Konferenz
»Der Haupt­feind steht im eigenen Land«

Die jährlich stattfindenden Konferenzen gegen den deutschen Imperialismus sollen den politischen Austausch und die Zusammenarbeit derjenigen revolutionären Kräfte fördern und vorantreiben, die in der Arbeiter- und demokratischen Bewegung für die Linie »Der Hauptfeind steht im eigenen Land« kämpfen wollen.

Antifaschistisch-demokratische Umwälzung. Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu heute

Peter Strathmann

Mai 2019

(Nach dem Manuskript)

2. Westzonen 1945-1947

→ Zunächst:

a) Ich bin kein Fachmann (Historiker),

b) folglich beruht das Hart-Faktische des Referats auch nicht auf eigener Forschung, → sondern auf einer fremden Arbeit, nämlich

Gerhard Mannschatz, Josef Seider:
Zum Kampf der KPD im Ruhrgebiet 1945-1947
Berlin 1961
[MS]

Zum Bearbeitungsgebiet ist zu sagen:

→ Dies ist keine Arbeit über das Ruhrgebiet, das ohnehin niemals eine administrative Einheit war, sondern über die brit. Besatzungszone mit einem weiteren Schwerpunkt in den Provinzen Nordrhein & Westfalen (bzw. später NRW) und einem engeren Schwerpunkt in der Tat im Ruhrgebiet.

→ Dieser Schwerpunkt ergibt sich aus der Wahl des strategischen Schwerpunkts der Politik der KPD in den Jahren 1945-1947.

Dieser Schwerpunkt ergab sich

a) aus der Bedeutung der Monopole der Ruhr-Montanindustrie für den dt. Imperialismus vom II. Kaiserreich an über die Weimarer Republik bis zum Faschismus, den sie an die Macht befördert haben.

(Anm.: Am Ende des II. WKs hatten die Monopole wohl ihre politische Macht verloren & waren moralisch desavouiert & politisch isoliert, hatten aber sehr wohl den Produltionsapparat, der wenig gelitten hatte.)

b) aus der relativen Stärke der Arbeiterklasse im Ruhrgebiet

→ objektiv in ihrer personellen und räumlichen Konzentration,

→ subjektiv aber auch durch die nicht völlig verschütteten Erinnerungen an proletarische Kampferfahrungen und revolutionäre Traditionslinien insbesondere im Bergbau-Proletariat.

Ganz richtig sagen M/S:

„Jeder Erfolg oder Mißerfolg der demokratischen Kräfte im Ruhrgebiet mußte sich auf die Entwicklung in den anderen Teilen der Westzonen auswirken.“(MS S. 8)

Leider ist das Ganze eine Geschichte einer Niederlage – allerdings keiner vollständigen –, aber auch dies war – anders als wir das auf der Klippschule des Klassenfeinds gelernt zu haben durften – eine Zeit heftiger Klassenkämpfe. Wir können also was lernen.


Spontanes prol. Bewußtsein am Ende des II. WK:

„endgültig Schlußmachen mit Krieg & Faschismus“ → „Sozialismus aufbauen“.

So richtig dieses strategeische Ziel auch immer sein mag, … wie bei jedem spontanen Bewußtsein fehlt ein Verständnis dafür, wie man da in einer konkreten Situation hinkommt.

→ natürlich über eine Einheit der Arbeiterklasse (in bezug auf Partei wie Gewerkschaft)

→ und von hier auf eine Bündnispolitik in Richtung auf eine antifaschistisch-demokratisce Ordnung.


Zunächst alle Parteistrukturen desolat:

→ Ich fange mal „hinten“ an – Zentrum –, am ehesten positiv: bei den katholischen Arbeitern war das Zentrum als Orientierungspunkt aufgrund der Steigbügelhalterpolitik für die Faschisten durch die großbürgerlichen Zentrumspolitiker politisch weitgehend erledigt.

→ SPD: Rechte Parteiführer hatten ihren Einfluß verloren. Organisation zersplittert. Neuaufbau auf lokaler Ebene.

→ KPD: Überleben in den illegalen Strukturen, aber Beschlußlage der Konferenzen von Brüssel (1935) und Basel (1938) z.T. noch unbekannt.

Aber frühe Orientierung auf:

  • Entmachtung der Kriegsverbrecher.

