Konferenz
»Der Haupt­feind steht im eigenen Land«

Die jährlich stattfindenden Konferenzen gegen den deutschen Imperialismus sollen den politischen Austausch und die Zusammenarbeit derjenigen revolutionären Kräfte fördern und vorantreiben, die in der Arbeiter- und demokratischen Bewegung für die Linie »Der Hauptfeind steht im eigenen Land« kämpfen wollen.

Welche Allianzen bringen die Arbeiterklasse wann voran?

Jürgen Lloyd

Juni 2019

Mir wird gelegentlich vorgeworfen, mit Beiträgen zu sehr im Allgemeinen zu verbleiben und konkrete Aussagen zu vernachlässigen. Der Hinweis ist oft berechtigt und er wird jedenfalls heute auch berechtigt sein. Ich mach das aber nicht, um mich vor konkreten Aussagen zu drücken. Ich mach das, weil ich nicht einfach Urteile abgeben will - „dieses Bündnis ist gut, jenes ist nicht gut” - sondern weil ich die Gründe darstellen und zur Diskussion stellen will, warum ich zu diesem oder jenen Urteil komme. Ich bitte also um Nachsicht, wenn ich jetzt wirklich erst mal mich sehr im Allgemeinen und Prinzipiellen bewege. Gerne können wir nachher auch prüfen, ob und wie sich damit konkrete Bündnisarbeit beurteilen lässt.

In einer antagonistischen Klassengesellschaft ist gemeinsames Handeln schwierig. Konkurrenz und Gemeinsamkeit sind nicht vereinbare Prinzipien. Die bürgerliche Gesellschaft, in der wir leben, ist eine Gesellschaft, in der die Bourgeoisie die herrschende Klasse ist. Und die Bourgeoisie ist die herrschende Klasse, weil das Prinzip nach dem diese Klasse existiert und ihre eigene Herrschaft reproduziert, das Prinzip ist, nach dem die ganze Gesellschaft gezwungen ist, ihre Existenz zu reproduzieren. Dieses Prinzip ist das Prinzip der Rentabilität, des individuellen Nutzens, der erreicht werden kann, indem er in Konkurrenz zu anderen realisiert wird.

Wie sind unter diesen Verhältnissen dann Bündnisse, Allianzen möglich?

Kooperation gibt es auch im Kapitalismus. Wir produzieren z.B. den Reichtum dieser Gesellschaft arbeitsteilig. Aber - und das ist das Wesentliche, auf das es mir ankommt - dies ist eine spezifisch bürgerliche Kooperation: Es werden keine gemeinsamen Interessen verfochten, weil es für gemeinsame Interessen gar keinen Platz gibt. In der bürgerlichen Gesellschaft gelten nur individuelle Interessen. Und selbst wenn sich Individuen zusammenschließen, weil sie damit die Chancen zur Durchsetzung ihrer Interessen erhöhen, bleibt es dabei, dass es um die Durchsetzung je individueller Interessen geht. D.h. ein Zusammenschluss mit anderen, eine Allianz, die der Prämisse folgt, alleine bin ich schwach, zusammen mit anderen kann ich besser meine Interessen durchsetzen - eine solche Allianz ist im Kapitalismus möglich. Sie entspricht dem in der bürgerlichen Gesellschaft herrschenden Rentabilitätsprinzip. Solche Allianzen verdrängen das Konkurrenzverhältnis zeitweilig, (eben genau so weit, wie mit dem Zusammenschluss die Durchsetzungskraft der je eigenen Interessen gestärkt wird) sie lösen aber das Konkurrenzverhältnis nicht auf.

Der bürgerlich beschränkte Charakter solcher Allianzen soll aber jetzt keineswegs bedeuten, dass die Überlegung „alleine machen sie dich ein, gemeinsam ist man stärker” generell falsch wäre, und auch nicht, dass diese Überlegung für uns falsch oder ungeeignet wäre. Es ist jedoch notwendig, dass wir uns der Beschränktheit solcher Allianzen bewusst sind. Und mir ist es wichtig, hier sehr genau zu beschreiben: Allianzen, die nach dieser Prämisse konstituiert sind, verfolgen nicht ein übergreifendes gemeinsames Interesse, sondern in ihnen werden je individuelle (wenn auch punktuell parallel laufende) Interessen verfolgt. Und weil dem so ist, weil sie das Rentabilitätsprinzip der kapitalistischen Gesellschaft nicht verletzen sondern ihm folgen, können solche Allianzen auch nicht das Konkurrenzverhältnis auflösen. Sie können das Herrschaftsverhältnis des Kapitalismus nicht überwinden, sondern bewegen sich innerhalb dieses Systems.

