Konferenz
»Der Haupt­feind steht im eigenen Land«

Die jährlich stattfindenden Konferenzen gegen den deutschen Imperialismus sollen den politischen Austausch und die Zusammenarbeit derjenigen revolutionären Kräfte fördern und vorantreiben, die in der Arbeiter- und demokratischen Bewegung für die Linie »Der Hauptfeind steht im eigenen Land« kämpfen wollen.

Was ist der Hauptauslöser imperialistischer Kriege?

Podium mit Hamza Yalçın, Gretl Aden und Jörg Kronauer

Moderator:

Ich begrüße ich euch alle zur siebten und letzten Veranstaltung der diesjährigen zwölften Konferenz “Der Hauptfeind steht im eigenen Land”. Heute haben wir ein internationales Podium, wo wir die Frage: “Was ist der Hauptauslöser imperialistischer Kriege?” verhandeln wollen. Zu diesem Podium begrüße ich Gretl Aden, die ich gestern schon vorgestellt habe. Auch Jörg Kronauer, der am Donnerstag referiert hat.

Und schließlich Hamza Yalçın: Er lebt in Schweden, er ist sozialistischer Aktivist, Schriftsteller und Mitglied im schwedischen Schriftstellerverband. Er schreibt auf Türkisch. Geboren und aufgewachsen in der Türkei, war er in der Türkei jahrzehntelang im Widerstand, musste immer wieder Haft und Folter ertragen und war oft auf der Flucht. Nachdem er in der Türkei zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden war, flüchtete er nach Schweden. Er studierte dort Pädagogik und Psychologie und ergriff die Initiative zur Gründung der Bildungs- und Solidaritätsbewegung ODAK. Die Veranstaltung wird so ablaufen, dass wir das Ganze übersetzen ins Türkische. Hamza selber wird auf Türkisch berichten und dann wird er wieder übersetzt, sodass jeder dem Ganzen folgen kann. Hier schon mal vielen Dank auch von meiner Seite an die Genossinnen und Genossen, die die Übersetzung übernehmen.

Die Fragestellung ist: Was ist der Hauptauslöser imperialistischer Kriege? Und um das Ganze ein bisschen zu konkretisieren, soll es an zwei Fragestellungen diskutiert werden.

Die Frage ist erstens: Ist ein Weltkrieg wieder möglich?

Und zweitens: Steht bezüglich imperialistischer Kriege die Aggressivität imperialistischer Mächte im Verhältnis zu ihrem militärischen Potenzial?

Hamza Yalçın:

Zunächst einmal möchte ich mich für die Einladung bedanken und auch meine Glückwünsche und meine Anerkennung für das sehr gelungene Motto: “Der Hauptfeind steht im eigenen Land” zum Ausdruck bringen. Und ich möchte mich bedanken, dass ich hier teilnehmen kann.

Ich werde zu beiden Fragen eine positive, bejahende Position beziehen.

Ein Weltkrieg ist wahrscheinlich, er ist nicht auszuschließen.

Und auch die Aggression imperialistischer Mächte ist stets im Verhältnis zu ihrem militärischen Potenzial.

Nach diesem Prinzip werde ich meine Antworten geben.

Der Hauptgrund von Kriegen ist ökonomisch zu sehen, ökonomisch einzuordnen. Krieg ist per definitionem die Fortführung der Politik mit Gewaltmitteln. Das müsste von einem deutschen Strategie-Spezialisten stammen. Lenin hatte den Imperialismus mit folgenden Besonderheiten definiert: Erstens ist es der monopolistische Kapitalismus. Zweitens: es ist der aussaugende, parasitäre und verfaulende Kapitalismus. Die dritte Besonderheit: er ist der Kapitalismus, der quasi sich dem Untergang neigt. Zwei dieser Besonderheiten haben sich heutzutage vertieft.

Während z.B. im Jahr 2010 288 Personen die Hälfte des Weltvermögens innehatten, hat sich diese Zahl im Jahr 2018 auf 226 minimiert.

Die Produktion intensiviert sich immer mehr. Die Produktion und das Kapital zentralisiert sich in hohem Tempo in privaten Hände. Allerdings ist es so, dass - verglichen mit der Zeit, in der Lenin diese Definition aufgestellt hat -dass es heute nicht mehr in diesem Maße einen entsprechenden antiimperialistischen Kampf gibt. Und dadurch, dass die revolutionären Bestrebungen zurückgegangen sind, steigt damit auch die Gefahr eines Weltkriegs. Die Kapazitäten von Nuklearwaffen haben sich um ein Vielfaches in ein Potenzial gesteigert, welches die gesamte Welt zerstören könnte. Diese stellen ein bedeutendes Hindernis dar. Dieses Hindernis ist nicht unabdingbar. Das heißt eigentlich: jeder, der diesen Krieg beginnt, der kann auch verlieren. Die gesamte Menschheit kann ja verlieren.

Es gibt imperialistische Aggressionen auf der gesamten Welt. Die USA ist der Haupt-Führer dieser Bestrebungen. Der Hauptgrund dafür ist die Wirtschaft, die Ökonomie. Die USA ist mit einem Drittel an den gesamten Militärausgaben der Welt beteiligt mit 39% oder 40%. Er ist der größte Waffenexporteur der Welt.

Zurzeit erscheint die Welt in zwei Lager geteilt. Die Konflikt-Regionen dieser beiden Lager werden quasi definiert durch die USA, Grossbritanien, die Europäische Union, Kanada, Kanada, Australien und Neuseeland. Diese Vereinigung bestimmt den Großteil der Welt. Die USA diktiert quasi die NATO.

Auf der anderen Seite ist Russland und China.

