Konferenz
»Der Haupt­feind steht im eigenen Land«

Die jährlich stattfindenden Konferenzen gegen den deutschen Imperialismus sollen den politischen Austausch und die Zusammenarbeit derjenigen revolutionären Kräfte fördern und vorantreiben, die in der Arbeiter- und demokratischen Bewegung für die Linie »Der Hauptfeind steht im eigenen Land« kämpfen wollen.

Kann die Friedensbewegung den deutschen Imperialismus friedlicher machen?

Sebastian Carlens, Redakteur der Tageszeitung »junge Welt«

Mai 2017 (Audiotranskript)

Das Thema ist mir recht kurzfristig zuteil geworden, und Ihr habt ja schon gehört, daß es eine Frage ist, eine rhetorische Frage natürlich. Deswegen mache ich es ganz kurz für die, die keine Zeit haben oder die Antwort schnell wissen wollen. Nein, der deutsche Imperialismus kann nicht friedensfähig gemacht werden - durch die oder durch eine Friedensbewegung, Aber: Ich sage erst etwas zu dem NEIN und danach etwas zu dem ABER. Ich muß mich beeilen, da ich nur eine halbe Stunde Zeit habe. D. h., daß ich hier nur skizzenhaft arbeiten kann, da ich ein paar Dinge ins Bewußtsein zurückrufen muß, ansonsten verlasse ich mich dann voll auf die Diskussion.

NEIN/ABER – Sie kann es nicht, weil es erst einmal DIE Friedensbewegung überhaupt nicht gibt. Das fasse ich jetzt ganz kurz zusammen, da wird notgedrungen sehr viel fehlen, vielleicht können wir das nachher noch ergänzen - vielleicht ist es dann aber auch nicht mehr so wichtig. Deshalb noch mal als kurzer Überblick: Es wird ja viel geredet von ‘alter’ Friedensbewegung, ‘neuer’ Friedensbewegung, ‘neuester’ Friedensbewegung.

Wenn wir von Friedensbewegungen in der BRD, also zunächst mal Westdeutschland, reden, müssen wir verschiedene Phasen unterteilen.

Die erste Phase wären sicherlich die der 50er und 60er Jahre, als es in der Bevölkerung Widerstand gegen die Remilitarisierung gab, gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht, die Gründung Bundeswehr; dann natürlich auch international, durch die Drohung des Atomkriegs, da gab es die Kampagne ‘Stop dem Atomtod’, die von Gewerkschaften, SPD, aber auch Kommunisten und anderen Linken getragen wurde. Das wäre also nach dieser Terminologie die eigentliche ‘alte’ Friedensbewegung, die es in der Form nicht mehr gibt und nicht mehr geben kann, weil diese Konfrontation, die zu ihrem historischen Entstehen geführt hat und die dafür gesorgt hat, daß der deutsche Imperialismus damals verkleinert und von den Alliierten – von den Westalliierten – zumindest unter Druck gehalten wurde und gar nicht so gelten konnte, wie er wollte, so nicht mehr existiert.

D. h. wir müssen später einen Schnitt einziehen, dazu werde ich gleich kommen.

Vorher muß man noch eine andere Phase erwähnen, das sind die 80er Jahre, also die eigentliche ‘neue’ Friedensbewegung; so hatte sie sich damals in Abgrenzung zu der der 50er/60er Jahre genannt. Sie war insbesondere gegen die Nato-Doppelrüstungsbeschlüsse, aber auch gegen die sowjetischen Antworten darauf.

Diese Friedensbewegung war breit, das betraf Hunderttausende. Da wurde an zentralen Orten zu Demonstrationen mobilisiert, die tatsächlich hunderttausende Menschen auf die Straße brachten. Es war eine sehr heterogene Bewegung; von Kommunisten der DKP über harsche Antikommunisten bis hin zu Leuten, die sich ein wieder erstarktes, damals ‘neutral’ genanntes, Deutschland wünschten, war alles dabei. Es war also dem hauptsächlichen Charakter nach eine sogenannte „bunte“, kleinbürgerliche Bewegung, in der die Grünen ihre historischen Wurzeln haben. Wir wissen, wie das Ganze ausgegangen ist, wir wissen auch, was von dieser Friedensbewegung übriggeblieben ist, nach 1989/90 nämlich nicht viel. Wenn man überhaupt eine Kontinuität über die Konterrevolution hinaus annehmen will, so hat zumindest der politische Flügel dieser alten Friedensbewegung den ersten Angriffskrieg des deutschen Kapitals nach dem 2. Weltkrieg entfesselt, nämlich gegen Jugoslawien. Es war eben das Personal SPD und Grünen, das in dieser Bewegung tatsächlich auch groß geworden ist.

Ich sagte schon: Notwendiger Einschnitt – Die Konterrevolution 1989/90.

Selbst wenn sich die Menschen, die Slogans und die Formen nicht geändert haben, hat sich der Charakter geändert, zwangsläufig, weil der deutsche Imperialismus seitdem flügge geworden ist. Das ist tatsächlich der erhebliche Unterschied; eine Argumentation, die noch in den 80er Jahren angestrengt werden konnte, ist so nicht mehr unbedingt und in jedem Fall möglich.

