Konferenz
»Der Haupt­feind steht im eigenen Land«

Die jährlich stattfindenden Konferenzen gegen den deutschen Imperialismus sollen den politischen Austausch und die Zusammenarbeit derjenigen revolutionären Kräfte fördern und vorantreiben, die in der Arbeiter- und demokratischen Bewegung für die Linie »Der Hauptfeind steht im eigenen Land« kämpfen wollen.

Deutsche Kriegsfronten

Jörg Kronauer, german-foreign-policy.com

Mai/November 2012

Zum aktuellen Zeitpunkt – Stand: Anfang November 2012 – sind Soldaten der Bundeswehr in neun Staaten auf drei Kontinenten stationiert. Ihre genaue Anzahl schwankt ein wenig; das liegt an den stets variierenden Detailerfordernissen der jeweiligen Interventionen, an Kontingentwechseln und Ähnlichem. Gegenwärtig sind etwas über 6.500 deutsche Soldaten im Einsatz. Damit unterhält die BRD eines der stärksten nationalen Kontingente im Ausland überhaupt.

Afghanistan

Der Schwerpunkt des deutschen Afghanistan-Einsatzes liegt selbstverständlich bei der ISAF, zu der die Bundesrepublik zur Zeit rund 4.600 Soldaten beiträgt. Deutsches Schwerpunktgebiet ist dabei der Norden Afghanistans, Hauptzentren sind die Städte Mazar-e-Sharif und Kunduz. Daneben sind einzelne deutsche Militärs zur UNAMA abgeordnet, der UN-Mission in Afghanistan. Dabei handelt es sich aber nur um eine äußerst geringe Anzahl.

Der Afghanistan-Einsatz ist seit einiger Zeit im Rückbau begriffen; der Großteil der deutschen Truppen soll – wie auch die meisten Einheiten aus anderen Staaten – Ende 2014 aus dem Land abgezogen sein. Hintergrund ist, dass die Intervention immer noch riesige Summen verschlingt und die an ihr beteiligten Staaten diese Mittel nicht dauerhaft aufbringen wollen, zumal sich inzwischen andere politisch-militärische Prioritäten aufdrängen – ganz besonders die Rivalität mit der immer weiter erstarkenden Volksrepublik China. Da der Westen zumindest offiziell den Anspruch erhebt, in den 13 Jahren seiner Besatzung etwas erreicht zu haben und Afghanistan nicht im Chaos zurückzulassen, laufen schon seit längerem die Vorbereitungen für die Übergabe des Landes an den afghanischen Staat und an seine Streitkräfte. In Teilen des Landes ist dieser Prozess inzwischen zumindest formal verwirklicht worden; die Kampfhandlungen werden in zunehmendem Maße von afghanischen Truppen durchgeführt, wenn auch oft noch unter westlicher Führung. Intensiv laufen Maßnahmen zur Ausbildung afghanischer Soldaten, um die »Übergabe in Verantwortung« – so lautet der offizielle Terminus dafür, dass die einheimischen Militärs in den Krieg gegen Aufständische am Hindukusch geschickt werden – zu sichern.

Die Reduzierung der westlichen Besatzungskontingente hat inzwischen begonnen. Einzelne Staaten preschen vor und kündigen – wie etwa Frankreich – an, ihre Truppen sogar schon bis Ende 2012 abzuziehen. Gewöhnlich sind damit nur die Kampftruppen gemeint; dennoch ist die Entwicklung mittlerweile klar erkennbar. Überlegungen werden angestellt, wie man den geregelten Rückzug aus Afghanistan gewährleisten kann, ohne in späten Phasen, wenn die Zahl der eigenen Kampftruppen schon deutlich verringert ist, durch Angriffe von Aufständischen in eine heillose Flucht gedrängt zu werden. Die zunehmenden Attacken afghanischer Soldaten, die mit NATO-Truppen kooperieren, dann aber plötzlich die Waffe gegen diese wenden und westliche Militärs erschießen, bereiten den westlichen Kommandozentralen erhebliche Sorgen. Es wird längst auch darüber nachgedacht, was mit afghanischen Zivilisten geschehen soll, die die westlichen Truppen unterstützen – etwa als Dolmetscher und Übersetzer. Klar ist, dass sie nach dem Rückzug des Westens als »Kollaborateure« großer Gefahr ausgesetzt sind. Planungen in der Bundeswehr laufen darauf hinaus, zumindest besonders gefährdete Kooperationspartner beim Abzug nach Deutschland mitzunehmen, sollten sie in Afghanistan bedroht werden.

