Konferenz
»Der Haupt­feind steht im eigenen Land«

Die jährlich stattfindenden Konferenzen gegen den deutschen Imperialismus sollen den politischen Austausch und die Zusammenarbeit derjenigen revolutionären Kräfte fördern und vorantreiben, die in der Arbeiter- und demokratischen Bewegung für die Linie »Der Hauptfeind steht im eigenen Land« kämpfen wollen.

Wie kriegseinsatzfähig ist die Bundeswehr?

Valerie Spielmann, Autorin

Mai 2014

Einleitende Worte

Ich vertrete heute Jörg Kronauer, der leider nicht persönlich kommen kann. Jörg ist Journalist und Autor und schreibt z.B. für german foreign policy und manchmal für die Konkret und die Junge Welt. Er hatte den Auftrag, ein Referat auszuarbeiten zu der Frage: Wie kriegseinsatzfähig ist die Bundeswehr? Ich trage das heute für ihn vor.

Dabei beginne ich mit der aktuellen Ausrüstung der Bundeswehr, gehe dann auf die deutsche bzw. europäische Rüstungsindustrie ein, um das Potential klar zu machen, und abschließend gehe ich noch genauer auf die Bereiche Kriegsroboter, Atomwaffen, Galileo und Geheimdienste ein.

1. Ausrüstung der Bundeswehr

Allgemein: Der deutsche Militäretat ist in den letzten Jahren, gemessen am Gesamthaushalt, relativ konstant geblieben, im Gegensatz zum britischen und französischen. Beide schrumpfen. Nach wie vor ist der Abstand zum US-Militäretat riesig, dessen Schrumpfen vor allem durch die Rückzüge aus dem Irak und Afghanistan bedingt ist.

Hinweis: Alle diese Zahlen sind meist nur Schätzungen, reichen aber aus, um eine grobe Größeneinschätzung machen zu können.

1.1. Heer

Land Bodenstreitkräfte Kampfpanzer Weitere gepanzerte Fahrzeuge
USA 560.000 8.300 25.800
Russland 400.000 15.500 27.600
China 800.000 9.000 4.800
Japan 150.000 750 3.000
Deutschland 60.000 400 4.300
Frankreich 130.000 400 7.300
Großbritannien 110.000 400 6.200

USA: Die Bodenstreitkräfte (2011) sollen nach aktuellen Kürzungsplänen auf 490.000 sinken, langfristig womöglich sogar auf 440.000.

1.2. Luftwaffe

Deutschland Kampfflugzeuge: aktuell werden noch Tornados eingesetzt. Die Luftwaffe dazu: »Die Auslieferung der ersten Tornados an die Bundeswehr begann im Jahr 1981 und wurde 1992 mit der Übergabe des letzten Tornado ECR abgeschlossen. Ausgeliefert wurden insgesamt 357 Luftfahrzeuge. Infolge der seit 1989 veränderten sicherheitspolitischen Lage sowie der künftigen Abdeckung des Fähigkeitsspektrums Luftangriff durch das Waffensystem Eurofighter wird die Luftwaffe den Bestand an Tornados in den nächsten Jahren auf 85 Waffensysteme reduzieren.«

Zum Eurofighter: »Die Luftwaffe beschafft mit den 140 Eurofighter ein modernes Waffensystem für den Einsatz in der Luftverteidigungs- (Luft/Luft-) und Luftangriffs- (Luft/Boden-) Rolle. Die Außerdienststellung der Waffensysteme F-4F Phantom und von Teilen der Tornado-Flotte zur Erreichung der Zielstruktur der Luftwaffe ist hierauf abgestimmt.«

80 Transportflugzeuge (Transall) reichen nicht aus, daher die Nutzung russisch-ukrainischer Antonow-Flieger (vom Flughafen Halle/Leipzig aus).

Frankreich Aktuell: Abbau auf ca. 300 Kampfflugzeuge, 100 Transportflugzeuge und 80 Hubschrauber.

USA Verfügen über knapp 200 Kampfflugzeuge für Ground Attack, 160 Strategic Bombers und mehr als 2.000 Kampfflugzeuge.

China Verfügt über 500 Bomber und 1.200 Kampfflugzeuge.

1.3. Marine

Eine grobe Einordnung der deutschen Marine im globalen Rahmen, insbesondere auch einen Vergleich mit den Marinen der USA, Frankreichs und Großbritanniens, aber auch Chinas, ermöglicht ein Text aus »MarineForum 12/2010«.