Aber meines Erachtens war es in den 80ern legitim, zumindest darüber nachzudenken, ob ein Ansatz gegangen werden kann, wie ihn die DKP damals diskutiert hat – und z. T. umgesetzt, z. T. nicht umgesetzt hat –, nämlich die Argumentation, daß es unter Dominanz der USA als imperialistischer Führungsmacht gegen das sozialistische Lager gelingen kann, mit Teilen des Bürgertums außerhalb der USA, selbst in anderen imperialistischen Ländern sogar, ein Bündnis zu schließen, um bestimmte extremste, gewalttätigste Formen erst einmal zurückzudrängen. Das ist gescheitert, wir wissen das; und dieser Debatte wäre heute auch für mich die Grundlage entzogen. Man kann nicht mehr in dieser Form davon ausgehen, daß das deutsche Kapital von irgendwem irgendwelche Fesseln auferlegt bekommt. Das noch mal als kurzer historischer Einblick.

Nach 1990 kam es – wie ich schon gesagt habe – zum ‘Kniefall’ dieser 80er-Jahre-Friedensbewegung, während des Jugoslawienkrieges. Das war auch die Zeit, in der ich selbst politisiert wurde, so daß ich in einem kleinen Ausschnitt mitbekommen habe, was von dieser einst so mächtig sich darstellenden Friedensbewegung geblieben ist, nämlich absolut wie nichts! Gegen den Jugoslawien-Krieg hat man kaum noch jemanden auf die Straße gekriegt: Bei den Grünen nicht, bei der SPD nicht, was ja klar ist, da sie die Regierung gestellt haben, die den Krieg geführt hat. An der Basis gab es natürlich immer Leute, die ausgeschert sind, das ist völlig klar. Wir standen ganz konkret mit einem letzten Häuflein Kommunisten und mit pazifistischen Christen auf der Straße – das waren die Kräfte, die sich 1999 konkret mobilisieren ließen. Als es dann losging, war von der Friedensbewegung tatsächlich nichts mehr zu sehen.

Jetzt müßte man der Korrektheit halber sagen, daß es doch noch eine Friedensbewegung gab, und zwar auch eine ziemlich mächtige, in den 2000er Jahren, nämlich gegen den US-Irak-Krieg unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush. Es war eine staatlich finanzierte Friedensbewegung. Da gab es schulfrei, da durften alle Schüler flächendeckend bundesweit „blau machen“ und zu zentralen letztlich staatlich ausgerichteten Anti-US-Kriegs-Veranstaltungen gehen. Der Bewegungscharakter war unbedingt erfüllt. Wenn wir uns die Teilnehmerzahlen ansehen, die damals auf die Straße gebracht wurden, so war das mit viel größerer Berechtigung eine Bewegung als die sklerotischen Reste der alten Friedensbewegungsorganisationen, die es heute noch gibt. – Dazu werde ich gleich noch etwas sagen. – Das darf man, glaube ich, nicht unterschlagen, weil diese staatliche Anti-US-Kriegs-Bewegung etwas in den Köpfen verursacht hat, vielleicht auch ein letztes Restbewußtsein, was noch über den Charakter von Kriegen vorhanden war, zerstört hat. Da ist dann tatsächlich ganz viel nivelliert worden, weil man sich mit dem Segen der Bundesregierung gegen US-Kriege stellen durfte, gleichzeitig aber implizit – wobei ich mir sicher bin, daß das viele gar nicht gewollt haben – hinter den Kurs dieser Regierung gestellt hat, die andere Kriege führt, die eben nicht für Frieden steht, die aber im Zweifel selbst entscheiden will, in welche Kriege sie zieht, und die nur Kriege führen will, die ihr etwas nutzen. Das ist der Bundesregierung damals gelungen; das ist tatsächlich der Genickschlag für die letzten Reste dieser alten Bewegung gewesen, welche dem ideologisch nichts entgegenzusetzen hatten. Denn diese hatte überhaupt keine Analyse, die über rein pazifistische Slogans hinausgegangen wäre („Schwerter zu Pflugscharen“).

Als nächsten großen Schritt – und da wären wir in der Jetztzeit und damit würde ich den historischen Teil beenden – müssen wir die Zuspitzung der Lage seit ungefähr 2014 erwähnen, also vor allem die zunehmende Aggressivität gegenüber Rußland. Das hat sehr viele Menschen in Bewegung gesetzt; gleichzeitig ist die Lage der Linken so, wie sie ist. Dies muß ich, denke ich, nicht noch einmal in schwarzen Farben plastisch malen. D. h., wenn keine linken Kräfte da sind, die Unmut aufgreifen, der in der Bevölkerung spontan entstehen kann, wie eben in dem Punkt Russlandhetze (vor allem in der ehemaligen DDR, aber nicht nur dort); es gibt einfach eine Menge Menschen – nach meiner Einschätzung die Mehrheit der Bundesbürger – die aus den unterschiedlichsten Gründen kein Interesse an einem Krieg gegen Rußland haben. Manche haben Angst, viele sehen die Russen nicht als Feinde, weil sie sie anderes erlebt haben - es gibt ein Bündel an Motiven.