Um die politischen Aspekte zu regeln, ist am 16. Mai in Berlin ein »Partnerschaftsabkommen« zwischen Deutschland und Afghanistan unterzeichnet worden, das »Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Islamischen Republik Afghanistan über die bilaterale Zusammenarbeit«. Die einleitenden Phrasen muten hinsichtlich der westlichen Besatzungspraxis beinahe zynisch an. So werde der Vertrag, heißt es, unterzeichnet »in Bekräftigung des Geistes der bestehenden langjährigen freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Islamischen Republik Afghanistan, getragen von gegenseitiger Achtung der nationalen Souveränität und territorialen Integrität«. Die historische Perspektive allerdings bleibt gewahrt; so erfolgt die beiderseitige Unterzeichnung »eingedenk des Freundschaftsvertrags vom 3. März 1926 zwischen Deutschland und Afghanistan«. Berlin gewährt in dem Abkommen die weitere Ausbildung für afghanische Soldaten, allerdings wohl vorzugsweise – aus Sicherheitsgründen – in Deutschland: »Militärische Ausbildungshilfe umfasst die Ausbildung von Mitgliedern der afghanischen Streitkräfte in Einrichtungen der Bundeswehr in der Bundesrepublik Deutschland.« Neben Ankündigungen über die wissenschaftliche und die kulturelle Kooperation finden sich auch Passagen über wirtschaftliche Zusammenarbeit: »Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland wird ihre Beratung der afghanischen Seite in Wirtschafts- und Rohstofffragen im Rahmen der afghanisch-deutschen Entwicklungszusammenarbeit fortsetzen und erforderlichenfalls im Rahmen weiterer Formen der Zusammenarbeit fortentwickeln.« Was von alledem nach 2014 wirklich Bestand haben wird, muss sich allerdings erst zeigen.

Eines allerdings ist klar: Der Westen plant keinen hundertprozentigen Abzug; das ist, wenn man so will, die Lehre aus dem Afghanistan-Krieg der 1980er Jahre. Im damaligen Krieg hatte der Westen die afghanischen Mujahedin unterstützt – vor allem rückständige ländliche Kräfte, die mit Hilfe oft saudischer Islamisten die prosowjetische Regierung in Kabul und die sowjetische Armee bekämpften. Zu den Verbündeten des Westens gehörten Kreise um den Saudi Usama bin Ladin, der am Hindukusch als Kontaktperson des saudischen Geheimdienstes die Verteilung von Geldern an die Mujahedin koordinierte und in dieser Funktion auch mit dem Westen in Verbindung stand. Nach dem Abzug der sowjetischen Armee und dem Sieg über die Regierung in Kabul liefen die Kreise um Usama bin Ladin aus westlicher Sicht aus dem Ruder: Sie nahmen den Kampf vor allem gegen die Vereinigten Staaten auf. Aus westlicher Sicht machte dies – und nicht die beispiellose Brutalität des afghanischen Bürgerkriegs in den 1990er Jahren, für die sich im Westen niemand interessierte – dann schließlich die Intervention des Jahres 2001 in Afghanistan notwendig. Insofern müsse man heute die Fehler der 1990er Jahre vermeiden und antiwestliche Kräfte am Hindukusch dauerhaft unter Kontrolle behalten, heißt es in den westlichen Regierungszentralen. Das bedeutet: Man strebt eine dauerhafte militärische Präsenz an, mit relativ geringem Personalaufwand, aber schlagkräftig.