Flugzeugträger sind wichtig für weltweite Kriege, besonders, wenn man keine eigenen festen Stützpunkte in fremden Ländern hat.

USA: 11. GB: 2. F: 1. D: 0. RUS: 1. China: 1.

Wichtig hingegen für küstennahe bzw. Landungsoperationen sind Hubschrauberträger.

USA: ca. 10. GB: 1. F: 3. D: 0. RUS: 2 in Anschaffung (aus Frankreich, gerade anlässlich Ukraine-Konflikt umstritten).

Für Kampfeinsätze weit weg sind Einsatzgruppenversorger wichtig (funktionieren als logistische Basis, sozusagen als schwimmender Stützpunkt mit allem Material, was für einen Einsatz benötigt wird). Die Marine beschreibt die deutschen Einsatzgruppenversorger (»Berlin-Klasse«) so:

Einsatzgruppenversorger »Berlin«

»Der Einsatzgruppenversorger der ›Berlin‹-Klasse ist ein Versorgungsschiff der Marine, das die Aufgabe hat, Kampfschiffe einer Marine-Einsatzgruppe auf See unabhängig von einem Hafen mit den erforderlichen Nachschubgütern zu versorgen. Im Wesentlichen gehören dazu Kraftstoff und Öl, Frischwasser, Proviant, Munition und Verbrauchsgüter. Der Kraftstoffvorrat des Schiffes für den Eigenbedarf und zur Abgabe an andere Einheiten beträgt ca. 9500 Kubikmeter. Die an Bord verfügbare Frischwassermenge wird aus eigenen Frischwassererzeugern (Tagesleistung: 25 Kubikmeter) permanent ergänzt. Aus diesem Vorrat, der den Eigenverbrauch des Schiffes weit übersteigt, kann Wasser an andere Einheiten abgegeben werden. An Proviant können ca. 230 t in unterschiedlichen Stauräumen (z.B. Tiefkühllasten und Trockenproviant-Lageräumen) mitgeführt werden. Zusätzlich verfügt das Schiff an Oberdeck über Stellplätze für zwölf der üblichen seeverlastbaren Standard-20 FT-Container. Die zwei an Bord mitgeführten Hubschrauber vom Typ ›Sea King‹ MK 41, die primär für den Rettungseinsatz vorgesehen sind, können ebenfalls genutzt werden, um Versorgungsgüter auf andere Einheiten oder an Land zu transportieren.« D hat: 3. GB: 3. USA: ziemlich viele.

Exemplarischer Vergleich D-F: Fregatten: F: 22. D: 11.

U-Boote: F: 10. D: 4.

1.4. Marineinfanterie

Die Marineinfanterie wird hier extra aufgeführt, weil die Marineinfanterie längst nicht in allen Streitkräften zur Marine gehört, sondern oft auch eine eigenständige Teilstreitkraft ist, etwa in den USA.

Größenvergleich: USA: knapp über 200.000. Großbritannien: über 7.000. Frankreich: knapp 4.000. China: 12.000. Japan: plant 3.000 nach dem Vorbild der US Marines. Südkorea: knapp 30.000. Deutschland: 800.

Im Jahr 2001 berichtete »Der Spiegel« noch: »Die Bundeswehr plant eine neue Spezialtruppe für Einsätze an fernen Küsten. Generalinspekteur Harald Kujat will ein Regiment Marine-Infanterie mit rund 1.000 Soldaten aufstellen, ähnlich den ›Ledernacken‹ der US-Marines.«

Dieses sogenannte »Seebataillon« umfasst Minentaucher, Sicherungssoldaten, eine Einheit zum Entern fremder Schiffe und eine Spionagetruppe. Diese Truppe soll bereits recht kampferfahren sein – sie war z.B. bei der Atalanta-Mission vor Somalia (EU-geführt) und bei geheimdienstlichen Operationen in Afghanistan dabei. Zur Ausbildung gehören Scharfschützen-, Spreng- und Einzelkämpfertrainings. Ihre Ausrüstung ist mit schweren Waffen, gepanzerten Fahrzeugen, Unterwasserdrohnen und kleinen Flugdrohnen auf dem neuesten technischen Stand.