Die Konflikt- oder Kampf-Regionen der Welt sind in Europa die Ukraine und das Schwarze Meer; dann der Nahe und Mittlere Osten, das Südchinesische Meer und das Feld für nukleare Waffen in der Arktischen Region. Das heißeste Gebiet diesbezüglich ist der Nahe Osten. So würde ich diesen Rahmen skizzieren.

Jörg Kronauer:

Ich würde auch auf jeden Fall sagen, dass ein Weltkrieg möglich ist. Wie wahrscheinlich? Das hängt sicherlich auch von uns ab, also von der Gegenwehr. Ich würde mich anschließen, dass der Hauptauslöser für einen möglichen Weltkrieg in der Ökonomie zu suchen ist. Man muss sich ja anschauen: Der Westen insgesamt sowohl die USA als auch Deutschland und die EU sind, wenn man es mal in historischen Kategorien betrachtet, tendenziell im Abstieg, während nach wie vor China im Aufstieg ist. Und China hat ein wirtschaftliches Potenzial, mit dem, wenn es sich entfalten kann, der alte Westen nur ganz schwer wird mithalten können. Und das ist genau diese explosive Situation, die meiner Einschätzung nach wirklich direkt in einen Weltkrieg führen kann. Wenn der Westen eben nicht mehr in der Lage ist, seine dominante oder zumindest starke globale Stellung zu halten. Ich denke, es ist nicht nur so, dass tatsächlich die Kriegsgefahr objektiv sehr groß ist. Es kommt hinzu, dass in den außen- und militärpolitischen Eliten längst wieder ganz offen über einen Weltkrieg geredet wird. Es gibt zum einen so genannte Wargames in den USA. Das sind Kriegssimulationen, in denen ein Krieg zwischen den USA und China durchgespielt wird. Und zum anderen sagen Militärs immer häufiger, dass aus ihrer Sicht ein Krieg doch eine große Wahrscheinlichkeit hat. Ein Beispiel: James Stavridis. Er war höchster Nato-General in Europa vor ein paar Jahren. Jetzt hat er ein Buch publiziert. Es ist ein Roman, in dem der Dritte Weltkrieg beschrieben wird. Das Buch heißt 2034. Stavridis meint, 2034 könnte ein Weltkrieg beginnen. Und Stavridis berichtet, viele Militärs fänden sein Buch sehr zutreffend, aber sie sagen: Der Krieg wird nicht 2034 kommen, sondern vielleicht schon zehn Jahre früher, also 2024.

Kurz zu der zweiten Frage: Die USA haben das Potenzial, einen imperialistischen Krieg zu führen. Ganz sicher. Die Frage ist, wie es mit Deutschland und der EU aussieht. Es wird auch in Deutschland und der EU sehr viel aufgerüstet. Das ist hoch bedrohlich und es gibt auch in Deutschland und der EU die Bereitschaft, militärisch offensiver gegen China aufzutreten. Im August wird eine deutsche Fregatte ins Südchinesische Meer fahren. Es ist allerdings so, dass vor allem in Deutschland Militärs jetzt schon warnen, die Bundeswehr sei tendenziell überdehnt, vor allem die Marine. Soll heißen: Die Marine tut schon jetzt so viel, dass sie es gerade noch schafft, mehr ist schwer möglich. Nun ist es so, dass das sicherlich die deutsche Seite nicht hindern wird, in einen Krieg einzutreten, aber das bedeutet, das Risiko ist sozusagen auch nochmal viel größer. Das bedeutet, so würde ich es einschätzen, dass auch im Ernstfall die Gewaltbereitschaft viel größer sein wird. Und gleichzeitig ist auch das Risiko viel größer, dass es auf der eigenen Seite zu einem Zusammenbruch kommt, dass die eigene Seite eben so einen Krieg nicht mehr tragen kann. Das heißt also, meiner Einschätzung nach, es vergrößert das Gefahren- und Gewaltpotenzial nochmal mehr.

Gretl Aden:

Schön, dass ihr da seid. Ich begrüße euch über die verschiedenen Meere hinweg. Wir sind nun ja offensichtlich alle in dem Punkt einig, dass die Gefahr eines Dritten Weltkrieges vorhanden ist, sich die Situation und Widersprüche auch dorthin gehend zuspitzen und dass diese Gefahr in den ökonomischen Grundlagen des Imperialismus liegt: Die Monopole, die die Welt ständig neu aufteilen müssen, um weiterhin selbst Profit machen zu können. Ich habe allerdings eine andere Meinung als meine beiden Vorredner. Die Geschichte hat gezeigt, dass es nicht jeweils der stärkste Imperialist, der am höchsten gerüstete Imperialist war, der den Weltkrieg angezettelt hat, der die Neuaufteilung auf die Tagesordnung gesetzt hat, sondern es waren die Schwächeren, die aber kräftig herangewachsen sind und die deswegen sozusagen eine Neuaufteilung der Macht, der Märkte, der Rohstoffquellen, des Einflusses auf die Tagesordnung gesetzt haben. Und zwar sind beide Weltkriege so entstanden und ich finde, wir sollten zumindest mal diese Tatsache immer mit im Hinterkopf haben.

Von daher denke ich, dass wir die Möglichkeit nicht außer Acht lassen sollten, dass sich die Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten gegenüber der Volksrepublik China oder auch gegenüber Russland auf eine andere Art und Weise entwickeln, als wie die, dass sie gemeinsam als Block gegen Russland oder China vorgehen. Auch wenn das im Moment der Hauptwiderspruch zu sein scheint, auf der einen Seite die Volksrepublik China anzugreifen, damit sie nicht weiter Einfluss auf der Welt nehmen kann oder auch Russland und China gemeinsam anzugreifen, wissen wir nicht, ob nicht die Auseinandersetzung um diese Länder und ihren Reichtum u.s.w. vorher in zwischenimperialistische Widersprüche münden, also Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten, und das ist für mich jetzt Deutschland, England, Frankreich und die USA.