Es gibt eine klassische Passage im Kommunistischen Manifest, die von der Bedeutung solcher Allianzen für die Arbeiterklasse handelt:

„immer mehr nehmen die Kollisionen zwischen dem einzelnen Arbeiter und dem einzelnen Bourgeois den Charakter von Kollisionen zweier Klassen an. Die Arbeiter beginnen damit, Koalitionen gegen die Bourgeoisie zu bilden; sie treten zusammen zur Behauptung ihres Arbeitslohns. Sie stiften selbst dauernde Assoziationen, um sich für die gelegentlichen Empörungen zu verproviantieren. Stellenweise bricht der Kampf in Emeuten aus.

Von Zeit zu Zeit siegen die Arbeiter, aber nur vorübergehend. Das eigentliche Resultat ihrer Kämpfe ist nicht der unmittelbare Erfolg, sondern die immer weiter um sich greifende Vereinigung der Arbeiter.”

Und etwas weiter:

„Diese Organisation der Proletarier zur Klasse, und damit zur politischen Partei, wird jeden Augenblick wieder gesprengt durch die Konkurrenz unter den Arbeitern selbst. Aber sie ersteht immer wieder, stärker, fester, mächtiger.”

Was wird hier also von Marx und Engels beschrieben?

Sie beschreiben genau eine solche - innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft mögliche, und immer durch ein stetiges Hin- und Her-Lavieren zwischen Konkurrenz und Kooperation gekennzeichnete - Vereinigung von Menschen. Eben Vereinigungen, die zu dem Zweck eingegangen werden, die Durchsetzungsfähigkeit der je eigenen Interessen zu verbessern.

Solche Vereinigungen können als bürgerlicher Verein existieren, als Gewerkschaft, als Jointventure, als Staatenbündnis. Diese Vereinigungen verstehen sich als Übereinkunft unterschiedlicher Kräfte, mit dem Ziel, so lange Vertreter individueller Interessen zu addieren, bis daraus eine durchsetzungsfähige Koalition geworden ist. Diese Vereinigungen sind damit aber auch gebunden an den Horizont, der ihnen durch die Prämisse der Vertretung individueller Interessen vorgegeben ist. D.h. aber - politisch gesprochen - sie sind an den Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft und des kapitalistischen Konkurrenzsystems gebunden. Sie sind deswegen für die Arbeiterklasse aber weder uninteressant noch überflüssig. Meine Erwähnung der Gewerkschaften sollte das deutlich machen. Der Lohnkampf ist ein Kampf um das Interesse des Arbeiters, die Reproduktion seiner Arbeitskraft und damit sein Leben gewährleisten zu können. Der Zusammenschluss in Gewerkschaften ist eine notwendige Voraussetzung, um im Lohnkampf erfolgreich „verproviantiert” zu sein. Aber Gewerkschaften sind eben nicht dazu da - darauf haben Lenin und auch Rosa Luxemburg vor über 100 Jahren hingewiesen - aus sich heraus den Kampf über die Grenzen der bürgerlichen Gesellschaft hinaus treiben zu können.

Das Zitat aus dem Manifest von eben verweist uns aber darauf, dass Zusammenschlüsse (wie in den Gewerkschaften!) dennoch ein Potential haben können, das den Rahmen des Konkurrenzprinzips überschreitet: Die Konkurrenz bleibt bestehen und sprengt die Vereinigung immer wieder - aber diese Vereinigung „ersteht immer wieder, stärker, fester, mächtiger”. Denn: „Das eigentliche Resultat ihrer Kämpfe ist nicht der unmittelbare Erfolg, sondern die immer weiter um sich greifende Vereinigung der Arbeiter.” Der gemeinsame Kampf um die je individuellen, aber gleichartigen Interessen hat das Potential, dass in ihm das Bewusstsein gemeinsamer Interessen entsteht. Also das Bewusstsein nicht mehr individueller Interessen, sondern übergreifend allgemeiner Interessen. Der von den Angehörigen der Arbeiterklasse gemeinsam geführte Kampf um ihre je eigenen Interessen wird dann weiterentwickelt zum Kampf um das gemeinsame Klasseninteresse. Das gemeinsame Klasseninteresse ist dann aber auch wirklich mehr und etwas anderes, als die Summe der einzelnen Interessen und beinhaltet - eben anders als es für die individuellen Interessen der Klassenangehörigen gilt - auch das Interesse an der Überwindung der bürgerlichen Klassengesellschaft. Und schließlich gehört zu diesem Verhältnis von individuellen und übergreifenden Interessen auch die Erkenntnis, dass die Arbeiterklasse - indem sie das Klasseninteresse an ihrer Befreiung von fremder Klassenherrschaft durchsetzt - zugleich ein noch weiter übergreifendes allgemeines Interesse verwirklicht, nämlich das Interesse der Menschheit an Überwindung jeglicher Klassenherrschaft.