Neben dem »Seebataillon« gibt es seit kurzem auch noch das »Kommando Spezialkräfte Marine« (KSM). Diese Einheit besteht aus Kampfschwimmern, die auch als Taucher, Einzelkämpfer, Infanteristen, Fallschirmspringer, Sprengmeister und Bootsführer eingesetzt werden können. Diese Einheit ist für »Spezialaufträge« zuständig, z.B. für das Zerstören feindlicher Schiffe oder »Landangriffe gegen gegnerische Objekte in Küstennähe«. Für letzteres werden sie im Orts- und Häuserkampf ausgebildet. KSM soll mit dem KSK (Kommando Spezialkräfte) gekoppelt werden.

Deutschland ist hier also zahlenmäßig noch hinten dran, aber sie kommen deutlich voran. Es werden deutliche Anstrengungen unternommen, die Einheit weiterzuentwickeln.

2. Rüstungsindustrie

Allgemein zur Rüstungsindustrie: Es gibt eine große Menge an Kriegsgerät, das in Deutschland hergestellt wird. Eine Menge davon wird mehr oder weniger »national« produziert (sofern man bei der heutigen industriellen Verflechtung von »national« sprechen kann – aber der Schwerpunkt liegt dabei in Deutschland). Bei hochkomplexen Rüstungsgütern (Flugzeuge, Drohnen etc.) werden gezielt »europäische« Projekte angestrebt, genauer: vor allem deutsch-französische mit Beteiligung weiterer Staaten. Dabei lässt sich immer wieder beobachten, dass Berlin versucht, zentrale Elemente in Deutschland anzusiedeln. Das bezieht sich nicht nur auf die Firmen, sondern auch auf die Technologie bzw. technologisch entscheidende Produktionsbereiche. Das hat einerseits natürlich einen simplen ökonomischen Aspekt (Begründung oft: Arbeitsplätze), spielt aber andererseits auch für die Frage eine Rolle, wer das Kriegsgerät letztlich kontrolliert. Ob es aktuell eine Perspektive für einen nationalen Alleingang an der rüstungsindustriellen Basis geben kann, kann ich nicht wirklich beurteilen, wäre da aber erstmal deutlich skeptisch, zumindest für überschaubare Zeiträume. Die Unabhängigkeit von den USA ist allerdings das, was seit einigen Jahren systematisch angestrebt wird und vermutlich auch erreichbar ist (über die EU); in Teilen ist sie schon erreicht.

Noch was Allgemeines: Die deutschen Rüstungsexporte sind auch ein Ausdruck des Potenzials der deutschen Rüstungsindustrie. Deutschland liegt aktuell noch auf Platz drei unter den weltweiten Rüstungsexporteuren, könnte allerdings demnächst von China überholt werden. Der Vorsprung vor Großbritannien und Frankreich ist deutlich. Eine Tabelle findet sich hier: http://books.sipri.org/files/FS/SIPRIFS1403.pdf

Die Fünfjahreszeiträume sind besser als Einzeljahre, weil gerade in der Rüstung sehr starke Schwankungen entstehen können – ein U-Boot zum Beispiel kauft man nicht jedes Jahr, aber wenn man mal eins kauft, schlägt es gleich mit immensen Summen auf die Statistik; in Fünfjahreszeiträumen werden solche Schwankungen auf einen aussagekräftigeren Durchschnitt nivelliert.

Deutschland ist weltweiter Spitzenreiter bei den U-Boot-Exporten und liegt auf Platz zwei bei den Panzer-Ausfuhren.

2.1. Heer

Panzertyp Leopard 2 des Rüstungskonzerns Krauss-Maffei Wegmann

Bedeutende deutsche Konzerne (auf nationaler Ebene): Rheinmetall: Panzer aller Art, vom Kampfpanzer Leopard bis zum Spezialkräftefahrzeug Serval, Artilleriesysteme und diverse andere Schusswaffen, zum Beispiel Maschinengewehre Krauss-Maffei Wegmann: Panzer und Artilleriegeschütze Diehl Defence: Flugkörper, Raketen und Munition Heckler & Koch: Schusswaffen aller Art, besonders berüchtigt: die Sturmgewehre G3 bzw. G36

2.2. Luftwaffe

Bedeutende Konzerne (auf »europäischer« Ebene): Airbus Group bzw. deren Militärsparte Airbus Defence and Space: faktisch deutsch-französisch, Sitz: Niederlande/Frankreich; baut vor allem Transportflugzeuge wie den Airbus A400M Eurofighter: deutsch-britisch-spanisch-italienisch, seit Frankreich ausgestiegen ist, hat mit der Rafale seinen eigenen Kampfflieger, Sitz: Hallbergmoos

2.2.a. Satelliten

SAR-Lupe-Aufklärungssatellit (OHB)

OHB (Bremen): u.a. Aufklärungssatelliten (»SAR-Lupe«: fünf nationale Aufklärungssatelliten der Bundeswehr); das Erstaunliche daran: das gehört der Bundeswehr selbst, die können da also machen, was sie wollen (könnte gegebenenfalls z.B. gegen Frankreich eingesetzt werden).