Die EU nenne ich nie als Block, weil ich nicht davon ausgehe, dass diese EU als Block tatsächlich militärisch in einem Weltkrieg tätig wird, weil es viel zu viel Widersprüche innerhalb dieser EU gibt. Sie schaffen es meines Erachtens gar nicht, dass sie gemeinsam aufrüsten, dass sie dann soweit kommen, weil sie permanent in Auseinandersetzungen verwickelt sind: Wer hat wieviel Anteile? wer hat was unter der Hand? und so weiter.

Als der deutsche Imperialismus den Zweiten Weltkrieg vorbereitet hat, war er rüstungsmäßig ausgesprochen schwach? Er hatte nämlich das Jahrzehnt davor die Beschränkungen durch das Versailles Abkommen, also durch den sogenannten Frieden von Versailles. Er durfte nur eine bestimmte Anzahl von Soldaten unter Waffen haben und er durfte nicht aufrüsten. Das hat die Herrschenden in Deutschland nicht gestört den Zweiten Weltkrieg zu planen und anzugehen. Allerdings brauchten sie dazu die Auslöschung jeglichen Widerstands und die Ausrichtung der gesamten Gesellschaft auf den Krieg, auf die Aufrüstung also. Und das bedeutete, dass sie damals zu diesem Zwecke die faschistische Macht errichtet haben.

Das heißt für uns: wir müssen immer auch versuchen, diesen Zusammenhang zwischen Krieg und Faschismus, also wenn in der Welt, wie wir das ja auch beobachten können, auch diese faschistische Richtung wieder zunimmt, diesen Zusammenhang zwischen Faschismus und Krieg auch im Auge halten. Der Kampf gegen den Faschismus ist auch ein Kampf gegen den Krieg.

Hamza Yalçın:

Ich hatte gerade, als ich die Konflikt-Regionen aufgezählt habe, Lateinamerika nicht dazu gezählt. Das ist auch ein Konflikt-Bereich, aber nicht vergleichbar mit dem Nahen Osten.

Gretls Worte, besonders der letzte Abschnitt, waren sehr gut. Da möchte ich mich auch anschließen und da nochmal ansetzen. Beispielsweise hat Israel bedeutende Schritte gemacht, die einen Weltkrieg einleiten können.

Zum Beispiel hat Israel mehrere Tanker von Iran, die nach Syrien unterwegs waren, gestoppt aufgrund der Beschränkungen, die die USA in der Region ausübt. Daraus resultierend musste Russland die Schiffe, welche zur iranischen Marine gehörten, Begleitschutz bieten. Auch hat Russlands aus Syrien eine Rakete abgeschossen. Diese Rakete prallte ganz in der Nähe einer Nuclear Station in Israel. Das sollte eine Warnung sein.

Dadurch, dass die antiimperialistischen und revolutionären Bestrebung oder antikapitalistischen Bestrebungen auf der ganzen Welt geschwächt sind oder schwächer werden, wird die Wahrscheinlichkeit eines Weltkriegs umso höher. Amerika hat die NATO erweitert. Jetzt versucht USA Ukraine und Georgien mit einzubeziehen und hat somit Russland von allen Seiten belagert und umstellt.

Die USA hat durchgesetzt, dass diese Regelung, dass die NATO überhaupt erst in einen Krieg ziehen darf, wenn ein NATO-Staat angegriffen wird, praktisch annulliert, also aus dem Weg geräumt ist.

Die NATO hat Libyen ohne jeglichen Grund angegriffen. 1995 geschah das Gleiche mit Jugoslawien. Die USA ist immer mehr in Konfrontation mit China. China entwickelt sich aktuell mit einem sehr hohen Tempo und versucht seine Vorherrschaft mit einer ganz anderen Methode umzusetzen: absolut ökonomisch orientiert. Darüber hinaus entwickelt China die Marine in hohem Maße und baut die Seidenstraße aus.

Für einen militärischen Angriff ist China nicht stark genug; Die USA hat da eine relativ hohe Übermacht. Weltweit in 70 Länder hat die USA 700 Militärstützpunkte. China verfügt über keine. Wenn die USA es möchte, könnte sie die Wirtschaft oder den Handel von China sabotieren. 80% des Welthandels erfolgt letztlich über die Seewege. Die USA hat sich China gegenüber mehrmals aggressiv aufgebaut.

Im Jugoslawien-Krieg damals wurde angeblich aus Versehen die chinesische Botschaft auch bombardiert. In Libyen hatte China auch sehr viele Verträge. Infolge der Annektion durch die NATO sind diese jetzt alle ungültig.

China versucht permanent, sich von einer militärischen Auseinandersetzung zu distanzieren, also diese zu vermeiden. Gleichzeitig jedoch hat China in den letzten 10 Jahren sein militärisches Potenzial um ein Vielfaches gesteigert.

Seit 1991 versucht man, Russland dauerhaft immer weiter zu zerteilen oder zu schwächen. Das sind alles Quellen und Potenziale, die Spannung und damit die Explosivität fördern können.

Auch die Türkei ist im Vergleich zu Israel einer der aggressiveren Staaten der Welt.

Erdoğan versucht, um an der Macht zu bleiben, in diesem Geflecht zwischen USA, Russland und China für sich selbst eine geeignete und gute Position zu finden. Die Türkei stellt sich auf die Seite der USA im Konflikt in der Ukraine.

So soll in Istanbul ein Kanal gebaut werden, der als Zeichen dafür gilt, dass ein Hindernis geschaffen werden soll für die Zufahrt Russlands zum Mittelmeer. Die amerikanische Marine könnte dann viel leichter Kontrolle im Mittelmeer ausüben.

Da internationale Verträge die Zufahrt über den Bosporus regeln, könnte die Türkei durch den Kanal praktisch unabhängig von diesen Verträgen bestimmen, wie er benutzt werden kann.