Aber tatsächlich, und das ist für das ganze Thema Friedensbewegung erst mal eine grundsätzliche Feststellung, gibt es allen Umfragen zufolge – so gut oder schlecht die jetzt auch sind und man sich auch prinzipiell über deren Charakter streiten kann – immer Mehrheiten für Frieden. D. h., egal worum es geht, sei es der Afghanistan-Einsatz, sei es die Nato-Speerspitze in Osteuropa gegen Rußland, egal zu was die Bevölkerung gefragt wird, es sind immer deutlich mehr als 50% der Menschen, die sich in diesem Sinne äußern. Das ist eine wichtige Feststellung.

Für das Kapital ist das ein Problem, es will ja durchaus eine Massenbasis, die ihre Angriffskriege auch emphatisch nachempfindet, für sich ideologisch rechtfertigen kann, usw. usf. Diese Verbindung gelingt anscheinend bislang nicht in ausreichendem Maße.

Damit ist für uns natürlich noch nicht viel gewonnen. Das muß man gleich dazu sagen, da die Leute nicht automatisch, nur weil sie Zweifel haben, auch zur Vernunft kommen. Aber es ist doch für unsere Möglichkeiten, Politik zu machen, eine wichtige Feststellung zu unserer Einschätzung des Bewußseinsstands der Menschen.

Nun war es 2014 so, daß dieser Unmut da war – m. E. vor allem an einer tatsächlich monoton-einhämmernden Berichterstattung der Massenmedien entzündet. Dies haben die Menschen mehrheitlich in dieser Form nicht mehr schlucken wollen, aber es gab keine Kräfte, die etwas organisieren konnten oder wollten, bzw. keine progressiven, keine linken Kräfte. Natürlich gab es Kräfte, die da waren und zugegriffen haben; in diesem Fall war es eine bunte Melange, die eigentlich aus dem Nichts kam, die man vorher kaum kannte oder die zumindest in der öffentlichen Politik keine Rolle gespielt hat.

Dies verweist auf grundlegende Verschiebungen innerhalb der deutschen Bourgeoisie. Denn all diese Erscheinungen passieren ja nicht losgelöst! Wenn Menschen auf die Straße gehen, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen, und sofort das professionelle Equipment hingestellt bekommen – die Bühnenwagen mit Verstärkeranlagen, die Ordnerdienste usw. –, so sind dann selbstverständlich Kräfte am Werk, die irgendetwas erreichen wollen und die sich nicht ohne Grund genau angucken, was sich auf der Straße tut. Diese sogenannte „neue neue“ oder neueste Friedensbewegung, wie sie sich dann 2014 genannt hat, die Montagsmahnwachen-Bewegung mit all ihren Facetten, existiert in der Form nicht mehr. Sie ist an inneren Widersprüchen gescheitert, hat auch mehrere Neuauflagen (Friedenswinter usw.) nicht überlebt, nichtsdestotrotz würde ich davor warnen, das Problem zu unterschätzen. Dabei wurden aus dem Nichts tausende Leute mobilisiert und z. T. auch politisiert; diese sind auch nicht unbedingt verschwunden, folglich wird man das weiter im Auge behalten müssen.

Ich werde kurz auf die von mir schon erwähnte Herausbildung unterschiedlicher Lager in der deutschen Bourgeoisie eingehen. D. h., so neu sind diese eigentlich nicht. Die unterschiedlichen Lager profilieren sich derzeit, können sich überhaupt erst wieder profilieren nach vielen Jahrzehnten, in denen der deutsche Imperialismus von außen gehemmt war. Man kann sich über die Begriffe, die man ihnen gibt, streiten. Für die eine, die nach wie vor dominante Gruppe verwende ich deren Selbstbezeichnung. Es handelt sich um die Transatlantiker – der Teil der Kapitalfraktion, die vor allem auf Handel, ein militärisches und politisches Bündnis mit den USA und dem verbündeten Block setzt. Sie haben gewichtige Argumente. Ein Gutteil des deutschen Exports geht dahin, ein Gutteil der Investitionen, die hier gemacht werden, kommt daher. Also ist es tatsächlich die politische Strömung, die die Kapitalfraktion vertritt, die derzeit den größten Schnitt macht. Darüber muß man, so denke ich, derzeit nicht groß spekulieren. Aber natürlich verschieben sich Dinge.

Bekanntlich wird die Volksrepublik China politisch und ökonomisch immer wichtiger. Der Block „Deutschland-Eurasien“ bis China, vor dem der US-Stratege Brzeziński beständig gewarnt hat, ist selbstverständlich (aufgrund unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen) nicht im Entstehen, aber es gibt immer stärkere Teile der Bourgeoisie, die sich sagen, sie könnten dort ein gutes Geschäft machen. Und wenn die Rivalität zwischen USA und China sich verstärken würde, wäre das für Deutschland nur positiv, denn in einem eskalierenden Handelskrieg, in dem sich die Beteiligten mit Importzöllen bedrohen, könnte Deutschland als Apostel des Freihandels auftreten und eben all das einheimsen, was die Konkurrenz mehr oder weniger freiwillig geräumt hat. Diese Strömung gibt es. Natürlich gibt es auch die Strömung, die auf ein gutes Verhältnis zu Rußland setzt. Das ist eine Minderheitenströmung, wir sehen es in der Politik, wo sie sich derzeit nicht durchsetzt. Aber sie ist alt, so alt wie das deutsche Kapital selbst, und sie ist nach wie vor vorhanden. Ich würde sagen, wirklich in allen Parteien - das kann man nicht am Parteibuch festmachen. Es gibt ad-hoc-Koalitionen, die sich bilden, es gibt aber auch historisch gewachsene Thinktank-Strukturen, Lobbyisten-Organisationen aller Couleur, die sich in die jeweilige Richtung dann betätigen.