Im Zusammenhang mit allem, was fliegt, muss das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erwähnt werden. Es forscht zu allem Möglichen von Flugzeugen über Satelliten bis zu Drohnen auf nationaler Basis.

2.3. Marine

Bedeutende Konzerne (auf nationaler Ebene): ThyssenKrupp Marine Systems: U-Boote, Fregatten, Korvetten, Patrouillenschiffe Lürssen (Bremen): Fregatten, Patrouillenboote

3. Kriegsroboter

Insgesamt liegen Deutschland und Europa bei den Kriegsrobotern, insbesondere auch bei den Drohnen, deutlich zurück. Im Zusammenhang mit dem Euro Hawk ist in der Industrie von einem Rückstand von zehn Jahren die Rede; das scheint durchaus plausibel, und der Rückstand gilt natürlich auch für die Einsatzerfahrung – sowas wie die ständigen US-Drohnenangriffe in Pakistan und Afghanistan ist tatsächlich von der Bundeswehr oder den Streitkräften anderer EU-Staaten nicht bekannt.

3.1. Euro Hawk

Euro Hawk in Manching

Diese Aufklärungsdrohne sollte ursprünglich die veraltenden Aufklärungsflugzeuge »Breguet Atlantic« ersetzen. Das muss, um dem aktuellen Stand der Technik zu entsprechen, mit einer Drohne bewerkstelligt werden. Ursprünglicher Plan war ein Gemeinschaftsprojekt mit Northrop Grumman (USA), dem Konzern, der die von den US-Streitkräften genutzte Aufklärungsdrohne Global Hawk herstellt.

Dieser Global Hawk wird auch von der NATO eingesetzt.

Geplantes (deutsch-europäisches) Konzept: US-Drohne kaufen, aber mit »europäischer« Aufklärungstechnologie ausstatten, die von EADS (das ist wenigstens europäisch, wenn es schon nicht national ist) hergestellt wird (das System heißt »Isis« und ist halbwegs, aber noch nicht abschließend getestet). Offiziell wird das Ganze als Gemeinschaftsprojekt verkauft. Wahrscheinlich hat die Aufteilung aber schlicht damit zu tun, dass Berlin eine Technologie haben will, auf die Washington wirklich keinen Zugriff beim Einsatz hat. Letzteres ist ja bei US-Produkten der Fall.

Die Frage ist, ob die Hakeleien darum mit der Weigerung der USA zu tun haben, die Baupläne mitzuliefern; allerdings wäre das auch nicht unüblich (die rücken ihre technologischen Details natürlich nicht freiwillig raus). Nebenbei: Es geht um ein »europäisches« Projekt, kein rein deutsches. Eine europäische Eigenständigkeit ist hier nicht gegeben.

Ich stelle euch jetzt eine kurze Chronologie der Euro-Hawk-Geschichte vor, um zu verdeutlichen, dass es sich um ein langfristig und intensiv geplantes Projekt handelt.

Breguet Atlantic ist nicht mehr der neueste Stand der Technik (1998), kann vieles nicht, was moderne Drohnen können. Der »große Überblick« fehlt.

USA 1998: Global Hawk wird gestartet. Leistungsfähigste HALE-Drohne zu diesem Zeitpunkt (hochfliegende Luftfahrzeuge mit langer Einsatzdauer).

Um diese Fähigkeitslücke gegenüber den USA zu schließen, sollen hier HALE-Drohnen angeschafft werden.

November 1999: Die USA laden Beobachter der Bundeswehr zum Testflug ein. Dieser Termin wird wegen »Softwareproblemen« abgesagt.

Juni 2000: Weitere Einladung nebst Angebot, Deutsche bei der Entwicklung mitreden zu lassen. Plan der Bundeswehr: Flugzeug kaufen, die Überwachungstechnik soll von EADS kommen. (Ergebnisse der Breguet Atlantic mussten an die USA übergeben werden, da die Überwachungstechnik von einem amerikanischen Unternehmen kam und damit den USA gehört.)