Das entsprechende Konzept lautet: Man wird einige Militärstützpunkte in Afghanistan auf Dauer behalten. Es ist noch nicht ganz klar, welche es sein und welche Rolle die Deutschen dabei spielen werden; dass es eine deutsche Beteiligung geben wird, hat Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière bereits in Aussicht gestellt. Von diesen Stützpunkten aus sollen Aufständische, die sich gegen den Westen wenden, bekämpft werden – mit Spezialkräften, aber auch mit Drohnen. Der Drohnenkrieg spielt ohnehin eine immer wichtigere Rolle, vor allem in den Grenzregionen Pakistans, eines Landes, mit dem sich der Westen offiziell überhaupt nicht im Krieg befindet. Die Obama-Administration hat die Drohnenangriffe auf tatsächliche oder angebliche Aufständische dort gewaltig ausgeweitet. Bei den Drohnenangriffen kommen regelmäßig zahlreiche Zivilisten zu Tode. Genaue Opferzahlen gibt es nicht; Schätzungen kritischer NGOs aus den USA und Pakistan, die sich systematisch mit dem Drohnenkrieg befassen, belaufen sich auf Zahlen zwischen 1.700 und 2.700 zivilen Toten seit dem Jahr 2004; allein zwischen Januar und September 2010 sind den Drohnen laut pakistanischen NGOs bei 66 Angriffen 515 Menschen zum Opfer gefallen, wohl zum größten Teil ebenfalls Zivilisten. Drohnenangriffe haben aus westlicher Sicht große Vorteile: Sie riskieren kein eigenes Menschenleben und sind überaus flexibel.

Militärstrategisch handelt es sich bei dem Übergang vom Besatzungskrieg zur Nutzung einzelner Militärstützpunkte um einen Übergang von »Counterinsurgency« zu »Counterterrorism«. »Counterinsurgency« war die Aufstandsbekämpfung am Hindukusch, die zuletzt unter dem Motto »Clear, hold and build« betrieben wurde. »Clear« meint dabei die Niederwerfung und Vertreibung des Feindes in einem bestimmten Gebiet, »hold« die Erlangung dauerhafter Kontrolle und »build« den Aufbau von Infrastruktur, um die Bevölkerung für sich zu gewinnen. Das Konzept knüpft an koloniale Herrschaftstechniken an, mit denen schon im 19. Jahrhundert Kolonialkriege geführt wurden und die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weiterentwickelt wurden, vor allem in Algerien und in Vietnam. Wie sich nun herausstellt, sind derlei koloniale Herrschaftstechniken in Afghanistan genausowenig auf Dauer praktikabel wie in früheren Kolonien; daher geht der Westen nun zum simplen »counterterrorism« über, zur »Terror-Bekämpfung« mittels der berüchtigten nächtlichen Überfälle auf Dörfer und mittels Drohnenattacken, um feindliche Kräfte schlicht zu töten – unter Inkaufnahme der üblichen zivilen »Kollateralschäden«.

Aufschlussreich für das Denken, das hinter solchen Strategien steht, ist ein Beitrag, den Ralph Peters, ein Oberstleutnant der US-Streitkräfte im Ruhestand und prominenter Militär-Publizist, in der renommierten US-Militärzeitschrift Joint Force Quarterly im Herbst veröffentlicht hat. Darin heißt es: »Afghanistan ist nur ein wertloses Stück Dreck. Auf Afghanistan kommt es nicht an. Auf Al Qaida kommt es an. In geringerem Maße kommt es auf die Hardliner unter den Taliban an. Auf Pakistan kommt es an. Anstatt zu versuchen, die Regierungsgewalt zu fördern, konzentriert euch darauf, die Provinzen für die extremsten Kräfte unter den Taliban unregierbar zu machen. Erlaubt Afghanistan, weiter zu zerfallen, wenn das sein Schicksal ist. Wir sollten ausschließlich darauf zielen, den Feind zu vernichten.«