Warum erzähle ich Euch all dies, was doch eigentlich zum Einmaleins des Marxismus gehört?

Ich hoffe damit eine Grundlage ins Gedächtnis gerufen zu haben, von der ich meine, dass wir auf ihr nun recht einfach Kriterien dafür bestimmen können, welche Allianzen die Arbeiterklasse voran bringen und welche nicht.

Es gibt Bündnisse, (wir können z.B. an Bündnisse im Antifaschismus denken, aber auch an etliche andere Bereiche) die bewegen sich vollständig im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft; sie sind konstituiert im Verständnis, dass dort unterschiedliche Kräfte zusammenkommen, die aus unterschiedlichen Beweggründen Faschismus bekämpfen wollen und die deswegen zusammen arbeiten wollen, weil sie sich davon mehr Effektivität versprechen. Die meisten Mitstreiter wollen von einer Überwindung des Kapitalismus wohlmöglich gar nichts hören. Es ist ja eben ein antifaschistisches Bündnis und kein revolutionäres Bündnis und das individuelle Interessenbewusstsein der Mitstreiter trifft sich zwar in der Ablehnung des Faschismus, umfasst aber nicht den Kampf gegen die kapitalistische Klassenherrschaft. Jedoch nicht deswegen, nicht aus diesem Grund, handelt es sich um ein, im bürgerlichen Rahmen verbleibendes Bündnis, sondern diese Begrenztheit erhält es durch seinen Charakter als Zusammenfassung je individuell verstandener Interessen. Ich wiederhole diese These: Ein Bündnis, welches der Prämisse folgt, dass in ihm zwar ein bestimmtes gemeinsames Ziel angestrebt wird, aber dass die Beteiligten damit lediglich ihre je individuellen Interessen verfolgen - ein solches Bündnis verbleibt deswegen - alleine weil es dieser Prämisse folgt - im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft und seines Konkurrenzsystems.

Das heißt aber nun nicht, dass wir nicht auch solchen Bündnissen uns mal anschließen könnten. Natürlich nicht - wir sind ja auch sonst Teil dieser kapitalistischen Gesellschaft und machen auch sonst vieles, was diesem System entspricht. Aber wenn es um die Frage geht: „Welche Allianzen bringen die Arbeiterklasse voran?” - dann lässt sich m.E. urteilen, ein solches Bündnis kann die Arbeiterklasse nicht voran bringen.

Welche Allianzen oder Bündnisse können dann aber die Arbeiterklasse voran bringen? Die Arbeiterklasse voran zu bringen bedeutet, ihre übergreifenden Klasseninteressen zur Geltung zu bringen. Das Bewusstsein von einem solchen übergreifenden Interesse der Klasse selbst, das die je individuellen Interessen der Angehörigen der Klassen übersteigt - das ist der entscheidende Punkt ob die Arbeiterklasse voran kommt oder ob sie stagniert oder gar retardiert. Dazu trägt ein Bündnis, das sich alleine als Durchsetzungsvehikel von je eigenen Interessen versteht, nicht bei.

Wenn es aber gelingt, im gemeinsamen Kampf das Bewusstsein übergreifender gemeinsamer Interessen zu fördern und so - gemäß der im Manifest beschriebenen Perspektive - als eigentliches Resultat der Kämpfe die „immer weiter um sich greifende Vereinigung” zu organisieren, dann haben wir eine Allianz, die die Arbeiterklasse voran bringt.

Und weil das jetzt (unvermeidlich) immer noch sehr abstrakt war, will ich wenigstens an zwei Fällen dieses Prinzip verdeutlichen:

Das erste Beispiel ist historisch, nämlich die Diskussionen, die in der Kommunistischen Internationale und insbesondere auch in der KPD um die Frage der Einheitsfront geführt wurden. Das können wir jetzt nun leider nicht in dem Umfang untersuchen, wie es angemessen wäre. Das würde den Zeitrahmen sprengen. Aber ich möchte Euch ermutigen, diese Debatten nachzulesen. Angefangen von Lenins Schrift über den „linken Radikalismus” von 1920, über den offenen Brief mit dem Vorschlag zu gemeinsamen Beratungen und Aktionen gegen die Offensive des Kapitals, den die KPD (bzw. damals hatte sie den Namen VKPD angenommen) 1921 an alle Arbeiterparteien und -Organisationen geschrieben hat, bis zum 7. Weltkongress und dem Referat von Dimitroff, ist um die Frage der Einheitsfront intensiv und immer wieder gerungen worden. Meiner Einschätzung nach waren die Kommunistinnen und Kommunisten dabei immer dann in der Lage, Fehler zu vermeiden und Erfolge zu erringen, wenn sie die Einheitsfront nicht aus der Perspektive der unterschiedlichen Positionen betrachteten, die von Sozialdemokraten, Syndikalisten, von christlichen Arbeitern - und (siehe Verkehrsarbeiterstreik in Berlin 1932) selbst von Arbeitern, die sich in die NSDAP verlaufen hatten, vertreten wurden, sondern statt dessen die Einheitsfront zuallererst als Verwirklichung der originär kommunistischen Überzeugung verstanden haben, dass es eine Arbeiterklasse gibt, die ein gemeinsames Interesse

gegenüber dem Klassengegner hat.

So verstanden musste man sich dann nicht mehr daran aufhalten, ob nun ein Sozialdemokrat (ein „kleiner Zörgiebel”) oder gar ein Mitglied der christlichen Gewerkschaften in die gemeinsame Aktion einbezogen werden durften, sondern man verstand Einheitsfrontpolitik von ihrem realen praktischen Gehalt her als die Politik, die die objektiv vorhandene Interesseneinheit der Arbeiterklasse zur Durchsetzung bringen will. Einheitsfrontpolitik der Kommunisten ist eine Politik, die ihrem Gehalt nach darin besteht, die Klasse an sich, also die objektiv existierende Arbeiterklasse, zur Klasse für sich, also zu einer bewusst ihre Klasseninteressen verfolgenden Arbeiterklasse, zu formen.

Um dies zu bewerkstelligen kommt es nicht auf die sauber ausgewählte Teilnehmerliste des Kampfbündnisses an, sondern darauf, dass in den Kämpfen die realen Linien der Klassenauseinandersetzung zum Ausdruck kommen. Das ist der Sinn von Dimitroffs Orientierung auf dem VII Weltkongress: „Die Kommunistische Internationale stellt für die Aktionseinheit keinerlei Bedingungen, mit Ausnahme einer einzigen, elementaren, für alle Arbeiter annehmbaren Bedingung, und zwar, daß die Aktionseinheit sich gegen den Faschismus, gegen die Offensive des Kapitals, gegen die Kriegsgefahr, gegen den Klassenfeind richtet. Das ist unsere Bedingung.”

Und damit bin ich schon bei meinem zweiten Beispiel - was kann diese Überlegung z.B. heute für ein antifaschistisches Bündnis bedeuten? Ist es richtig, in einem Bündnis mitzumachen, das sich auf dem Boden der moralischen Ablehnung von Rassismus und „fiesen Nazis” zusammenfindet? Meine Antwort: Ja, ist es. Es ist es vielleicht nicht immer, denn es hängt natürlich auch von der jeweiligen Tätigkeit ab. Wenn sich das Bündnis zum gemeinsamen „Beten gegen rechts” zusammenfindet, ist ein solches Bündnis vielleicht für uns verzichtbar. Aber ansonsten: Ja, auch auf der Basis einer moralischen Ablehnung können Menschen sich zu einem Bündnis zusammenschließen, bei dem es sinnvoll sein kann, dass wir dort mitarbeiten. Aber wir müssen uns dann im Klaren sein, dass wir durch Dabeisein und Mitarbeit alleine unserer Verantwortung nicht gerecht werden können. Denn dann wird ein solches Bündnis zwingend auf dem Stand eines Zusammenschlusses von Menschen mit je individuellen Interessen und Ansichten verbleiben. Dann gibt es keine Handlungsperspektive auf ein gemeinsames, die individuellen Beweggründe übergreifendes Interesse. Das bedeutet dann aber auch, dass die Wirkmächtigkeit der Existenz des kapitalistischen Konkurrenzsystems nichts entgegengesetzt wird. Und das ist dann aber nicht nur schade, weil hilflos, sondern es bildet den Nährboden dafür, dass solche Bündnisse nicht davor gefeit sind, sich in den Fallstricken bürgerlicher Ideologie zu verlaufen und letztlich als „einfältige Opfer von Betrug und Selbstbetrug” (Lenin) zum Werkzeug der Strategien unseres Klassengegners zu werden. Das Beispiel von Gestern, wo zu Recht kritisiert wurde, dass in der Gewerkschaft eine Stellungnahme gegen Faschismus dazu missbraucht werden kann und auch missbraucht wird, um Propaganda für das strategische Hauptprojekt des deutschen Imperialismus, die EU, zu machen - dieses Beispiel und die Tatsache, dass und wie es zu einer solchen perversen Umleitung antifaschistischer Motive kommen kann, müssen wir begreifen und erklären können. Und meine These ist, solange wir versagen bei unserer Aufgabe, die Kämpfe solcher Bündnisse (auch und gerade wenn sie sich erst mal nur aus moralischer Ablehnung konstituieren) so zu orientieren, dass in ihnen das Bewusstsein übergreifender Interessen entsteht, dann sollten wir uns auch nicht wundern, dass diese Menschen nur bis zum Horizont des bürgerlichen Konkurrenzprinzips und der Vertretung individueller Partikularinteressen sehen können. Dann ist es naheliegend, dass sie anfällig sind für die Ideologie der Standortsicherung und anfällig für die Propagierung des Vorteils, den die EU für die deutsche Wirtschaft und also auch für jeden von uns sichern würde.