Euro Hawk soll allein der Bundeswehr dienen.

Probleme von Anfang an bekannt: Zulassung für diverse Lufträume (es fehlt das System, das vor Zusammenstößen in der Luft warnt), Nutzlast niedriger als benötigt, elektrische Leistung der Generatoren zu gering, Antenne des europäischen Radars zu lang, passt also nicht rein. Außerdem: Deutschland verfügt über keine Satelliten oder Flugzeuge, die als Funkrelais zur Steuerung der Drohnen über weite Entfernungen nötig wären. Bisher sind die Drohnen nur 500 km vom Standort erreichbar (Global Hawk: 25.000 km).

Trotzdem drängt das Verteidigungsministerium auf den Kauf von mindestens 4 Drohnen – die Probleme seien in der Zukunft lösbar.

Weitere Probleme treten auf, z.B. die sehr kleine Steigrate der Maschine, die dadurch schwierig im europäischen Raum überhaupt einzusetzen ist.

Eine Alternative wird von EADS und Dornier angeboten (2002): zur Not könnte auch ein Business-Jet umgerüstet werden.

Das findet das Verteidigungsministerium nicht so toll und ordert einen Testflug des US-Geräts in Deutschland. Das wiederum passt den Amerikanern wegen des Afghanistan-Kriegs nicht so gut in den Terminkalender. Der Test findet im Oktober 2003 statt.

Angebote werden durch EADS und Northrop Grumman eingereicht und liegen Anfang 2005 vor. Eine Preisabschätzung ist wegen unzureichender Angebote nicht möglich.

Die Deutschen erhalten keinen Zugang zu Produktionsstätten und Bauplänen. Problem: Ohne diese Informationen kann man nicht entscheiden, ob das Gerät zugelassen werden kann. Auch Nachfragen werden abgeblockt, ständige Weiterentwicklung der Maschine macht das ganze noch verwirrender Preis steigt immer weiter

2005 wird Euro Hawk GmbH (in Immenstaad) gegründet. Gesellschafter sind EADS und Northrop Grumman, Zulassungsfragen immer noch ungeklärt.

2007: Mit Zustimmung des Bundestags schließt die Bundeswehr einen Vertrag mit der EuroHawk GmbH, die eine Testdrohne bauen und mit der Sensor-Technik bestücken soll.

2008: Zulassungsstelle: Software ist ein Alptraum (Änderungen häufig und nicht dokumentiert), Pläne immer noch nicht für Zulassung vorhanden

2010: Euro Hawk kann ersten Flug starten; bei zweitem Testflug muss die Drohne notlanden.

2011: Probleme bei der Überführung: Militärbehörden wollen den Euro Hawk nicht durch den amerikanischen Luftraum fliegen lassen. Deutschland muss für Sicherheit bürgen; immer noch keine dauerhafte Zulassung für europäischen Luftraum (vorläufige Erlaubnis erteilt).

Im gleichen Jahr stürzen mehrere Global Hawks ab.

Kosten steigen weiter; Zulassung soll plötzlich 100 Mio. mehr kosten (insgesamt: ca. 450 Mio.).

Anfang 2012: Kostenexplosion: noch mal eine halbe Milliarde mehr; Vorschlag: Ausnahmezulassung für den Kriegsfall; scheitert.

De Mazière wird informiert, bricht aber nicht ab – die Probleme seien lösbar. Anfang 2013 wird klar: Es gibt keine gangbaren Alternativen für die Zulassung. Man will aus dem Projekt aussteigen. Der Prototyp der Euro Hawk soll bis September mit dem Aufklärungs-System ISIS getestet werden.

Möglicher Neustart: Alternativen für die Verwendung der ISIS-Sensorik sind noch teurer oder nicht leistungsfähig genug. ISIS selbst ist aber auch noch nicht einsatzbereit (noch nicht zu ende getestet). Kann man den Globalhawk Block 40 (neuere Variante als EH) als Alternative zu Eurohawk einplanen? Eine eigenständige europäische Entwicklung soll eventuell verwirklicht werden.