  • Beteiligung an der Normalisierung des Alltags (in Zusammenarbeit mit Demokraten in den Verwaltungen.

  • Aktionseinheit der kommunistischen, sozialdemokratischen & christlichen Arbeiter.

1.Schritt: Aufbau von Kampfausschüssen gegen den Faschismus.

Schwerpunkt: Arbeit in den Betrieben → Ziel der Gewerkschaftseinheit zunächst als örtliche Organisation nach dem Prinzip „éin Betrieb – éine Gewerkschaft“.

Die ersten Aktionseinheiten trugen noch lokalen & spontanen Charakter.

Aber: Es waren auch solche Dinge dabei wie das Zusammenschmeißen der KPD- + SPD-Basisorganisationen etc.

Am 11. Juni ‘45 erklärt die KPD ihre Stoßrichtung:

„Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, eine parlamentisch-demokratische Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk“ [MS S. 45]

→ Entmachtung der Kriegsverbrecher, Monopolisten, Militaristen, Junker unter der Führung der Arbeiterklasse im Bündnis mit Bauern und anderen werktätigen Schichten.

Voraussetzung: Einheit der Arbeiterklasse.

Mittel: Aktionseinheit mit der Sozialdemokratie mit dem Ziel der organisatorischen Vereinigung der Arbeiterparteien.


Dies ↑ wäre der Normalfluß der Entwicklung bei einer Monopolbourgeoisie + junkerlichen Reaktionären ohne soziale Stütze und weitgehend zerstörter „bürokratisch-militärischer Maschinerie“ (Marx, Lenin).

Nun war aber die brit. Besatzungsmacht eine imperialistische Besatzungsmacht, für die der dt. Imp. ein Konkurrent, aber kein Klassenfeind war – im Gegensatz zur SU.

Man mußt also der dt. Monopolbourgeoisie in begrenztem Maße helfen.

Die Stoßrichtung ergibt sich negativ aus der durch die KPD formulierten proletrischen Stoßrichtung:

  • Spaltung der Arbeiterklasse.

  • Schaffung einer sozialen Stütze für die dt. Monopolbourgeoisie.

Die Art & Weise der daraus resultierenden Besatzungspolitik offenbart bereits Montgomerys Begründung für das ab März 1945 bestehende Fraternisierungsverbot für brit. Militärangehörige – es sei

„zu früh, zwischen guten und schlechten Deutschen zu unterscheiden“ [MS S. 37].

→ Legt man die Frontstellung der Anti-Hitler-Koalition zugrunde, so hieße das: „zu früh, um zwischen Antifaschisten und Faschisten zu unterscheiden“. Da dies nicht stimmen kann, ist mit „gut“ & „schlecht“ offensichtlich anderes gemeint.

Folgerichtig: Ab April gilt ein Verbot jeder politischen Tätigkeit, das dann selektiv angewendet wird:

  • zuungunsten von Kommunisten und Sozialdemokraten.

→ wobei sich als Schweinerei durchzieht die willkürliche Handhabung von Drucklizenzen und Papierzuteilungen.

  • zugunsten – d.h. nicht angewendet – bei der Gründung einer neuen Partei in der brit. Zone: Christlich-demokratische Partei (CDP) (später CDU) unter der aktiven Beteiligung des Kölner Nazi-Bankiers Pferdmenges + solcher illustrer Nazi-Unterstützer wie Heinrich Dinkelbach (Vereinigte Stahlwerke) (den müssen wir uns merken), Hermann Abs, Otto Wolff, Kardinal Frings.

politischer Papagei: Adenauer

Ziel: das Wiedereinfangen der katholischen Arbeiter zuzüglich christlicher Arbeiter anderer Konfessionen, indem an die religiösen Gefühle appelliert wird angesichts der objektiv schwierigen Alltagslage.

→ Hierher stammt der religiöse Touch der BRD.

Allerdings schleppt die CDU auch die Schwäche des alten katholischen Zentrums mit: Partei der Monopolbourgeoisie, die den werktätigen Anhang rhetorisch einseifen muß.

Diese Klassenlage führt zu: Bildung eines linken Flügels, Verkleidung von Faschisten als Antifaschisten.

Die CDP ist bereits Anfang September 1945 als einzige Partei auf der Ebene der Provinzen Rheinland & Westfalen zugelassen, die KPD erst auf Kommunalebene.