Die Tatsache, daß die Institute der „Atlantik-Brücke“, der Transatlantiker, bekannt sind und die der anderen Fraktionen nicht, sagt natürlich ein bißchen was über die Kräfteverhältnisse aus. Fakt ist, daß diese zunehmende Auseinandersetzung innerhalb der Bourgeoisie, wo man denn am besten investieren kann und wo man expandieren soll, natürlich voll und ganz in die Reste der Friedensbewegung hineinwirkt.

Das ist die grundsätzliche Bedingung, die wir annehmen müssen. Die deutschen Massenmedien gefallen sich darin, die USA als Kriegsverbrecher zu entlarven. Das ist kein Widerspruch zur eigenen imperialistischen Politik, sondern es greift einen Nerv auf, den ich tatsächlich als die ideologische Klammer über derzeit alle Klassen der Bevölkerung – natürlich in Nuancierungen – ansehen würde, nämlich den Antiamerikanismus. Das ist die Ideologie, die mehrheitsfähig in der deutschen Bevölkerung ist. Es ist tatsächlich eine querfronttaugliche Ideologie, weil damit Linke gewonnen werfen können, und zwar Linke mit wenig Bildung oder mit unzureichender Bildung, denen eben genau dies eingetrichtert werden kann, daß Washington Weltfeind Nr.1 ist. Aber auch Rußland ist als politischer Akteur stärker präsent. Es macht mittlerweile das, was die westlichen Imperialisten mit Selbstverständlichkeit schon immer machen, nämlich sich auch in die Innenpolitik anderer Länder einzumischen. Und die russische Seite hat Interesse, diese Widersprüche zu verstärken und herauszukitzeln, sie unterstützt innerhalb dieser Strategie aber auch Kräfte, die alles andere als links und progressiv sind. Aus dem Grunde, weil die Linke nicht stark genug ist. Das muß man dazu sagen: Wäre die Linke in der Lage, antimilitaristisch tätig zu werden, wären wir da selbstverständlich auch ein Bündnispartner. Und dies auch aus guten Gründen, weil wir dem deutschen Kapital die Niederlage wünschen müssen, weil wir den imperialistischen Krieg in letzter Instanz in einen Bürgerkrieg verwandeln müssen. Das ist unsere historische Mission.

Aber wir wissen, der Bildungsstand der Linken ist am Boden, ist marginalisiert, ist zertrümmert. Solche Theorien – „irgendwo zwischen Cyberspace und den USA lauert das Böse“, ironischerweise befeuert durch in erster Linie Hollywoodfilme, die genau diese Mythen speisen und lehren, ein abstrakter übermächtiger Feind, den man dann vielleicht nur noch in Kapitalströmen lokalisieren kann oder in Rothschilds oder Rockefellers oder was es da an düsteren Verbindungen im Hintergrund gibt – und dazu politische Kräfte, die teils aus uraltem Antrieb, teils aus neuer Motivation mit diesen Theorien hausieren gehen und ihnen eine Massenbasis zu verschaffen suchen.

Das ist für uns ein ernsthaftes Problem, weil selbstverständlich der Unmut, der da ist, und der immer wieder wächst und sich aus sich selbst heraus regeneriert, abgefangen wird, bevor wir überhaupt greifen können, bevor Leute überhaupt bei uns ankommen.

Als zweite große Auseinandersetzung, die neben oder parallel zu dieser Blockbildung zwischen den Transatlantikern und den – so würde ich sagen – „Eurasiern“, die Richtung Rußland orientieren, in der Bourgeoisie tobt, findet auf bundespolitischer Ebene auch eine Entscheidungsschlacht statt. Hier sieht es zur Zeit nicht mehr so gut aus, es sah mal besser aus, aber das kann sich auch wieder ändern: Nämlich um „rot-rot-grün“!

Das Ziel, 2017 eine Koalition aus Linkspartei, SPD und Bündnisgrünen als Bundesregierung auf die Beine zu bringen, ist zwischenzeitlich aus allen drei Parteien formuliert worden. Es gab sogar Spitzentreffen von Parlamentariern aus diesen drei Parteien, die sich mit diesem Ziel im Bundestag getroffen haben, dies mehrmals, zu verschiedenen Gelegenheiten. Auch der SPD-Kanzlerkandidat Schulz hatte sich in diese Richtung geäußert, bevor ihm drei (Landtags-)Wahlen verloren gegangen sind. Jetzt rudert er wieder ein bißchen zurück. Hier Prognosen zu machen, ist ganz schwer. Ich erinnere trotzdem noch mal daran: „Rot-rot-grün“ hätte heute (Mai 2017) eine Mehrheit im Bundestag, sie könnten die Regierung stürzen und selbst eine stellen. Also, ganz so abstrakt ist es nicht. Sie haben eine Mehrheit; ob sie diese bei der nächsten Wahl erstens noch haben und zweitens nutzen können und wollen, ist eine völlig andere Sache.