Politisch bleibt die spannendste Frage – so ganz mag man ja die Unfähigkeits-Hypothese nicht glauben, obwohl die Inkompetenz in der Bundeswehr wohl nicht zu unterschätzen ist –, inwieweit die Streitigkeiten um Zulassung etc. mit dem Streit um die echte technologische Eigenständigkeit der deutsch-europäischen Aufklärungsdrohne zu tun haben – im Sinne nicht mehr vorhandener Kontroll-/Eingriffsmöglichkeiten der USA, die die USA natürlich nicht kampflos preisgeben. (Hier kam im Zusammenhang mit der NSA-Affäre raus, dass es da alle nur denkbaren Möglichkeiten zumindest zum Mithören in irgendeiner Form in eigentlich allen Bereichen gibt.)

3.2. Kampfdrohnen

Es gibt verschiedene Arten von Drohnen: z.B. fliegende Drohnen, Unterwasserdrohnen, Minenentschärferdrohnen. Aktueller Stand (auch hier geht es um ein »europäisches« Projekt, nicht um ein rein deutsches): Mit unbewaffneten Drohnen kann man zwar beobachten, dann aber nicht bei Bedarf eingreifen.

Frankreich, die Niederlande, Polen, Spanien, Italien, Griechenland und Deutschland haben sich auf die Herstellung von Kampfdrohnen durch europäische Rüstungskonzerne geeinigt. Diese sollen zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt werden können, z.B. Flüchtlingsabwehr im Mittelmeer und Militärschläge. Es sollen MALE-Drohnen (Medium Altitude Long Endurance – mittlere Höhe und lange Reichweite) gebaut werden. Perspektive zeitlich: 2020. Damit fällt die Beschaffung von Drohnen nicht mehr in die jetzige Legislaturperiode.

Der Kauf von israelischen oder amerikanischen Drohnen wird zurückgestellt zugunsten des europäischen Drohnenprojekts. Darin drückt sich das Streben nach einer eigenständigen rüstungsindustriellen Basis für europäische Kriege ohne Abhängigkeiten aus.

Die Planung und Produktion von Kampfdrohnen zeigt Rivalitäten in Europa auf: Dassault (Frankreich) testet die Tarnkappen-Kampfdrohne »Neuron« (Entwicklung zusammen mit Spanien, Italien, Griechenland, Schweden, Schweiz); außerdem zusammen mit BAE Systems (Großbritannien) die Tarnkappendrohne »Telemos«, die bis 2018 einsatzfähig sein soll.

Dagegen wird von deutscher Seite gesetzt: das überwiegend deutsch-französische Projekt FEMALE (Future European Medium Altitude Long Endurance). Beteiligte Unternehmen: Dassault und EADS und Finmeccanica (Italien).

Interessant hier: Man kann gut sehen, wie zentrale Teile in Deutschland angesiedelt werden, in diesem Fall beim »Bavarian International Campus Aerospace and Security«. An diesem Projekt BICAS beteiligt sind EADS, IABG, Siemens, DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt), TU und FH München, »Bauhaus Luftfahrt« und die Bunderwehr-Universität München. Dort sollen unter anderem Kampfdrohnen und zivile Sicherheitstechnik erforscht und dadurch auch der wissenschaftliche Nachwuchs rekrutiert sowie die einschlägigen Fachkräfte weitergebildet werden. Es sollen dort auch neue High-Tech-Unternehmen gegründet und angesiedelt werden. Im Zentrum steht aber Entwicklung von UCAV (Unmanned Combat aerial Vehicles). Diese stünden bei den Streitkräften im Fokus, es werden durchsetzungsstarke und hochautomatisierte Kampfdrohnen benötigt, so Major Simon Reichelt vom Kommando Luftwaffe.

Stolz ist man beim BICAS vor allem auf den Standort. Dieser sei, so Thomas Enders (Vorstandsvorsitzender von EADS) »einer der traditionsreichsten Hochtechnologie-Standorte Deutschlands«. Erbe der NS-Zeit: Dort wurden für den Messerschmidt-Konzern Triebwerke für Kampfflugzeuge entwickelt. Bauarbeiten wurden von Häftlingen des KZ Dachau durchgeführt.

4. Atomwaffen

Karl Lamers und Friedbert Pflüger verbreiten am 6. Mai 1996 eine Erklärung, in welcher der BRD als »nuklearer Schwellenmacht« ein besonderer internationaler Status zugeschrieben wird. Die Bundesrepublik, heißt es, habe 1990 zwar ihren Verzicht auf ABC-Waffen bekräftigt, verfüge aber im Hinblick auf ihren nuklearen Status über eine besondere Qualität: »Als hochindustrieller Staat, der jederzeit technisch in der Lage ist, diese Waffensysteme zu entwickeln, nimmt sie eine wichtige Mittlerrolle zwischen den Atomwaffen- und Nicht-Kernwaffenstaaten ein.«

Know-How ist vorhanden: Bundesdeutsches Know-How und auch Geräte zum Bau von Atombomben wurden unter anderem an Brasilien, Südafrika, Pakistan geliefert.