Westliche Militärstützpunkte in Afghanistan – wie übrigens auch der Bundeswehr-Stützpunkt im usbekischen Termez, für den Berlin zur Zeit 16 Millionen Euro jährlich zahlt – sind nicht nur nützlich, um antiwestliche Kräfte am Hindukusch zu bekämpfen. Sie schaffen auch geostrategische Pluspunkte in der internationalen Mächtekonkurrenz. Afghanistan liegt in vielerlei Hinsicht sehr günstig. Es grenzt an Iran und bietet die Möglichkeit, Teheran nicht nur aus dem Westen – den arabischen Golfdiktaturen – zu bedrohen, sondern auch aus dem Osten. Afghanistan grenzt zudem an die ressourcenreichen Länder des Kaspischen Beckens und liegt unweit der Südflanke Russlands; dies schafft Machtvorteile, auch wenn gerade in den angelsächsischen Ländern manche die Auffassung vertreten, Russland sei eine absteigende Macht und müsse weltpolitisch nicht mehr besonders berücksichtigt werden. Vor allem aber grenzt Afghanistan an die Volksrepublik China; islamistisch-terroristische Strukturen in dem Land haben immer wieder Kontakte zu uigurischen Terroristen unterhalten, die das Autonome Gebiet Xinjiang im Westen Chinas aus der Volksrepublik lösen und es perspektivisch in ein »Groß-Turkestan« eingliedern wollen, das von der Türkei über Zentralasien bis nach Westchina reichen könnte. Ist Letzteres auch ein Phantasiegebilde, so reicht die Sprengkraft des islamistisch-uigurischen Separatismus doch aus, um dem chinesischen Rivalen auf absehbare Zeit spürbaren Schaden zuzufügen.

Kosovo

Vom Personal her ist der Kosovo-Einsatz mit (Stand: Anfang November 2012) gut 1.250 deutschen Soldaten der zweitgrößte der Bundesrepublik; er ist der letzte in Südosteuropa, seit die Bundeswehr aus Bosnien-Herzegowina abgezogen ist. Auch der Kosovo-Einsatz ist im Prinzip in Abwicklung: Er kostet teures Geld, obwohl die politischen Ziele, die Berlin mit ihm verfolgte, inzwischen erreicht sind.

Was die Kriege im ehemaligen Jugoslawien bewirkt haben, zeigt ein simpler Blick auf Landkarten von 1990 und von 2012. Jugoslawien, 1990 noch ein großer und wirtschaftlich keineswegs schwacher Staat, war in Südosteuropa ein eigenständiger Machtfaktor, ganz wie übrigens etwas weiter nördlich auch die Tschechoslowakei – beide Staaten waren nach dem Ersten Weltkrieg auch als Gegengewicht gegen eine erneute deutsche Expansion nach Ost- und Südosteuropa geschaffen worden und stark genug, um diese Rolle zumindest in einem gewissen Maße auch gegen Ende des 20. Jahrhunderts zu spielen. Die Zerschlagung Jugoslawiens per Krieg, zu der die Bundesrepublik ganz zentrale Anstöße gab – nicht umsonst sind im heutigen Kroatien diverse Straßen und Plätze nach dem Bonner Außenminister Hans-Dietrich Genscher benannt –, machte dies ebenso wie die – immerhinh friedliche – Auflösung der Tschechoslowakei unmöglich. Konnten die aus dem Zerfall Jugoslawiens hervorgegangenen Kleinstaaten der ökonomisch und politisch nach Südosteuropa expandierenden deutschen Hegemonialmacht nichts mehr entgegensetzen, so machte sich Deutschland nach der Abspaltung Sloweniens, Kroatien, Bosnien-Herzegowinas und Mazedoniens auch noch für die Abspaltung Montenegros und des Kosovo von Serbien stark. Belgrad gilt in Berlin bis heute als historisches Zentrum »antideutscher« Bestrebungen in Südosteuropa; seine Schwächephase wurde gnadenlos genutzt, um seinen Einfluss so weit wie möglich zu reduzieren. Mit der – völkerrechtswidrigen und nicht einmal von allen EU-Staaten anerkannten – Abspaltung des Kosovo im Jahr 2008 kam dieser Prozess zum Ende; seitdem gilt auch der Kosovo-Einsatz in Berlin als einer, der nur Kosten verursacht und daher perspektivisch abgewickelt werden muss.