Was auch nicht wundert: Die Entfernung von Nazis & Kriegsverbrechern aus der Verwaltung (Bestandteil des Potsdamer Abkommens) wird mit dem „Fachmann“-Argument hintertrieben.


Die andere – entscheidende – Trumpfkarte, die der Monopolbourgeoisie indirekt in die Hände gespielt wird, ist der von der brit. Besatzungsmacht geförderte Aufbau eines Lagers rechter Gewerkschafts- und SPD-Führer zur Torpedierungs der Einheitsfrontbestrebungen auf gewerkschaftlicher wie parteilicher Ebene.

Zunächst Gewerkschaften:

→ Namen: Hans Gottfurcht, Franz Spliedt, Hans Böckler, Albin Karl, August Schmidt.

Franz Spliedt führt im Sommer 1945 in Hamburg vor, wie das mit dem Spalten der Gewerkschaftseinheit geht:

In Hamburg hatte sich eine Einheitsgewerkschaft mit dem Namen „Sozialistische Freie Gewerkschaft“ gebildet, deren Forderungen u. a. lauteten:

  • Säuberung der Betriebe von Nazis.

  • Betriebsräte.

  • Wiedereinstellen von unter den Nazis gemaßregelten Kommunalpolitikern (MS S. 78).

Der brit. Major Dwyer mobilisiert ehemalige Gewerkschaftsbeamte zu deren Auflösung. Diese gründen dann mehrere Industriegewerkschaften + eine Angestelltengewerkschaft.

Spliedt liefert die Begründung:

„Entscheidend für diesen Beschluß war, daß alle wahrhaften Gewerkschaftsführer der Meinung sind, daß die politische Betätigung der SFG nicht den wahrhaften Interessen der Gewerkschaftsmitglieder entspricht. Politische Betätigung und politische Zielsetzung in den Gewerkschaften stehen nicht im Einklang mit den Anordnungen der Militärregierung.“ (MS S. 78)

Gottfurcht die theoretische Definition:

„Eine Gewerkschft verdient nur dann ihren Namen, wenn sie vom Staat, von der Parteipolitik und von den Unternehmern unabhängig ist.“(MS S. 79)

→ In der Folge wird versucht, gegen die Gewerkschaftseinheit in den Provinzen Westfalen & Nordrhein vorzugehen.

→ Dazu wurden brit. Gewerkschaftsdelegierte (Anm.: Labour-Reg. in London), die auf der Basis von Berufsgewerkschaften organisert waren, durchs Land gekarrt.

Als Argument gegen die Einheitsgewerkschaft diente die „Gefahr der Überzentralisierung“, die dann munter mit der Lage im Faschismus gleichgesetzt wurde.

Das kam zurecht so schlecht an, daß die Delegation vom Reformisten Albin Karl selbst höflich ausgeladen werden mußte.

Stoß gegen die Gewerkschaftseinheit gescheitert!


Erfolgreicher war die brit. Besatzungsmacht beim Aufbau einer Spalter-SPD:

Die SPD hatte nur provisorische Führung im Berliner Zentralausschuß.

Ohne jede Basislegitimierung wurde ab Mai 1945 in Hannover eine alternative Führung in der Gestalt des „Büros Schumacher“ installiert. → Später kommen noch die Londoner SPD-Emigranten dazu, z. B. Erich Ollenhauer.

Schumacher gelingt es auf dem einzigen Treffen mit der Berliner Führung im Oktober 1945 zum „Vertrauensmann“ der SPD in den Westzonen anerkannt zu werden.

Analytisch arbeitet die Bande auf der kolportierten Vorstellung, mit der militärischen Niederlage des Faschismus sei auch der Kapitalismus zusammengebrochen. Folglich sei der Sozialismus „Tagesaufgabe“. Propagandistisch wird über „Wirtschaftsdemokratie“ geschwafelt als „Zwischenland zwischen Kapitalismus und Sozialismus, Vorstufe der Sozialisierungen und ihr Wegbereiter“. Von der Entfernung der Nazis aus Wirtschaft & Verwaltung und der Enteignung der Monopole unter Arbeiterkontrolle ist folglich gar nicht mehr die Rede.

Begleitet wird dies von Zusammenarbeitsangeboten an das katholische Zentrum einerseits wie andererseits einer Absage an jede Aktionseinheit mit der KPD, 3.-Weg-Gesülze und wüster Antikommunismus.