Nichtsdestotrotz ist die aggressivste Kraft, die im Moment einen Weltkrieg vielleicht anzetteln könnte, Israel. Die Europäische Union möchte eigentlich mit China und Russland ökonomisch mehr handeln, also das Volumen erhöhen. Russland möchte, dass Deutschland praktisch eine zentrale Rolle für die Verteilung von Öl und Gas wird. China bietet Deutschland und der EU sehr viele Vorteile, was die Ökonomie angeht. Aber die USA blockiert ständig solche Bestrebungen.

Es gibt zwar eine starke Blockbildung erneut, aber diese Blockbildung findet nicht statt wie sie in der Vergangenheit existiert hat. Beispielsweise gibt es ökonomische Interessen: die entsprechenden Handelsvolumen zwischen China und Russland und bestimmten europäischen Ländern dienen praktisch dazu, dass diese sich nicht 100-prozentig an der Seite eines Blocks sich positionieren können.

Als die westlichen Alliierten bzw. USA die Länder Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien praktisch angriffen und zum Teil auch besetzt haben, konnten die fortschrittlichen Kräfte dagegen leider keine Position annehmen.

Antimilitärische und antiimperialistische Kräfte müssten daher gestärkt werden; das müsste im Vordergrund stehen und deren Zusammenarbeit. Beispielsweise hat Israel jetzt Palästina ganz offen provoziert. Trotzdem ist diesbezüglich auf der Welt eine Protesthaltung sehr, sehr schwach ausgeprägt. Und das stellt ein hohes Risiko dar.

Israel ist im Nahen Osten, in Afrika und der kaukasischen Region in einer regionalen Vorherrschaftsposition und sehr effektiv. Und strebt stetig danach, dass Staaten geteilt oder gespalten werden. Diese Position ist vergleichbar mit der Situation, die vor dem Ersten Weltkrieg vorgeherrscht hat. Und Israel handelt dabei vorgegebenermaßen im Sinne des Westens oder des westlichen oder amerikanischen Blockes.

Diese Konstellation stellt gerade den Nahen Osten als einen großen Krisenherd und als Potenzial dar für einen größeren Krieg. Sollte es im Nahen Osten einen größeren, überregionalen Krieg geben, würde diesen Krieg Israel stark anfeuern. Iran wurde mehrmals provoziert von Seiten Israels.

Jörg Kronauer:

Erstens. Es stimmt, dass die Wirtschaftsbeziehungen vor allem zwischen Deutschland und China sehr eng sind. Nur: enge Wirtschaftsbeziehungen verhindern keinen Krieg. Vor dem Ersten Weltkrieg hat Deutschland sehr viel im Russland-Geschäft verdient, soviel, dass es stark genug wurde, um Russland angreifen zu können.

Zweitens. Ich denke auch, dass es prinzipiell möglich ist, dass es zu einem großen Konflikt zwischen den imperialistischen Staaten selbst kommt, zwischen den USA auf der einen Seite und Deutschland und Frankreich auf der anderen Seite. Dass prinzipiell auch der Konflikt zwischen den großen imperialistischen Mächten eskalieren kann, also der zwischen Deutschland und den USA. Im Moment ist es so, dass der militärische Abstand sehr groß ist zwischen den USA und Deutschland. Die deutschen Planungen sehen vor, dass das nächste Rüstungsniveau in den Jahren 2035/2040 erreicht ist und das soll dann sozusagen mindestens genauso stark sein wie das der USA. Das wäre der Zeitpunkt, wo es nach gegenwärtigen Planungen dann kritisch werden würde.

Drittens. Ich denke, es gibt einen Unterschied zu der Zeit jeweils vor den zwei Weltkriegen. Gerade vor dem Ersten Weltkrieg galt Deutschland als zu spät gekommen. Das heißt, es war sehr viel ökonomisches Potenzial da, was schnell entfaltet werden konnte und zu einem starken Machtzuwachs geführt hat. Das hat auch vor dem Zweiten Weltkrieg geklappt, dieses große Potenzial schnell sehr stark zu machen. Heute, denke ich, ist es eine andere Situation. Die Bundesrepublik hat das nicht mehr, dieses nachholende Potenzial, das sie damals hatte. Zumindest ist es nicht offensichtlich. Und seit längerer Zeit kann sie ihre Stellung in Europa immer dominanter machen, aber nicht auf globaler Ebene. Und das ist, denke ich, ein Unterschied in der gesamt Konstellation für einen Weltkrieg. Das macht die Sache meiner Ansicht nach nicht ungefährlicher. Denn: Erstens weiß man nicht, ob es Deutschland nicht doch gelingt, plötzlich neues ökonomisches Potenzial sich zu eröffnen und zu entfalten. Und zweitens, auch wenn das nicht gelingt: Gerade ein Staat, der vor dem Verlust von Macht steht, wird ja aggressiv und gefährlich bei dem Versuch, seine Macht zu verteidigen. Also gerade der Abstieg ist eine hoch eskalationsgefährdete Phase.

Gretl Aden:

Ich versuche möglichst kurz drei Punkte nochmal anzusprechen.

Der erste: Jörg, du hast gesagt, Deutschland hat nicht mehr das Nachhol-Potenzial wie vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Das halte ich für einen Irrtum. Deutschland hat weder vor dem Ersten noch vor dem Zweiten Weltkrieg, auch ökonomisch sozusagen, noch nicht die damalige Weltmacht England überholt. Aber er ist sehr viel schneller gewachsen als die damals führenden Weltmächte. Wenn man das heute betrachtet, dann ist es so, dass Deutschland ökonomisch durchaus sehr stark ist und im Vergleich, die USA eher schwächer wird. Ein gewisser Ausdruck davon waren dann die Reaktionen von Trump. Die Rechten machen das ja immer am deutlichsten, weil sie dann direkt losschlagen. Er war sozusagen auch gegen diese ökonomische Stärke des deutschen Imperialismus, die dieser erreicht hat in Bezug auf die USA. Da ging es nur um die Handelsbeziehungen, Handelsbilanzen usw. , das ist er direkt angegangen und er hat angefangen mit Strafzöllen usw.. Also ich denke, das ist kein großer Unterschied zu der Situation vor dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg.