Die anstehende Bundestagswahl ist tatsächlich bei vielen Linken als eine Art ‘letzte Chance’ wahrgenommen worden, „jetzt kommen wir da rein, jetzt können wir mal…“. Und die Leute haben durchdekliniert, was an programmatischen Inhalten oder Bestandteilen ihrer Politik sie aufzugeben bereit sind. Daher rate ich davon ab, zu sagen, daß dieses Projekt endgültig gestorben ist. Auch 2017 ist nicht der Weisheit letzter Schluß; es wird weitere Wahlen geben. Und für das Kapital ist natürlich die Linke potentiell immer eine Option: Wenn man sie in die Regierung einbindet, kann man Widerstände brechen, die man bisher noch nicht gebrochen hat. Das werden sie sehen und das werden sie sich nicht entgehen lassen. Und in der Linken gibt es Kräfte, die für derartige Verlockungen empfänglich sind, also für Machtpositionen innerhalb des parlamentarischen Betriebs unter Inkaufnahme von programmatischen Kompromissen. D. h. auch dort wird diese Auseinandersetzung geführt, denn es geht letztlich um den Eintrittspreis in eine bürgerliche Regierung. Da ist die Stellung zu Bundeswehreinsätzen. In anderen Fragen – das ist der Linken bereits signalisiert worden – könnte es kleine Zugeständnisse geben, wie eine Art ‘bedingungsloses Grundeinkommen’ oder eine Anhebung der Hartz-IV-Sätze auf 500 oder 600 Euro - alles Peanuts, aber etwas, was man dem Wähler verkaufen kann. Wo es kein Entgegenkommen gegenüber der Linken geben wird, ist die Militarisierungspolitik des deutschen Kapitals. Wenn die Linke regieren will, muß sie diese Kröte schlucken. Und es gibt in der Linken Leute, die bereit sind, dies zu tun. Ich bin nicht Mitglied dieser Partei, ich kann es nicht so genau beurteilen, wie die Kräfteverhältnisse da jeweils aussehen. Ich würde sagen, daß nach den letzten Landtagswahlen diese pro-“rot-rot-grün“-Fraktion einen Rückschlag erlitten hat. Wir werden sehen, was sich da bis zum September alles tut.

Also die Frage „Krieg – Frieden“! Für das deutsche Kapital ist sie der Eintrittspreis in parlamentarische Teilhabe, die Möglichkeit mitzuregieren – das ist ja sowieso die grundsätzliche Frage: Seid ihr an der Macht oder seid ihr an der Regierung? Die Linke würde es nur an die Regierung schaffen, nicht aber an die Macht; und auch dies nur mit erheblichen Zugeständnissen oder Kompromissen unter den herrschenden gesellschaftlichen Umständen, wo sich tatsächlich kein progressiver Block in irgendeiner Form formiert, der mit weitgehenden demokratischen Forderungen z. B. die Herrschenden treiben könnte.

Jetzt will ich ganz kurz auf die Selbstdarstellung des deutschen Imperialismus eingehen. Der deutsche Imperialismus versteht es seit Alters her, obwohl er derjenige ist, der zwei von zwei Weltkriegen entfesselt hat, sich als Friedensapostel hinzustellen und sich diese Rolle auch abkaufen zu lassen. Das hat mehrere Gründe: Wir kennen die historischen Ursachen, die Niederlage im 1. Weltkrieg mit den darauf folgenden Entente-Bestimmungen zur Abrüstung und den Vertrag von Versailles, wir kennen die Bestimmungen der Alliierten nach dem 2. Weltkrieg, nicht zuletzt das Verbot, Atomwaffen zu besitzen. Der deutsche Imperialismus ist einer der wenigen – wenn man jetzt bei Japan sagt, man wisse es nicht genau –, der keine Atombomben hat. Ihm fällt also quasi automatisch die Rolle zu, sich als globaler Gegner von Atomwaffen zu inszenieren. Das macht er meistens, aber interessanterweise auch nicht immer. Manchmal scheitert auch an der deutschen Stimme in der UNO mal wieder irgendein Ansinnen, alle Atomwaffen zu ächten, welche natürlich witzlos, aber ehrenwert sind. Meistens aber nutzt der deutsche Imperialismus diese ihm aus der Schwäche zugefallene Rolle sehr gerne aus und bezichtigt alle anderen, die sich dieser Waffe bedienen oder die sie besitzen wollen.

