomische, also die finanziell führende Position, insbesondere durch den Dollar als Welt-Valuta, als Weltgeld.

Es gibt auch progressive Zeichen, und diese progressive Zeichen sind verbunden mit der Volksrepublik China. Meiner Meinung nach gibt es durch die Volksrepublik China sowie die Kommunistische Partei Chinas eine Chance für die Wiederbelebung des wissenschaftlichen Sozialismus und der kommunistischen Bewegung. Sie gehen einen anderen Weg des Sozialismus. Sie haben Werte aus der alte Geschichte übernommen, vom Konfuzianismus, in dem es auch progressive Gedanken gab, um besseres Leben zu schaffen, nicht nur für den Adel, für die führenden Kräfte von China, sondern auch für das Volk. Auf diese, ihre zivilisatorischen und kulturellen Werte und diese historische Erfahrung wollen sie nicht verzichten. Es gibt also eine Chance, insbesondere für die sogenannte Dritte Welt. Dieser chinesische Weg ist sehr interessant für diese Länder, insbesondere auch für die Teilnehmer am Projekt “Neue Seidenstraße”. Das sind ungefähr 130 Staaten der Welt. Im vorigen Fünf-Jahr-Plan hat darüber hinaus die VR China mehr als 5 Billionen Dollar gegeben auf verschiedene Formen des Handels und der Hilfe für Länder in Asien, in Afrika und Lateinamerika. Das ist auch ein progressives Zeichen für die Mehrheit der Bevölkerung unseres Planeten.

Natürlich gibt es das globale Problem. Wir leben in Europa am Rande des euro-asiatischen Kontinents. Hier wurden diese imperialistischen Kräfte groß. Und für die weitere Entwicklung ist der Krieg in der Ukraine eine sehr große Gefahr.

Vor ein paar Jahren sagte General Ben Hodges, früher Oberkommandierender der US-Armee in Europa, dass die Gefahr, die von China ausgeht, so groß ist und eine reale Bedrohung darstellt, dass Amerika einen Krieg gegen China in Betracht ziehen müsse. Das wurde offiziell von von ihm erklärt in einem Interview. Diese imperialistischen Kräfte wollen ihre Dominanz, ihre Hegemonie mit aller Gewalt erhalten. Aber, dass die amerikanische Wirtschaft nicht mehr die führende Ökonomie der Welt ist, das ist auch eine gutes Zeichen für die Werktätigen auf der ganzen Welt.

Es wird sie interessieren, etwas über die Situation in Polen zu hören, weil wir Nachbarländer sind und gute Kontakte brauchen.

Leider gibt es in Polen einen sehr gefährlichen politischen Kurs, und er ist schlecht besonders für die Werktätigen, für die Arbeiterklasse. Heute haben wir das Resultat der Aktivität solcher Leute wie Lech Walesa, der als neuer Held Polens erklärt wurde von bürgerlichen Kräften, oder Papst Johannes Paul II.- Karol Wojtyła oder anderer Helden, die natürlich in Wirklichkeit keine positiven Persönlichkeiten sind. Durch die Reformen auch von Leszek Balcerowicz, dem neuen Guru des amerikanischen Liberalismus hat Polen 5 Millionen Arbeitsplätze verloren. 5 Millionen - das bedeutet, dass 2,5 Millionen mit einer Vorruhestand-Hunger-Rente auskommen müssen. Und die andere 2,5 Millionen, die emigrierten nach Deutschland, nach England, in die USA und viele andere Länder, zum Beispiel nach Skandinavien. Nach Ansicht der gegenwärtig führenden Kräfte in Polen ist das kein schlechtes Ergebnis.

Ein schwieriges Problem in sozialer Hinsicht war zum Ende der Volksrepublik Polen der Mangel an Wohnungen. Die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei hatte damals einen Plan, um die Wohnungsfrage zu lösen, ähnlich wie es ihn in der Deutschen Demokratischen Republik gab. Damals fehlten Ende der 80er Jahre in der VR Polen ungefähr 2 Millionen Wohnungen, insbesondere für junge Leute und junge Familien. Jetzt ist das Wohnungsproblem noch größer. Nicht mehr nur zwei, sogar drei Millionen, manche sagen noch mehr, die keine Wohnung finden. Aber weil Wohnen zur Ware auf dem Markt wurde, gibt es viele, vielleicht hunderte, tausende Wohnungen, die leer stehen. Der Preis für den Quadratmeter einer Wohnung zum Beispiel in Wroclaw ist teurer als in Warschau; 20.000 Zloty, das sind ungefähr 5.000 € pro Quadratmeter. Eine kleine Wohnung mit 50qm würde 1 Million Zloty kostet. Dafür müsste man einen Kredit aufnehmen. Man sieht, wie groß dieses Problem geworden ist. Auch deswegen emigrieren viele junge Polen und die Emigration umfasst nicht nur Arbeiter, sondern, ähnlich wie in Ländern der Dritten Welt, auch Intelligenz, also Ingenieure und Ärzte um Beispiel. In Polen fehlen in den Hospitälern ungefähr 1/3 des Personals, insbesondere Ärzte und Krankenschwestern. Es ist eine sehr schwierige Situation.