Der zweite und dritte Punkt ist zu Hamsa.

Ich glaube, es ist sehr notwendig, immer zu untersuchen, was es bedeutet, wenn wir sagen, die NATO hat hier oder da zugeschlagen. Um den Menschen aufzuzeigen, dass es kein Block ist unter der Führung des US-Imperialismus, weil sie sich dann immer gegen die USA wenden als vermeintlichen Führer allen Übels. Bei uns in Deutschland ist das extrem, dass sich viele fortschrittliche Menschen dagegen wenden. Und dahinter verschwinden völlig die Interessen des deutschen Imperialismus. Sie laufen also sozusagen in Gefahr, dem deutschen Imperialismus, also unserem Hauptfeind, Rückendeckung zu geben.

Und ich möchte dazu noch zwei oder drei Beispiele anführen. Der Krieg gegen Jugoslawien war zwar ein Krieg der NATO. Aber es war ein Krieg, der vom deutschen Imperialismus angezettelt worden ist und vorangetrieben worden ist.

Zweitens Der Krieg gegen den Irak war kein NATO-Krieg, sondern es war ein Krieg mit einem Bündnis von Staaten um die USA herum. Deutschland, Frankreich, Russland waren dagegen. Drittens. Der Krieg gegen Libyen war kein NATO Krieg. Er wurde begonnen von Frankreich und England; diese haben angefangen Libyen zu beschießen. Und dann ist die USA noch eingestiegen. Deutschland hat sich enthalten. Es war kein NATO-Krieg. Also wir müssen immer unterscheiden: was ist da eigentlich was? Und herausarbeiten, warum verhalten sich die einen Staaten so und warum? Und entsprechend die anderen, also die Konkurrenz, was da dahinter steckt.

Das war mein zweiter Punkte stark gekürzt.

Der dritte Punkt. Die Konflikte zwischen regionalen Mächten können meines Erachtens durchaus zum Anlass genommen werden für einen dritten Weltkrieg, aber sie werden zu keinem (dritter) Weltkrieg, solange sie unter diesen Mächten stattfinden. Wir müssen sehen wiederum bei diesen regionalen Konflikten, welche Großmächte hinter den jeweiligen Seiten stehen und welche Interessen sie dort vertreten? Dann nämlich, wenn das zum Knackpunkt wird in diesen regionalen Konflikten, dann kann daraus auch ein Weltkrieg werden. Es wichtig zu sagen: Wer kämpft da eigentlich im Hintergrund gegen wen?

Und jetzt muß ich leider - ich wollte es eigentlich vermeiden - nochmal auf Israel kommen. Ich wollte es deswegen verhindern, weil sich in der Regel bei dem Thema Israel-Palästina die Linken hier in Deutschland erst einmal die Köpfe einschlagen, bevor überhaupt irgendwas anderes passiert. Du hast gesagt Hamza - zumindest wurde es so übersetzt - Israel ist die aggressivste Kraft für den Weltkrieg oder die aggressivste Kraft für den Weltkrieg ist Israel in der Region.

  • Ich möchte dazu nur kurz etwas sagen, aber da sind wir uns vielleicht auch einig, aber damit wir es wissen. Dass Netanjahu jetzt im Moment oder die letzten zwei oder drei Jahre nochmal relativ so aggressiv auftreten kann, also die israelische Regierung - das liegt natürlich daran, dass die US-Regierung, also unter Trump, ihm da auch volle Rückendeckung gegeben hat. Wir denken da an die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, was bisher immer klar war, dass dies nicht passiert. Was natürlich ein Affront gegen die Palästinenser ist. Wir müssen daran denken, dass er freie Hand gegeben hat für die weitere Ausdehnung der Siedlungen, das ist auch ein Affront. Israel ist sozusagen vom US-Imperialismus immer benutzt, als Speerspitze sozusagen gegen die arabische Welt. Und er konnte es benutzen, weil natürlich Israel aufgrund seiner Erfahrung tatsächlich bestimmte Sicherheitsinteressen hat, die man auch kennt und weiß, woher die kommen, nämlich in diesem Gebiet auch bleiben zu wollen und einen Staat zu haben, der Juden schützt. Das muss man einfach wissen, dass ist da drin. Es ist auch der Punkt, an dem wir uns dann hier immer mit anderen Linken streiten.

Das ist die eine Seite. Dann schauen wir auf die andere Seite, nämlich den Iran.

Beim Iran ist es so, dass es vor allem die Europäer und der deutsche Imperialismus, Frankreich und so weiter sind, die seit Jahren ein extrem hohes Interesse daran haben, dass ein Abkommen mit dem Iran geschlossen wird, unter dem sie wieder - was Frankreich angeht - Öl- und Gas-Rechte kriegen. Was Deutschland angeht, dass der gesamte ökonomische Handel wieder aufgenommen wird und damit auch der Einfluss im Iran. Auch zum Iran bestehen ja schon lange Beziehungen vom deutschen Imperialismus dort hin. Das heißt, als Trump sozusagen das Abkommen gekündigt hat, da war es für den deutschen Imperialismus erst einmal eine Niederlage und auch so etwas wie ein Affront. Sie hatten ja eigentlich schon ausgemacht, was da unten alles installiert wird, investiert wird usw usf. Und das ging jetzt nicht mehr.