Das müssen übrigens nicht immer die USA sein. Vielleicht könnt ihr euch noch erinnern, wie der damalige französische Präsident Jacques Chirac mit einer vermutlichen PR-Nummer versucht hat, die französischen Atomwaffenarsenale zu testen und zu modernisieren. Was damals in Deutschland los war, hatte schon einen Vorgeschmack von den Anti-George-Bush-Demos – damals hieß es ‘Fuck Chirac’ –; und alle waren gegen die Atombombe, die deutsche Regierung vorneweg. Dies fiel ihr ja auch leicht, sie hatte keine. So wie man früher gut gegen Kolonien sein konnte, wenn alle welche hatten, nur man selber nicht. Die deutschen Imperialisten nutzen das geschickt aus, und sie haben Erfahrung darin, aus dieser Position der relativen Schwäche heraus propagandistische Vorteile zu ziehen, sich auch z. T. fortschrittlichen Regierungen in der Welt anzubieten als Bündnispartner gegen andere Imperialisten.

Wir wissen aus der Geschichte, wie das ausgegangen ist. Der Deal mit den Deutschen hat nie funktioniert; sie waren letztlich immer diejenigen, die zugegriffen und sich alles genommen haben, was sie kriegen konnten, auch bei ehemaligen Verbündeten. Insofern ist das eine törichte Hoffnung. Auch da muß man aufklären und die Friedensunfähigkeit, die besondere Aggressivität des deutschen Imperialismus immer wieder herausstreichen, auch gegenüber den Freunden und Genossen im Ausland, die das oft nicht so genau mitkriegen und wo die Progaganda sich auch oft sehr einseitig auf die USA einschießt – selbst in Ländern, wo die USA de facto nichts zu sagen haben, wohl aber Deutschland. Dort sind es wieder die in deutscher Hand befindlichen Pressekonzerne, die trotz dieser Tatsachen den Unmut auf die USA lenken.

Ein bißchen konnte man das neulich sehen, an der Eskalation um Nordkorea und US-Präsident Trumps Drohungen gegen die Demokratische Volksrepublik Korea wegen angeblicher Vorbereitung von Atombombentests, die dann meines Wissens wohl doch nicht stattgefunden haben. Wenn man sich diese Berichterstattung etwas gründlicher angeguckt hat, dann wußte man gar nicht mehr, wer jetzt der schlimmere Irre ist, ob es Kim Jong-un ist oder ob es Donald Trump ist. Die deutschen Medien haben sich da zumindest nichts genommen und sich auch nicht eindeutig festgelegt. Nach Lesart der ‘Bild’, ‘Spiegel’ oder ‘FAZ’ haben da wirklich zwei Verrückte darum gewetteifert, zuerst auf den ‘roten Knopf’ zu drücken, dann wurde auch noch genüßlich vorgerechnet, wie hoch denn eigentlich der US-Rüstungsetat gegenüber dem Nordkoreas ist.

Wir wissen jetzt also dank deutscher Massenmedien, daß Nordkorea ein friedliebender Staat ist, der sehr wenig Geld in Militär investiert, ein armes Land, das obendrein zusieht, daß es nicht allzu viel für das Militär verpulvert. Das ist schön zu wissen, finde ich. Gleichzeitig weiß jetzt auch jeder, daß der US-Militäretat nochmal 100x so hoch ist wie der Deutschlands, denn das wurde immer als kleine Größe mit unten eingeblendet, damit die Leute eine Rückkopplung haben und ihre Lehren daraus ziehen können, denn es geht schließlich gar nicht um Nordkorea.

Also auch da geht es um die Stellung der USA als ehemaliger ‘primus inter pares’, als imperialistische Führungsmacht vor anderen Imperialisten. Aus dieser Position der Stärke kommen sie ja, und da haben sie noch einiges, was sie im Gepäck haben, z. B. diese riesige Militärmaschinerie. Diese Position der USA als Stärkster schafft für den deutschen Imperialismus wieder eine Möglichkeit anzugreifen, und er macht das, hemmungslos. Antiamerikanismus – das habe ich nicht ohne Grund gesagt – ist m. E. die ideologische Klammer über alle Klassen und Schichten der Bevölkerung hinweg, aus unterschiedlichsten Gründen.

Bei der Monopolbourgeoisie ist das wohl eingängig, da muß man nicht diskutieren. Sie ist gegen jeden, der ihr Konkurrenz macht. Dem Kleinbürgertum wird eingeredet, hier drohten „amerikanische Verhältnisse“, also Kulturverfall, Kaugummiimperialismus, McDonalds-Zwangsernährung für jeden, Fettleibigkeit und was weiß ich nicht alles. Der Arbeiterklasse wird weisgemacht, wir liefen Gefahr, amerikanischen Hire-and-Fire-Verhältnissen ausgeliefert zu werden: Heuschreckenschwärme fallen über uns her, das ‘spekulative Kapital …’. Wir kennen all diese Sprüche. Sie sind nuanciert und differenziert für jede Zielgruppe und sie funktionieren, weil der Unmut in der Bevölkerung da ist; weil wir nicht da sind und den Leuten sagen können, wohin sich ihr Unmut denn richten soll, damit er überhaupt praktisch werden kann. Das ist m. E. das Grunddilemma, in dem wir hier stehen und über das wir diskutieren müssen.