Ich komme zum Schluss und will nur nochmal knapp zusammenfassen, worum es mir bei diesem Verständnis von unseren Aufgaben in der Bündnisarbeit ankommt und was ich für notwendig halte, damit Allianzen die Arbeiterklasse voranbringen:

Diese Perspektive auf unsere Bündnisarbeit ermöglicht m.E. folgende Erkenntnisse:

  • Wir können und wir sollen uns um Bündnisse bemühen, die tatsächlich insofern „breit” sind, dass sie nicht Anhänger anderer Positionen und politischer Überzeugungen als ungeeignet ausschließen.
  • Aber nicht die Breite ist das Kriterium für gute Bündnisarbeit, sondern die Frage nach der realen Praxis des Bündnisses. Also die Frage, ob es gelingt, die Kämpfe entlang der wirklichen Linien der umkämpften Klasseninteressen auszurichten. Und damit, ob es gelingt, in diesen Kämpfen das Bewusstsein eines die Individualinteressen übergreifenden Interesses zu fördern, welches all denen gemeinsam ist, die auf unserer Seite dieser Kampflinien sich befinden.
  • Das verweist dann aber auch auf unsere spezifische Aufgabe in diesen Bündnissen und eine Verantwortung, die Kommunistinnen und Kommunisten haben: Denn wer sonst, wenn nicht wir, hat einen zutreffenden Begriff von den realen Fronten im Klassenkampf? (Das heißt nicht, dass wir stets in der Lage wären, dies zu leisten. Aber wenn wir es nicht leisten, sollten wir uns nicht wundern, wenn andere das auch nicht machen.) Es ist unsere Pflicht, dazu beizutragen, dass Allianzen die Arbeiterklasse voranbringen - und nicht nur die Arbeiterklasse voranbringen, sondern auch unsere Bündnispartner und letztlich die ganze Menschheit. Und zu dieser Pflicht gehört es, unsere „Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung” (Manifest, MEW4, S.474) zur Orientierung der gemeinsamen Kämpfe des Bündnisses zu nutzen.
  • Zusammengefasst ist meine Antwort auf die Frage, wann Allianzen die Arbeiterklasse voranbringen, also, dass dies nicht von den Bündnispartnern abhängt sondern von uns, von unserer Fähigkeit, die Praxis dieser Bündnisse so zu orientieren, dass dabei etwas entsteht, was über die unmittelbaren Erfolge hinaus geht, nämlich das Bewusstsein gemeinsamer Interessen.
  • (sektiererischer Fehler) Ein Bündnis, welches - ganz marxistisch - die Erkenntnis verbreiten möchte, dass der Faschismus die Interessen nahezu aller Teile der Bevölkerung verletzt, aber dabei die Mitarbeit all derjenigen ausschließt, deren Interessen zwar verletzt werden, die diese Erkenntnis aber nicht teilen, ist sicherlich nicht adäquat konzipiert.
  • (rechtsopportunistischer Fehler) Andersherum ist ein Bündnis, welches überaus breit angelegt ist und möglichst viele Menschen einbezieht, aber keinen Begriff vom wirklichen Gegner hat und deswegen auch nicht in der Lage ist, das gemeinsame, übergreifende Interesse, das ihn vom Gegner trennt, zu erkennen - erst Recht kein Beitrag zum gesellschaftlichen und historischen Fortschritt.

Manuskript - 01.06.2019