Man muss davon ausgehen, dass das komplette Know-How da ist.

Das benötigte Material ist im Zweifelsfall wohl greifbar: Der Forschungsreaktor München II (Garching) nutzt hochangereichertes Uran, das atomwaffentauglich ist. Jährlich werden 40 kg Uran verwendet; die Hälfte reicht für den Bau einer Hiroshima-Atombombe. Der Reaktor sollte eigentlich bis 2010 auf nicht-atomwaffentaugliches Uran umstellen. Das ist allerdings bisher nicht geschehen.

5. Galileo

»Europäisches GPS«.

Ohne GPS (oder künftig eben einen EU-Ersatz) geht heute nichts mehr. Manche würden sich ohne Navi wahrscheinlich schon auf dem Weg in den Urlaub verfahren, und das gilt erst recht für militärische Abenteuerreisen oder gar Kampfflieger und Raketen. Eigenständigkeit gegenüber den USA ist daher nur durch den Aufbau eines eigenen Produkts möglich. Es handelt sich dabei um ein EU-Projekt; ein nationales ist nicht in Sicht.

Das System sollte bereits 2008 an den Start gehen, jetzt ist ein Teilbetrieb ab kommendem Jahr geplant. Ab 2020 sollen 30 Satelliten ins All gebracht und einsatzfähig sein (bislang gibt es 6).

So einfach ist das!

Eine recht deutliche offizielle Beschreibung der Ziele und der deutschen Rolle gibt es auf der Homepage des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/UI/galileo-das-europaeische-satellitennavigationssystem.html). Ein paar Zitate daraus:

»Mit Galileo soll die Unabhängigkeit der (EU) auf dem Feld der Satellitennavigation von anderen bestehenden oder sich ebenfalls im Aufbau befindlichen, national kontrollierten Systemen erreicht werden, insbesondere von GPS (Global Positioning System – USA), GLONASS (Globalnaja Nawigazionnaja Sputnikowaja Sistema – Russische Föderation) und Compass (China). Galileo ist zwar mit GPS kompatibel und interoperabel, garantiert aber eine eigenständige und zuverlässige Nutzbarkeit.«

»Die Bundesregierung hat sich von Anfang an stark für eine angemessene Beteiligung deutscher Unternehmen engagiert und den größten finanziellen Beitrag zum Projekt geleistet. Dieses Engagement zahlt sich aus: Der größte Anteil an der Systementwicklung – Entwicklung und Bau der ersten vier Satelliten und der erforderlichen Bodenstationen – wird von der deutschen Raumfahrtindustrie übernommen. Hauptauftragnehmerin für die ersten vier Galileo-Satelliten ist die Astrium GmbH (München). In der Phase des Systemsaufbaus spielt die deutsche Raumfahrtindustrie ebenfalls eine zentrale Rolle. In einem europaweitem Wettbewerblichen Dialog haben sich zwei Unternehmen aus Deutschland für den Bau der Galileo-Satelliten qualifizieren können: Sowohl mit der OHB System AG (Bremen) als auch mit der Astrium GmbH (München) wurden Rahmenverträge über die Lieferung von Satelliten geschlossen. Nach dem ersten Auftrag im Januar 2010 über den Bau von 14 Satelliten mit einem Volumen von 566 Millionen Euro erhielt OHB im Februar 2012 einen zweiten Auftrag über den Bau von weiteren 8 Satelliten zu einem Wert von rund 250 Millionen Euro. Auch bei der Steuerung des Systems ist Deutschland maßgeblich beteiligt: Oberpfaffenhofen ist neben dem italienischen Fucino als Standort für eines der beiden Bodenkontrollzentren für die Satelliten bestimmt worden. Am 25.10.2010 wurde ein Rahmenvertrag für den Betrieb der beiden Kontrollzentren mit Spaceopal – das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt über eine Tochtergesellschaft und die italienische Telespazio S.p.A. sind jeweils zu 50% beteiligt – unterzeichnet. Der Vertrag mit einer Laufzeit bis 2016 hat ein Volumen von 194 Millionen Euro.«