Ich habe vorhin gesagt, ich hätte nicht nur ein NEIN, sondern auch ein ABER anzubieten. Dazu werde ich jetzt kommen. Kann eine Friedensbewegung den deutschen Imperialismus friedfertiger machen? Ich würde sagen, NEIN. Was aber möglicherweise dazu führen könnte, daß dem Imperialismus Fesseln angelegt werden können, er gehemmt werden kann in der Aggressivität seiner Expansion, das ist eine antimilitaristische Bewegung, die nicht losgelöst von Klassenfragen existiert. Das ist die Antwort, die man geben kann, auch wenn es heute ferner denn je erscheint. Auch dies gab es schon mal.

Es gab schon mal eine deutsche Arbeiterbewegung, die in der Lage war, große antimilitaristische Kampagnen zu starten und praktisch dafür zu sorgen, daß der imperialistische Krieg geschwächt wurde. Zwei prominente Beispiele fallen mir dazu ein. Beide sind aus der Zeit der Weimarer Republik, als unter Führung der KPD sowohl gegen die Interventionskriege der frühen Sowjetunion mobilisiert wurde als auch später – das war über 10 Jahre hinweg ein Schwerpunkt der KPD, der heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist, die Genossen damals aber sehr beschäftigt hat – die Solidarität mit den revolutionären Kämpfen in China. In Berlin gab es tatsächlich Massenveranstaltungen mit hunderttausenden Teilnehmern, die den Slogan, den wir vorhin hörten, getragen haben: ‘Revolution statt Krieg’. Die klargemacht haben, wenn wir hier als klassenbewußte Arbeiter unseren Teil dazu beitragen, daß die Rüstungstransporte nicht abgelöscht werden können, daß die Züge nicht losfahren können, daß soviel Zucker im Tank ist, daß der Panzer nicht rollt, dann hält das erst einmal den Imperialismus natürlich noch nicht auf, weil es noch keine Revolution ist, aber es ist einer der Schritte dahin. Vielleicht einer der ersten Schritte dahin.

Insofern bin ich der Meinung, man sollte den oft naiven Unmut der Leute, die oft „schrulligen“ Vorstellungen – vollbeladen oft mit esoterischem Klimbim und mit pazifistischen oder religiösen Ideen – nicht unterschätzen. Man sollte zusehen, daß man, wo man kann, an diese Leute herankommt, bevor andere – die falschen – Leute an sie herankommen. Es sind die selben, die hier das Sagen haben und die den Leuten mittels ihrer Medien – seien es die etablierten Medien, seien es die weniger etablierten Netz-Medien, die zu einem guten Teil aus demselben Stall kommen – gezielt einreden, jede Form von Friedensarbeit müsse Anti-US-Arbeit sein. Diese Leute verfolgen eigennützige Ziele, und sie sorgen letztlich dafür, daß möglicherweise entstehende Bewegungen direkt wieder dem Kapital zugeführt werden.

Wie kommen wir nun dahin, dieses ABER verwirklichen zu können? Leider habe ich natürlich dazu auch keine einfache Antwort. Ich möchte nur darauf verweisen, was es trotz unserer Schwäche immer wieder an Aktionen gibt, die in diese Richtung wirken. Das ist nicht zuletzt die Be- und Verhinderung der Nachwuchsgewinnungsarbeit der Bundeswehr. Es ist m. E. ein originär antimilitaristisches Aufgabenfeld, die Bundeswehr dort abzufangen, wo sie junge Menschen für den Kriegs- , für den Raubdienst gewinnen will, nämlich in den Schulen und Berufsschulen. Das geht, so meine ich, nur mit sehr langfristig angelegter Agitation. Das ist durchaus möglich, weil die Schüler kritisch sind. Zu den Schwierigkeiten wurde ja schon viel gesagt, da habe ich jetzt auch kein einfaches Rezept.

Aber ich glaube tatsächlich,daß man dort trotz unserer Schwäche ganz praktisch was erreichen kann, zumal die Bundeswehr dort Riesenprobleme hat. Beispielsweise nur ein Gedanke – es muß überhaupt nicht so kommen, es ist aber auch nicht völlig abwegig, diskutiert wird es: Falls die Bundeswehr in Ermangelung von Kanonenfutter, von Menschenmaterial, gezwungen sein sollte, die Wehrpflicht wieder einzuführen, ändern sich auch die politischen Bedingungen für antimilitaristische Arbeit.

Die ist unter einem Söldnerheer, unter einer Armee von Landsknechten und Gedungenen, einfach sehr viel schwieriger als unter einem Querschnitt zumindest der unteren Klassen und Schichten der Bevölkerung, die als Rekruten in die Armee gespült würden. Ich kann jetzt leider nicht mehr auf auf den Nazi-Skandal bei der Bundeswehr eingehen, obwohl er damit zu tun hat. Solche Zellenbildungen von elitären, reaktionären Offiziersklüngeln, von Verschwörern, die sich eigentlich den Hochverrat gegen den Parlamentarismus zum Ziel gesetzt haben, gedeihen natürlich auch besser, wenn die Armee ein Staat im Staate ist und wenn dort keiner mehr hereinkommt, der nicht sowieso schon zur Bourgeoisie zählt oder für die Offizierslaufbahn geboren wurde.