Also man muss schauen, wer steckt hinter wem. Damit wir nicht Gefahr laufen, dass wir unseren eigenen Imperialisten bei Auseinandersetzung unterstützen. Das sollten wir nicht tun, sondern wir sollten das tun, was unsere Aufgabe ist - zu zeigen, wie der deutsche Imperialismus überall vordringt. Und zu zeigen, dass die Losung, die es sowieso in jedem imperialistischen Land gibt, nämlich jeweils den eigenen Hauptfeind zu schlagen, auch für uns hier gilt den eigenen Hauptfeind schlagen und nicht den US-Imperialismus. Danke.

Hamza Yalçın:

Erstmal muss ich mich entschuldigen, tatsächlich war der Irak-Krieg kein NATO-Krieg. Da hatte Gretl recht, das muss ich korrigieren. Aber die anderen – der Jugoslavien und der Libyenkrieg waren tatsächlich NATO-Kriege. Ich weiß, dass z.B. Erdogan am Anfang dagegen war und sich später angeschlossen hat. Also das sind nach meinem Verständnis tatsächlich Nato-Kriege. Was die Weltkriegsgefahr angeht so ich denke, dass die USA in 2001 mit dem Krieg gegen Afghanistan eigentlich einen Weltkrieg starten wollten. Es gab keinen Gegner, der sich dagegen positionierte. Also eigentlich ist dieser Weltkrieg schon im Gange in einer gewissen Art und Weise. Die USA haben auch andere Mittel versucht, z.B. in 2010 ermächtigt sich auf der Lissaboner Konferenz die NATO praktisch überall, egal was passiert, eingreifen zu können.

Was unsere Region betrifft, möchte ich noch feststellen, dass die USA in diesem Krieg auch die Kurden an ihrer Seite sehen will neben Israel. Aber die Kurden - soweit ich das feststellen kann - möchten nicht mit den USA in derselben Allianz sein.

Schweden möchte gerne mit USA kooperieren und alles mitmachen. Es gibt noch ein paar Länder, die da noch etwas Bauchschmerzen haben. Aber letztendlich hat Amerika ja schon im Vorfeld sich von mehreren internationalen Verträgen zurückgezogen, die eine Nuklearkrieg oder überhaupt einen Krieg zu verhindern zum Ziel hatten. Die Entwicklung von Mittelstreckenraketen war ja verboten. Die USA hat einseitig als diesen Vertrag verlassen. So ist die erste Initiation eines Weltkriegs quasi schon geschehen, sozusagen als Einleitungsphase von einer Eskalation. Und in diesen 20 Jahren ist ja immer mehr geschehen in diese Richtung. Das ist die Essenz davon, mit den einzelnen Beispielen, die aufgeführt worden sind. Eine ernst zu nehmende entgegengesetzte Kraft oder Macht - oder auch antiimperialistische Kräfte - sind leider nicht zu verzeichnen.

Hansi:

Was ich sagen möchte, das wäre dann auch wirklich sehr wichtig. Ein Bündnis ist noch gar nicht erwähnt worden. Eines, das kurz vor einigen Jahren vor unseren Augen entstanden ist und uns trotzdem verborgen blieb. Und zwar ist das das „Quad“ Bündnis, welches zum ersten Mal vor vier Jahren erwähnt wurde, und zwar von Australien. Das tatsächlich China eingekreist, und zwar von Osten, Süden und von Westen rund um den Pazifik. Und da sind so interessante Staaten wie Japan, Australien und Indien mit den USA drin. In einem Artikel der Neuen Zürcher Zeitung vom März dieses Jahres mutmaßen Experten, dass dort eine NATO Asiens aufgebaut wird. Es ist in den letzten Jahren entstanden ist und Australien und Japan treten da sehr aggressiv auf. Mir ist während meiner Recherche aufgefallen, dass Indien im Moment eine Zwitter-Rolle darstellt. Und da geht dann auch meine Frage möglicherweise an Jörg: Indien ist sowohl in Shanghai 6 ist als auch in den BRICS-Staaten, aber auch in Quad. Meine Überlegung war, dass Indien sich noch nicht entschieden hat - wird es mit den Westen gegen China oder mit China gegen den Westen - und die letztendliche Positionierung Indiens gibt möglicherweise auch den Ausschlag dafür, wann die Imperialisten gegen China losschlagen. Ähnliches gilt für die Positionierung der Bundesrepublik Deutschland, das auch noch unentschieden ist. Aber ich glaube, von der strategischen Position ist Indien ausschlaggebender als Deutschland.

Jörg:

Die Sache mit Quad, diesem Bündnis von den USA, Japan, Australien und Indien. Und die Rolle Indiens: Indien hat sich ja, nachdem es von der Kolonialmacht Großbritannien unabhängig wurde, erstmal blockfrei positioniert. Indien hat heute noch traditionell enge Beziehungen zu Russland und die versucht es auch zu bewahren, mit dem Ziel, eine wirklich eigenständige Politik entwickeln zu können. Gleichzeitig versteht Indien sich als großer asiatischer Rivale Chinas. Beide Länder sind sehr groß, mit jeweils 1,4 Milliarden Menschen, beide also mit großem Potenzial. Und seit China so viel stärker geworden ist als Indien hat Indien angefangen, sich stärker mit den USA zusammenzutun gegen China. Das ist verstärkt worden, seit 2014 in Indien die Hindu-Nationalisten an die Macht gekommen sind. Da gibt es viele Parallelen auch zu Trump. Das bedeutet auch: heute ist Indien in der Lage, dass es auf der einen Seite immer enger mit den USA gegen China vorgeht - gleichzeitig aber seine Bindungen an Russland behalten will, um eigenständig zu bleiben. Das ist ein Spagat. Es ist nicht klar, ob Indien es schafft, diesen Spagat weiterzuführen.