→ Ich versuche mir klarzuwerden, wie das in dem ländlich-kleinstädtischen proletarischen Milieu Westfalens ankommt, wo die Sozialdemokratie immer noch das Monopol als die dominierende proletarische Partei hatte – das ist das, was ich so kenne –: Der direkte Weg zum Sozialismus erwärmt das Herz des spontanen Bewußtseins. Verbal hat man die Kommunisten links überholt. Und daß Kommunisten keine kleinen Kinder fressen, weiß man am sichersten auch nur dort, wo man welche kennt, im Betrieb, in der Straße, und vielleicht auch mit ihnen zusammenarbeitet, weniger da, wo es (fast) keine gibt.

→ Die Spalter-SPD knüpft hier also direkt an das an, was das Kommunistische Manifest „Idiotismus des Landlebens“ nennt.

Das und das gut sozialdemokratische top-down helfen dann, die Spalterlinie bis zum Hannoverschen PT im Mai 1946 durchzusetzen:

a) Große Kampagnen gegen alle Einheitsbestrebungen.

b) Anschluß an eine Einheitspartei als unvereinbar mit der SPD-Mitgliedschaft.

→ Verschärft später: es gebe überhaupt keine gemeinsamen Organisationsausschüsse beider Arbeiterparteien. Die „Sozialdemokraten“ dort seien nur verkappte Kommunisten. → d.h. kalter Ausschluß ohne Rechtsweg.

Top-down: Das heißt, es läuft über die oberen + mittleren Kader (wichtig: Bezirksvorsitzende), die sich überlegen müssen, ob sie ihre Parteikarriere ruinieren wollen.

Trotzdem hat es die Einheitsbewegung gegeben, gemeinsame programmatische Beratungen, Einheitskundgebungen etc. (viele Bspp. bei M/S).

Auch SPD-Delegierte für den Vereinigungsparteitag im April 1946 sind gewählt worden.

Natürlich greift die imp. Besatzungsmacht auch hier administrativ ein: gemeinsame Organisationskomitees werden verboten, Delegierte drangsaliert. Die Dreistigkeit hat mich dann aber doch überrascht:

„Nach Empfang dieses Briefes haben Sie deshalb sofort aus dem Zentralausschuß der SED auszuscheiden. Eine entsprechende Bekanntmachung über Ihren Austritt ist in den Zeitungen veröffentlicht worden.“ [MS S. 144]

„Die britischen Militärregierungs-Autoritäten nehmen an, daß Sie vom Zentralkomitee der SED resignieren. Wir überlassen Ihnen die Wahl, ob Sie politisch aktiv in der britischen Besatzungszone oder in Berlin sein wollen. Wenn Sie wählen sollten, Ihre politische Aktivität in Berlin auszuüben, werden Sie nach erfolgtem Ansuchen an die entsprechenden Autoritäten die Möglichkeit bekommen, die britische Besatzungszone zu verlassen.“ [ebd.]

„Es ist keine Verschmelzung von SPD und KPD kreisweise erlaubt. Irgendwelche Mitglieder der SPD, die wünschen, der SED anzugehören, müssen entweder Mitglieder der KPD werden oder an deren Versammlungen als Einzelpersonen teilnehmen.“ [MS S. 145]


Mitte 1946 ist dann das Fenster zu für eine unmittelbare Verschmelzung der Arbeiterparteien.

Allerdings: Es gelang der Aufbau einer im wesentlichen einheitlichen Gewerkschaftsbewegung trotz der Behinderung durch die Militärbehörden und der Spaltungstätigkeit rechter Gewerkschaftsführer und dem „Sozialen Arbeitskreis“ der CDU.

Hier war der gemeinsame Kampf um das betriebliche Mitbestimmungsrecht und um die Kontrolle von Handel & Versorgung – mithin das klassenkämpferische Alltagsgeschäft – von entscheidender Bedeutung.

→ So führt die breite Diskussion um die Schaffung einer einheitlichen Gewerkschaftsbewegung auf der 2. Zonenkonferenz der Gewerkschaften im August 1946 in Bielefeld zu einem Aufruf zur Bildung eines Gewerkschaftsbundes auf der Basis einheitlicher Industrieverbände. Die Spalter Spliedt & Dörr erlitten eine Niederlage.