Wir haben trotz unserer Schwäche kleine Möglichkeiten, ein bißchen Druck auszuüben. Ganz konkret: Die Bundeswehr hat riesige Nachwuchsprobleme. Es gelingt einfach nicht, Leute dafür zu begeistern, sich für Geld abknallen zu lassen. Das kann sich sehr schnell ändern; das wird auch durch den Arbeitsmarkt täglich beeinflußt. Noch aber gibt es diese Möglichkeit. Das ist ein Beispiel von vielen. Es ist dasjenige, wo vielleicht z. Z. am meisten möglich ist und wo man die Bundeswehr auch im Mark treffen kann.

Ansonsten gibt es in diesem Land nach wie vor einen bunten Strauß von Menschen, die mit der Armee ein Problem haben, die zu unterschiedlichsten Aktionsformen greifen, das ist von Sachbeschädigung über Sabotage alles Mögliche. Zielführend ist sicherlich nicht alles davon, wo es aber gelingt, Bewußtsein zu schaffen und Menschen aufzurütteln, sind diese Aktionsformen meiner Meinung nach in Ordnung, da sollte man nicht zu dogmatisch und zu starr herangehen, da würde ich für ein bißchen Flexibilität plädieren.

Ansonsten glaube ich auch, daß es für uns im schmaler werdenden, aber immer noch vorhandenen bürgerlich-demokratischen Milieu in diesem Land, also vor allem unter demokratischen Kleinbürgern, Möglichkeiten gibt, Bündnispartner zu gewinnen – auch für mehr als nur pazifistische Arbeit, schon für antimilitaristische Arbeit. Einerseits, weil es immer noch genug Menschen gibt, die in ihrer Jugend mal anderes erfahren haben als den Einheitsbrei von heute, bei denen vielleicht da noch etwas zu wecken ist. Andererseits, weil kritische junge Leute nachkommen, die teilweise auch empfänglich für weitergehende Erklärungen sind.

Wir sind weit davon entfernt, etwas zu haben, was sich Bewegung nennt, antimilitaristische Bewegung schon gar nicht, das ist völlig klar. Eine Nur-Friedensbewegung, wie ich sie vorhin skizziert habe, also kleinbürgerlich-pazifistischen Zuschnitts, gibt es auch nicht mehr. Was es noch gibt, sind einige organisatorische Rümpfe und Reste aus besseren Zeiten, die teilweise gute Politik machen und teilweise weniger gute Politik machen. Das ist sehr unterschiedlich. Ich werde das mal Punkt für Punkt durchgehen: Wer m. E. sehr gute Aktionen macht, sind Friedensbündnisse wie beispielsweise die Antimilitaristen aus Trier, die regelmäßig tätig werden; dann gibt es vor vielen deutschen Rüstungskonzernen Bürgerinitiativen oder kleinere Bündnisse, die sich dort Blockaden und Aufklärungsarbeit zum Ziel stellen. All das ist richtig und sinnvoll!

Es gibt allerdings auch aus diesen von mir vorhin erwähnten organisatorisch zugrundegegangenen, aber personell noch vorhandenen Klüngeln um diese Montagsmahnwachen durchaus noch aktivistische Teile. Sie mobilisieren immer zum US-Stützpunkt Ramstein. „US-Atombomben auf Deutschem Boden“ ist ihr Hauptkritikpunkt, der Stützpunkt soll der amerikanischen Kontrolle entzogen werden. Ich will nicht pauschal sagen, daß man dort nicht agitieren soll. Meines Wissens nehmen dort trotz allem noch immer einige tausend Menschen teil, Tendenz fallend. Aber dieser Slogan ist letztlich PR und Politikberatung für die deutsche herrschende Klasse. Denn denen wird anempfohlen, einen Kurswechsel schneller zu vollziehen, den Teile von ihnen sowieso schon längst planen. Und die werden dann genau auf diese Pseudo-Friedensbewegung zurückgreifen.

Also: Keine pseudo-geopolitischen Spielereien, keine Politikberatung für die herrschende Klasse, sondern das Praktische, was vor der Hand und vor der Tür liegt: Deutsche Rüstungsindustrie, Nachwuchsgewinnung der Bundeswehr, Ausbau der Infrastruktur der Bundesrepublik Deutschland in Vorbereitung eines großen Krieges.

Dort, wo Deutschland als aggressive Spitze auftritt, wie z. B. bei der Stationierung von Nato-Truppen in Osteuropa, überall dort kann und muß man tätig werden. Überall da, wo es letztlich darum geht, Vorschläge zu machen, wie denn das deutsche Militär effektiver Krieg führen kann und sich nicht mehr für US-Interessen oder dergleichen verheizen lassen soll, müssen die Alarmglocken klingeln. Es muß uns klar sein, daß dort Rattenfänger unterwegs sind, die versuchen, gutgläubige Leute auf die Leimspur zu schicken. Und dann müssen wir sehen, ob wir da trotzdem reingehen müssen und trotzdem noch versuchen können, Leute rauszuziehen. Das ist eine Frage der Kräfteverhältnisse. Um es mit Lenin zu sagen: In jedem Bündnis gibt es ein Pferd und einen, der es reitet.

(Applaus)