Ich würde Hansi da recht geben: Es ist eine ganz spannende Frage, eine für die Zukunft vielleicht nicht entscheidende, aber doch ganz wichtige Frage, ob Indien sich tatsächlich Eigenständigkeit bewahrt oder ob Indien praktisch zur Speerspitze des Westens wird. Ich denke, die Entwicklung ist offen. Die Erfahrung in Indien jetzt in der Pandemie von den USA fallen gelassen worden zu sein - zum Beispiel mit Export-Stopps von Impfstoffen - die hat in Indien doch nochmal eine große Wirkung erzielt. Aber das ist nur eine punktuelle Erfahrung. Ich denke, das muss man einfach genau beobachten. Soviel zu Quad.

Hamza:

Eigentlich hatte ja die USA vorgehabt, die Welt von Kopf bis Fuß neu zu organisieren. Dieser Krieg gegen Afghanistan war dafür eine Anlass. Und das sollte auch praktisch die Weiterentwicklung von China und Russland stoppen. Wichtig ist, dass die Amis praktisch die Welt neu organisieren wollten im Sinne einer Aufteilungen und Parzelllisierung. Zusätzlich wollte damit die USA verhindern, dass die Europäische Union oder Europa eine unabhängig von den USA handelnde Kraft wird. Die Entwicklung Chinas, die Entfaltung ihres Potenzials konnten die USA nicht stoppen. Sie konnten auch nicht verhindern, dass Russland sich erholt hat und neu aufgebaut hat. Sie konnten aber bis zum heutigen Tage verhindern, dass die Europäische Union oder Europa eine unabhängige Macht darstellen kann und sich unabhängig positionieren kann. Obwohl die Handelsbeziehungen zwischen China und Deutschland, auch zu Russland ziemlich gut ausgestattet sind, schafft es Amerika, das zu stören und zu behindern. Die USA hat im Nahen Osten und in Nordafrika radikale Veränderungen durchführen können. Durch den Krieg in Afghanistan hat es seinen Einfluss in Zentralasien gegen Russland intensivieren können. Dass es bisher nicht zu einem dritten Weltkrieg gekommen ist, trotz dieser Angriffe der USA, ist ein Verdienst gewissermaßen von Russland und China, die sich nach wie vor nicht provozieren lassen. Sie sind nachhaltig und sehr erfolgreich in dieser Strategie der Kriegsvermeidung.

Erika:

Die Aussage von Genossen Hamza habe ich so verstanden, dass ein Weltkrieg in gewisser Weise schon im Gange ist, die USA hat es praktisch schon gestartet. Also seit den letzten 20 Jahren sei der Weltkrieg schon im Gange. Ich verstehe das nicht, weil ich meine, dass es auch vor den beiden Weltkriegen immer auch Kriege gegeben hat, von denen man nicht sagen kann, die waren schon jeweils der Weltkrieg. Also das war vor dem ersten Weltkrieg die Kanonenboot-Politik vom deutschen Imperialismus, das war zum Beispiel der russisch-japanische Krieg. Vor dem zweiten Weltkrieg gab es auch etliche militärische Auseinandersetzungen.

Ich finde es wichtig, Weltkrieg und regionale Kriege zu unterscheiden. Also sonst glaube ich, können wir auch keine wirkliche Abwehr aufbauen, wenn wir sozusagen nicht mehr den Unterschied sehen, oder den Unterschied nicht machen wollen zwischen Weltkrieg und regionalen Kriegen, weil im Weltkrieg sich natürlich die Welt sozusagen verändert, das heißt die Frage des proletarischen Internationalismus sich viel stärker, viel schärfer stellt als jetzt, sozusagen noch in einem relativen Frieden. In den jeweiligen Ländern wird die proletarische Taktik - also soweit wir es überhaupt schon machen können - eben anders aussehen. Es kann auch die Gefahr besteht, dass man das, was Weltkrieg eigentlich heißt, dass das harmloser klingt, als es ist - also wenn man den Unterschied nicht macht. Wenn ich es richtig mitgekriegt habe, was dort gesagt wurde, dann würde ich das nicht verstehen - also diese Sache, dass der Weltkrieg praktisch schon irgendwie im Gange ist.

Angelika:

An Jörg: Zur Frage, wo sich so ein Weltkrieg entzünden könnte. Es gibt im Vortrag den Hinweis auf das Buch 2034 von Stavridis und andererseits die Meldung die deutsche Marine sei an ihren Grenzen. Welche Rolle spielt der deutsche Imperialismus in diesem Zusammenhang?

Jörg:

Es ist widersprüchlich: aktuell, also jüngster Beleg ist eine Analyse aus der Stiftung Wissenschaft und Politik, einer der wichtigen Think Tanks in Deutschland. Sie sagen, die Marine ist heute sozusagen am Anschlag. Wenn sie jetzt noch diese Fahrt ins Südchinesische Meer und nach Japan unternimmt, dann ist es das, was sie gerade noch schafft. Es wird dann eng mit all ihren anderen Einsätzen. Das ist sozusagen die Ist-Beschreibung. Gleichzeitig ist es so, dass die Militärs für die Zukunft planen. Es gibt sehr viel und es gibt ein paar wirklich wichtige Dinge: wirklich wichtig z.B. ist die Entwicklung des nächsten Kampfjets. Das soll ein Kampfjet der sechsten Generation sein, noch moderner als heute die amerikanischen F35, also noch moderner, noch verbundener mit Drohnen und Drohnenschwärmen. Das ist ein Projekt, wo die Rüstungsindustrie und die Militärs sagen, das Ding wird ungefähr 2040 fertig. Es gibt eine Reihe weiterer Projekte, auch bei der Aufrüstung der Marine, und bei all diesen Projekten ist geplant, damit 2035 / 2040 fertig zu sein, also in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts. Wenn man es auf einen Punkt bringen will, müsste man sagen: Im Moment gibt es immer wieder Stimmen aus der Marine, zum Teil auch aus anderen Teilen der Bundeswehr, die sagen: Wir sind im Moment an der Grenze unserer Kräfte. Wir müssen massiv aufrüsten. Die Aufrüstungsplanungen wiederum sagen: In 15 bis 20 Jahren sind wir so weit. So kann man, denke ich, diese Widersprüche zusammenbringen. Und ich würde daraus schließen, dass in den Planungen des deutschen Imperialismus nach aktuellem Stand die wirklich heiße Phase im nächsten Jahrzehnt kommt, also dann, wo die Planer sagen, da sind wir dann vielleicht so weit, dass wir auf Weltebene ganz vorne mit dabei sind. Planungen haben immer an sich, dass sie geändert werden, dass sie nicht funktionieren, dass sie ersetzt werden durch andere. Ich denke, man muss das immer sehr genau beobachten. Und es wäre falsch zu sagen, dass der deutsche Imperialismus erst in zehn Jahren oder 15, 20 Jahren gefährlich ist. Gefährlich ist der sicherlich schon heute, aber in den Planungen der Strategen ist das Szenario so.