Bei den Vorstandswahlen waren es aber gerade die rechten Gewerkschaftsführer, die sich durchsetzten.

Interessant ist, was diese zur Frage der vom Potsdamer Abkommen und den bewußten Elementen der Arbeiterklasse geforderten Zerschlagung der Monopole zum Besten gaben:

Erich Potthoff: „Konzernbereinigung“ [MS S. 163] → damit Stichwortgeber für die Posse, die sich in der Folge unter dem Titel „Entflechtung“ abspielen sollte.

Zum Kampf um das volle Mitbestimmungsrecht:

Heinrich Sträter: „Gleichberechtigung“. Kapital & Arbeit „als gleichwertige Partner in (der) Bilanz“ [MS S. 163] → Konsequent: Forderung nach Schaffung von Unternehmerverbänden: Man muß ja wen zum Verhandeln haben.


An Mitte 1946 verfügt dann auch der Klassenfeind deutlich über selbständige Organisationen. Das sind:

a) die Unternehmerorganisationen.

Ab September bildet sich ein Dachverband aus 23 Schwerindustriellenverbänden in der brit. Zone. Zur Führung findet sich ein unbelasteter Mittelständler aus Südwestfalen: Fritz Berg.

Im Oktober schafft die brit. Besatzungsmacht eine „Treuhandverwaltung für die Eisen- und Stahlindustrie“, die offiziell die in den Potsdamer Beschlüssen geforderte Entmachtung der Monopole durchführen soll. An die Spitze setzen sie den ehem. Direktor der Vereinigten Stahlwerke Heinrich Dinkelbach.

b) als Papageien-Organisation für die Massenbasis die CDU mit dem Berufslügner Adenauer an herausragender Stelle:

„An der Ruhr hat sich das Monopolkapital selbst das Grab gegraben. Es ist niemand bereit, die alte Herrschaft wieder aufzurichten.“ [MS 179f.]

Das ähnelt durchaus Schumacher.

→ Mit solcher Demagogie kann man natürlich auch in unbewußte Teile des christlichen Proletariats eindringen. Die katholische Kirche hat propagandistisch tüchtig mitgeholfen.


Die Kommunalwahlen im Herbst sichern der CDU als der Partei des Monopolkapitals einen deutlichen Vorsprung. Gründe:

  • kein gemeinsames Vorgehen von KPD und SPD.

  • Mehrheitswahlsystem.

  • keine Agrarreform.

{Erl.: Die Frage einer Agrarreform war im Westen sicher nicht so dringlich wie in Ostelbien. Aber doch gibt es etwa in Westfalen eine Tradition freier Großbauern mit feudaler Attitüde und die Gewohnheit, daß der dickste Bauer im Dorf sagt, wo es langgeht. Da sich das dann auch auf die Möglichkeit auswirkt, Versammlungen durchführen zu können oder nicht, ist allein dies schon ein immenser Vorteil für die CDU gegenüber den Arbeiterparteien.}

→ Auf der Basis dieser Ergebnisse erfolgte dann auch eine Umbildung des NRW-Landtages ohne Wahlen.


Die Verschleppung der bestehenden Probleme führt zu einer ernsten Versorgungskrise zwischen Herbst 1946 und Frühjahr 47 (Hungerwinter) und einem Wideraufflammen offener Klassenkämpfe.

→ erfolgreiche Abwehr der Sonderschichten im Bergbau + 20% Lohnerhöhung und Erhöhung der Knappschaftsrente etc. → günstig für die Bildung eines gewerkschaftlichen Industrieverbandes Bergbau auf dem Territorium der gesamten brit. Zone.

→ Proteste gegen mangelnde Mitbestimmung, verschleppte Enteignung der Monopole, nicht-durchgeführte Agrarreform etc.

→ In diesem Zusammenhang beschließt die KPD, einen Volksentscheid über die Enteignung der Bergbaubetriebe im NRW-Landtag zu beantragen. Dieser wird bis Frühjahr 1947 komplex mithilfe der SPD abgebügelt. Die CDU legt dabei 6 eigene Anträge auf de Grundlage des vorgeblich antikapitalistischen Ahlener Programms vor, die u.a. von „Entflechtung“ sprechen.