In letzter Zeit haben wir eine dramatische Zuspitzung durch die Inflation infolge der falschen Politik der Regierung. Die Preise steigen von Monat zu Monat. Das ist schlimm für Leute, die wenig verdienen und das sind mehr als 70 % der Bevölkerung. Das bedeutet, wenn wir die politische Seite betrachten, dass die goldene Aura von Solidarnosc schwindet, dass nur noch eine sehr schwache Legende übrig bleibt. Walesa und viele führende Positionen dieser Bewegung wurden von bürgerlichen Kräften groß herausgestellt.

Aber im Resultat dieser Veränderungen sind Antikommunismus und bedrohlicher Faschismus gross geworden. Von reaktionären und faschistischen Kräften wurden zum Beispiel Demonstrationen und Propaganda gegen die Geschichte Volkspolens und gegen Denkmäler der Volksrepublik organisiert. Denkmäler polnischer Persönlichkeiten wurden vernichtet, nicht nur von kommunistischen, auch von anderen fortschrittlichen Menschen, die sich Verdienste in der Geschichte erworben hatten oder von prominenten Wissenschaftlern. Und auch deswegen wächst jetzt eine neue Welle des Obskurantismus, des Aktionismus der faschisierenden Kräfte. Es gibt zum Beispiel faschistische Gruppen, die organisiert die Bevölkerung terrorisieren. Denkmäler werden mit barbarischen Methoden vernichtet, auch Denkmäler sowjetischer Soldaten und der Roten Armee. Wir als Kommunisten und andere fortschrittliche Menschen organisierten dagegen den Widerstand und wurden deswegen durch Polizei verfolgt.

Acht Jahre lang wurden führende Mitglieder der Kommunistischen Partei Polens behelligt und verfolgt von Polizei, Spitzeln und Staatsanwälten. Im Strafprozess vor dem Gerichtshof in Dąbrowa Górnicza oder in Katowice wurden sie verurteilt zu einer geringen Strafe, jedoch zum Nachteil für das Ansehen der kommunistischen Bewegung in Polen.

2016 hat die konservative Regierung Justizministerium und Generalstaatsanwaltschaft in Personalunion zusammengelegt. Im Dezember 2020 wurde vom Justizminister Zbigniew Ziobro der Antrag an den Verfassungsgerichtshof eingereicht, die Kommunistische Partei Polens für illegal zu erklären und sie zu verbieten.

Wir organisieren dagegen Proteste, aber die Situation jetzt ist sehr schwer. Es gibt viele Probleme mit jungen Genossen, weil sie Angst haben müssen, ihre Arbeit zu verlieren oder anderweitig bestraft zu warden. So ist die Situation der kommunistischen Bewegung, der Kommunistischen Partei in Polen dramatisch, und man wird an die schwarze Zeit erinnert, als vor dem zweiten Weltkrieg eine ähnliche Situation war. Resümierend können wir feststellen, dass es in Polen jetzt ein sehr reaktionäres Regime gibt, und dass dieses natürlich eine große Unterstützung von reaktionären Kräfte in Europa und insbesondere den Vereinigten Staaten hat. Aber aktuell hat die Regierung auch große Probleme eine gemeinsame Politik mit der Europäischen Kommission und anderen Zentren der Europäischen Union zu koordinieren. Diese reaktionäre Regierung und ihre Politik profitiert stark von der Regierung der USA.

Als der Konflikt in der Ukraine eskalierte, ist nach einem Monat der Präsident der USA, Joe Biden, schnell nach Polen gefahren und hat zwei wichtige Rede gehalten, in Warschau und auch an der Grenze zur ukrainischen Republik in der Woiwodschaft der Stadt Rzeszow, ungefähr 70 Kilometer von der Grenze entfernt. Und er hat versichert, dass nicht nur die Ukraine, sondern auch Polen eine große Unterstützung mit neuen Waffen bekommt. Aber natürlich muss Polen das bezahlen und die eigenen Waffen, zum Beispiel Panzer, soll Polen kostenfrei an die Ukraine abgeben. Das ist Politik, bei der der amerikanische militärisch-industrielle Komplex der große Gewinner ist.

Natürlich gibt es noch viele andere Fragen, für die jetzt leider die Zeit fehlt. Und deswegen möchte ich die Hoffnung äußern, dass unser Zusammentreffen nicht das Letzte war und wir uns in der Zukunft wieder treffen und viele wichtige theoretische und politische Probleme erörtern können. Vielen Dank.