Es ist insofern ein Widerspruch, als auf der einen Seite eine Überlastung da ist und auf der anderen Seite das Versprechen, diese Überlastung aufzuheben. Das muss nicht ein Widerspruch sein, wenn es Ihnen gelingt - dann ist es halt jetzt schwach und später stark - dann löst sich der Widerspruch auf.

Gretl:

Was Hamza in seinem letzten Beitrag erläutert hat, mit diesen regionalen Kriegen, da würde ich ihm zustimmen. Was da passiert ist, ist Neuaufteilung, und zwar eben unter der Voraussetzung, dass die Sowjetunion weggefallen ist und so etwas wie ein Machtvakuum entstanden ist, was die gesamte Russische Föderation und den ganzen Bereich des ehemaligen Warschauer Paktes betrifft. Nur: Diese Neuaufteilung erfolgt in Widersprüchen, und sie beginnt Anfang der Neunzigerjahre. Das heißt, die erste Runde in dieser Neuaufteilung ging vor allem an den deutschen Imperialismus. Er hat sein Gebiet vergrößert. Er hat sofort seinen ökonomischen und sonstigen Einfluss in den gesamten Staaten - bis auf Weißrussland, aber darum kämpfen Sie jetzt - also auf die gesamten Staaten zwischen Deutschland und der ehemaligen Sowjetunion ausgedehnt. Diese Staaten sind in die Europäische Union aufgenommen. Das heißt, die EU hat sich sehr vergrößert und der Einfluss des deutschen Imperialismus in der EU hat sich sehr vergrößert. Die hegemoniale Stellung, die der deutsche Imperialismus innerhalb der EU hat, konnte Deutschland in dem Sinne erst seit Anfang der Neunziger bis heute eigentlich durchsetzen. Und in diesem Zusammenhang, denke ich, müssen wir auch diese ganzen Kriege, die seither stattfinden, die eine Neuaufteilung, eine Verschärfung anzeigen, verstehen und jeweils auch untersuchen, um darstellen zu können, was da läuft.

Hamza:

Mit den Ausführungen von Genossin Gretl stimme überein. Das Thema der Veranstaltung „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ ist wirklich ein sehr gut gewähltes Thema. Dieses Motto müsste sich eigentlich die gesamte sozialistische Bewegung der Welt noch stärker auf die Fahnen schreiben. Ich danke dafür, dass die deutschen Genossen in Deutschland stärker auf die Rolle des deutschen Imperialismus eingegangen sind und uns dazu Näheres erläutern konnten. Ich werde versuchen, weiterhin die Rolle der Türkei, soweit ich sie besser erfasse, noch weiter zu beleuchten. Und in dieser Weise müsste die gesamte sozialistische Bewegung auf der Welt auch agieren. Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass der Hauptfeind in der Regel die bourgeoisen Kräfte sind.

Die Machthaber in der Türkei führen keine Regierung im Namen des türkischen Bürgertums, sondern ist auf die eigene Machterhaltung fokussiert. Das ist eine Besonderheit, dass sie nicht die Interessen der bourgeoisen Kräften vertritt, sondern ganz speziell auf eigenen Machterhaltung und Zentrierung ausgelegt ist. Dadurch kommt die Türkei in eine sehr gefährliche Position und bringt sie in die Rolle eines Kriegstreibers. Daher müssen alle Türken sich entschlossen Erdoğan entgegen stellen. Ich persönlich betrachte mit Sorge, dass im Nahen Osten die Araber, Kurden, Türken und Iraner sich gegenseitig bekämpfen. Dieses Konfliktpotenzial könnten die imperialistischen Mächte weiter triggern und für sich nutzen. Aus diesen Gründen ist ein antiimperialistische Haltung sehr wichtig. Inbesondere müssten die Türkeistämmigen in Europa demzufolge Seite an Seite mit den Sozialisten und Antiimperialisten stehen und sich ihrer eigenen Bourgeoisie entgegenstellen. Auch weil ein Teil der Sozialisten in der zweiten Internationale sich seit dem ersten Weltkrieg in der Nähe ihrer eigenen Bourgeoisie bewegen.

Abschließend möchte ich nochmals für die Einladung und für die Verwirklichung dieser wichtigen Veranstaltung danken und noch einmal meine Anerkennung und Gratulation dazu aussprechen. Es müsste als Motto noch stärker für ein internationales Zusammenwirkung der antiimperialistischen Kräfte und Sozialisten weiterentwickelt und gefördert werden, bezogen auch auf die Weltkriegsgefahr. Danke schön.

Moderator:

Vielen Dank an das Podium mit Hamsa, Jörg und Gretl, und ganz großen Dank auch an die Übersetzer Cumhur und Hıdır.