→ Erfolge der Massenaktionen sind auch:

  • die Anerkennung der Kontrollausschüsse durch die Regierung,

  • Betriebsvereinbarungen über die Rechte der Betriebsräte und Gewerkschaften,

  • Berechtigung und Verpflichtung der Betriebsräte, die Produktionsmeldungen zu kontrollieren.

→ Aufschwung der Aktivitäten für eine proletarische Einheitspartei. Dies wird direkt von den brit. Militärbehörden abgewürgt: „Keine SED, keine Umbenennung der KPD!“


Es folgt der Durchmarsch der Reaktion, die „Entflechtung“ unter der Regie von Dinkelbach (Vereinigte Stahlwerke). D.h., das Monopoleigentum wird nicht angetastet, sondern effektiviert.

Bsp. Gutehoffnungshütte Oberhausen AG:

Das zuletzt genannte Unternehmen war als ein typischer Ruhrkonzern vertikal von der Kohle über die Verhüttung und die Walzwerke bis zur Verarbeitung straff organisiert und horizontal mit anderen Eisen und Stahl produzierenden Unternehmen verbunden. Es lieferte 1947 10,7 Prozent der Roheisen- und Rohstahlproduktion des Ruhrgebietes, war 1923 als Tochtergesellschaft des Hanielkonzerns Gutehoffnungshütte, Aktienverein für Bergbau und Hüttenbetriebe, gegründet worden und umfaßte alle Montanbetriebe dieses Konzerns, die sich im Ruhrgebiet befanden. / Man begann, die Hüttenbetriebe der Gutehoffnungshütte Oberhausen AG aus dem alten Monopolverband herauszulösen und unter dem neuen Namen Hüttenwerk Oberhausen und mit 100 000 RM Aktienkapital der neuen monopolistischen Dachorganisation, dem Amt Dinkelbach, zu unterstellen. / Diese Herauslösung war rein formal. Das Hüttenwerk Oberhausen AG blieb faktisch und juristisch Eigentum der Gutehoffnungshütte Oberhausen AG, denn zwischen dieser und der Dinkelbachschen Dachorganisation als Treuhänder des „entflochtenen“ Hüttenwerkes wurde lediglich ein Pachtverhältnis hergestellt, das in einem sogenannten Betriebsbenutzungsvertrag festgelegt wurde. [MS S. 239]

→ Für uns vielleicht noch wichtiger:

In diesem Zusammenhang wird aus dem „Mitbestimmungsrecht“ das Recht von – in der Regel rechten – Gewerkschaftsvertretern, als Tantiemenempfänger in den Aufsichtsräten zu sitzen.

→ Element der Klassenspaltung und materielle Grundlage für einen neuen Opportunismus und für die Wiederbelebung einer Arbeiteraristokratie als soziale Hauptstütze der Herrschaft der Monopolbourgeoisie. Die rechten SPD- und Gewerkschaftsführer flankieren dies ideologisch mit 3.-Weg-Gesülze & „Hineinwachsen in den Sozialismus“.


Die einzige Partei in den Westzonen, die diesen Schwindel erkennt & benennt, ist die KPD.

→ Aber ihr bleibt als agitatorischer Schwerpunkt gegen den Sieg des Klassenfeinds die nationale Frage. Dies ist m.E. eine legitime, aber schwache Karte (geringe Mobilisierungsfähigkeit).

Spätestens ab 1946 war klar, daß die Westalliierten zur Abwehr der ADU und Stützung der dt. Monopolbourgeoisie auf eine Spaltung Deutschlands orientieren müssen.

Sichtbar wird das bei der Zulassung lustiger separatistischer Parteien, eigenmächtiger Bildung neuer administrativer Einheiten wie das Land NRW im Juli 1947, im selben Jahr die Bildung eines brit.-amerikan. Wirtschaftsrates (September) und der Bizone (Dezember).

M/S schreiben über das dialektische Verhältnis von ADU & nat. Frage:

Die KPD war die einzige Partei in den Westzonen, die ein klares Programm zur Lösung der nationalen Lebensfragen des deutschen Volkes besaß. Jupp Ledwohn erklärte: / „Das erste Hauptziel unserer nationalen Politik ist die Erhaltung der Einheit Deutschlands. Diese Einheit wird nicht nur von ausländischen reaktionären Kräften bedroht, sondern sie ist auch durch die reaktionären Kräfte in Deutschland selbst in Gefahr gebracht worden.“ / Daraus ergab sich unmittelbar als Grundaufgabe die Entmachtung der Monopolisten und Großagrarier auch in den Westzonen, denn nur dadurch konnte die nationale Einheit Deutschlands, die Schaffung einer wirklichen demokratischen Ordnung und der Aufbau einer dem Frieden und dem sozialen Fortschritt dienenden Wirtschaft gewährleistet werden. [MS S. 209f.]