Deutlich drückt sich auch die Nachwuchs-Website des DLR (Forschungseinrichtung des Bundes) aus (http://www.dlr.de/next/desktopdefault.aspx/tabid-6804/11164_read-25462):

»Eine wichtige Frage sollte vielleicht direkt am Anfang geklärt werden: Warum – so werden sich viele fragen – muss es ein weiteres Satelliten-Navigationssystem geben, wenn man mit dem bekannten GPS heute doch schon so wunderbar navigieren kann? Die Antwort: Das GPS-System wird von der Regierung der USA betrieben und wurde ursprünglich für militärische Zwecke entwickelt. Zwar gibt es seit einigen Jahren auch eine öffentliche Nutzung. Aber die Europäer hatten den Wunsch, selbst ein eigenes ziviles Satellitensystem zu entwickeln, um möglichst unabhängig zu sein. Unter anderem auch deshalb, weil die US-Regierung ihr GPS-System im Krisenfall jederzeit einschränken oder seine Genauigkeit verschlechtern, das System also möglicherweise künstlich ›verdummen‹ könnte.«

Spannende Frage, sowohl politisch als auch technologisch (beides lässt sich hier nicht trennen): Was bedeutet die Übereinkunft zwischen EU und USA von 2004 bezüglich Galileo/GPS, die hier (http://www.bits.de/public/articles/flugleiter.htm) beschrieben wird? »Die Europäer haben in der Frequenzfrage nachgegeben. Der europäische öffentliche Service sollte sich ursprünglich mit dem verschlüsselten militärischen Code des US-amerikanischen GPS überschneiden. So wollten die Europäer sicherstellen, dass automatisch das amerikanische System gestört würde, wenn die Amerikaner Galileo abschalten oder verändern würden. Doch dies führte zum Eklat, bereits im vorigen Jahr gaben die Europäer nach und damit die Garantie für ihre Unabhängigkeit auf. Die Investitionen in Galileo wurden aber ursprünglich einmal damit begründet, dass Galileo die Autonomie der Europäer ohne jegliche Einschränkung garantieren würde. Diese Behauptung ist durch den Vertrag nicht gedeckt. … Ein Hintertürchen haben sich die Europäer erkämpft. Die USA haben kein Vetorecht, wenn die Europäer aus technischen Gründen in Zukunft doch andere Frequenzen nutzen wollen als die, über die man sich jetzt im Vertrag geeinigt hat. Theoretisch könnten die Europäer nun ihre ursprünglichen Pläne wahr machen und Galileo doch auf den M-Code der Amerikaner legen.«

6. Geheimdienste

Kein Krieg ohne geheimdienstliche Tätigkeiten. Aktuell dabei: die dominante Rolle der NSA, die seit letztem Sommer allgemein bekannt ist. Berlin hat jetzt mit Absetzbewegungen begonnen und mit Plänen, die deutschen/europäischen Dienste zu stärken, eventuell ohne Großbritannien (»Schengen-Variante«).

Ein europäisches oder nationales Netz sei nötig, um die technologische Souveränität zu wahren, für den Fall, dass die NSA den deutschen Geheimdiensten keinen Einblick mehr in die elektronische Kommunikation gewähren. Deswegen auch Vorratsdatenspeicherung. Ziel ist es nun, »so schnell wie möglich entsprechende europäische Unternehmen damit [zu] beschäftig[en] […], [um] diese Fähigkeiten aufzubauen.« Die Sicherheitswirtschaft ist in Deutschland sehr schwach (Aufträge gehen meist an die USA oder Frankreich). Der Rückstand in der Technik ist auf nationaler Ebene nicht so schnell wieder wettzumachen, daher ein europäisches Projekt nötig. Möglichkeiten sind ein deutsches Internet oder ein »Schengen«-Netz (EU ohne Großbritannien, welches zu viel mit USA zu tun hat). Dann wäre es schwerer für ausländische Geheimdienste, an deutsche Daten zu kommen, derweil deutscher Zugriff auf Daten gewährleistet wäre.

Fazit

Im europäischen Raum kann Deutschland mithalten, mit den USA bei weitem nicht.

Für einen nationalen Alleingang ist man noch nicht bereit, der Ist-Stand ist nicht übermäßig beeindruckend. Das Potential ist aber da, wie man anhand der Exportzahlen abschätzen kann.

Solange Galileo nicht ganz fertig ist, wird es nichts mit dem nationalen Krieg, zumindest nicht, wenn es gegen die Interessen der USA ist.