Ich halte ds Wechselverhältnis für richtig beobachtet, aber für falsch herum aufgezäumt: In Deutschland hatte ja eine echte bürgerliche Revolution nicht stattgefunden, die eine Nation im Renan’schen Sinne als „tägliches Plebiszit“ hätte schaffen können. Diese war vielmehr erst Ziel der ADU. Aber: Die ADU schafft erst die Nation. Eine Nation, die nicht vermißt wird, weil sie nicht existiert, kann nicht eine ADU befördern; dies geht nur aus den akuten Klassenkämpfen heraus.

→ Das bringt uns unmittelbar auf die eigenartige Situation, die wir heute haben:

  • Die DDR hat in der ADU die deutsche Nation als „Gemeinschaft“ im Sinne der bürgerlichen Revolution erst geschaffen, … allerdings nur auf einem kleinen Teil des als „Deutschland“ verstandenen Territoriums.

  • Die Konterrevolution von 1989/90 läßt – wie Konterrevolutionen so sind – zumindest intentional das Fortgeschrittene töten und das Fossile überleben.

→ Die Erinnerung an die DDR stellt aber die Legitimität dessen in Frage, was der dt. Imperialismus als „deutsche Nation“ versteht.

→ Schon deshalb muß die DDR andauernd delegitimiert werden, … und deshalb hat das „Ossis gegen rechts“ des Vereins „Unentdecktes Land“ seine tiefere Bedeutung.


Weiter, denke ich, muß man festhalten, daß die Niederlage der ADU im Westen keine vollständige war:

  • Außer gewissen Mitsprecherechten wurde – in gewissem Umfang – eine Einheitsgewerkschaft, die nach Branchen – nicht nach Berufen – gegliedert ist, gesichert.

  • Weiter – darüber habe ich nicht referiert –: die Gemeinschaftsschule. Das war angesichts des Trommelns der CDU für die Bekenntnisschule keine Selbstverständlichkeit. Heute ist selbst im schwärzesten Münsterland die Regelschule eine des Staates und nicht eine der römisch-katholischen Kirche. Und auf dem Territorium der annektierten DDR ist auch nicht die Konfessionsschule wieder eingeführt worden.

Wichtig: Hier – wie in den offenen Klassenkämpfen, z.B. zur Abwehr der Sonderschichten – war eine proletarische Einheitsfront für den Erfolg ausschlaggebend.


Weiter zu Gemeinsamkeiten & Unterschieden zu heute und der aktuellen Bedeutung der Geschichte der ADU:

Nun ist das (Gemeinsamkeiten & Unterschiede zu heute) schwer in Relation zu setzen: So mit Pauken & Trompeten sowohl die soziale Hauptstütze wie die bürokratisch-militärische Maschinerie gegen die Wand gefahren zu haben, wie es dem dt. Imp. in der Folge des II. WK gelungen ist, hat schon Seltenheitswert. Das wird man so bald nicht wieder kriegen und setzt auch einen Großen Krieg mit einer verheerenden Niederlage des Hauptfeinds im eigenen Land voraus.

Was man aber sehen kann, ist, wie beschissen die Monopolbourgeoisie dastehen kann, wenn sie über keine soziale Hauptstütze mehr verfügt. Im Westen benötigte die Monopolbourgeoisie 2 Jahre externe Unterstützungsarbeit, um ihre Macht sichern zu können.

→ Auch deshalb muß die DDR durch diese Herrschaften delegitimiert werden, … und für Linke das Märchen vom sowjet. Revolutionsexport warmgehalten werden.

→ Aktuell könnten wir uns durchaus einer Situation nähern, in der die Monopolbourgeoisie ihre alte Hauptstütze (Sozialdemokratie) ‘runtergeritten hat, ohne schon eine neue – faschistisch-kleinbürgerliche – etabliert zu haben, deren Aufbau wir verhindern müssen. Hierbei wäre dann eine antifaschistisch-demokratische Stoßrichtung ähnlich der der ADU geboten.