Zurücklassen werden die deutschen Truppen neben zahlreichen anderen Kriegsfolgen auch das Regime der Mafiabande UÇK. Die UÇK, eine auf rückständigen Clanstrukturen basierende Gang, hatte in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre mit allem gedealt, womit offiziell nicht gehandelt werden darf – von Drogen über Waffen bis hin zu Menschen, insbesondere Frauen. Sie befand sich daher in heftigen Auseinandersetzungen mit dem jugoslawischen Staat, war bewaffnet und bot sich dem Westen als Bodentruppe gegen Belgrad an, was die Bundesrepublik und die USA dankbar annahmen. Den gemeinsamen Krieg – die NATO stellte die Luftwaffe – gewann man, die UÇK wurde zur maßgeblichen Kraft in der südserbischen Sezessionsprovinz. Bandenchef war damals schon Hashim Thaçi, mit dem Joseph Fischer und andere 1999 in Rambouillet verhandelten. Thaçi spielte nach dem Krieg eine wichtige Rolle; heute amtiert er als Ministerpräsident des Kosovo. Mit ihm und seinem Umfeld ist praktisch die Mafia zur Staatsspitze mutiert; noch heute beklagen sich immer wieder unterschiedlichste Politiker und Institutionen, man bekomme die Organisierte Kriminalität im Kosovo nicht in den Griff – wie sollte man auch, nachdem man sie im Kosovo an die Macht gebracht hat.

Die desolate gesellschaftliche Lage im Kosovo – die Wirtschaft ist völlig ruiniert, mafiöse Clans dominieren in weiten Teilen der Provinz den Alltag, Roma werden verfolgt – wird im Westen kaum beachtet, schon gar nicht mehr, seit die Sezession vollzogen und damit die Schwächung Serbiens fast auf die Spitze getrieben worden ist (allenfalls die Voivodina könnte man auf lange Sicht noch Ungarn zuschlagen). Inzwischen dringen manche Regierungsberater darauf, dem südöstlichen Teil des ehemaligen Jugoslawien wieder stärkere Aufmerksamkeit zu widmen. Die wichtigste Ursache ist die neue, aktive Südosteuropa-Politik der Türkei. Ankara hat seit der Regierungsübernahme der islamistischen AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan seine Außenpolitik verändert. Im Zentrum stehen Expansionsbedürfnisse neu aufgestiegener Kapitalfraktionen im sehr konservativen Zentralanatolien, die politisch die AKP tragen und von ihr nun den Einsatz für neue Exportchancen fordern. Entsprechend zielt die AKP-Regierung darauf ab, ihre Beziehungen zunächst vor allem zu den islamisch geprägten, einst zum Osmanischen Reich gehörenden Ländern auszubauen und den Handel mit ihnen zu stärken. Dazu gehört beispielsweise Bosnien-Herzegowina, wo seit geraumer Zeit der türkische Einfluss wächst. Dies ist überhaupt nicht im Sinne Berlins, das den Südosten des Kontinents als seinen eigenen »Hinterhof« betrachtet und dort keinen Rivalen duldet. Konkrete deutsche Gegenmaßnahmen sind allerdings bislang noch ausgeblieben.

Als Problem gilt in Berlin zudem, dass im Kosovo Kräfte erstarken, die einen »großalbanischen« Staat errichten wollen. Verwundern kann die Entwicklung nicht: Schließlich hat die Bundesrepublik ja schon in den 1990er Jahren diejenigen Kräfte in der südserbischen Provinz gestärkt, die sich für das »Albanertum« und gegen das »Serbentum« einsetzten und deshalb die Abspaltung des Gebiets verlangten. Nun setzen manche aus diesem Spektrum ihre Agitation fort und wollen das Kosovo mit Albanien, Teilen Mazedoniens und Montenegros sowie einigen weiteren Gebieten Serbiens nördlich des Kosovo zusammenschließen. Das schafft eine Unruhe, die aus Berliner Sicht völlig sinn- und nutzlos ist – schließlich ist der serbische Erbfeind längst am Ende, und eine Notwendigkeit, Tirana oder Pristina zu stärken, gibt es aus deutscher Perspektive nicht. In gewisser Weise sind auch im Kosovo die völkischen Kräfte, die man zur Verwirklichung seiner politischen Ziele benötigte, in der jüngsten Zeit aus dem Ruder gelaufen – ganz wie die islamistischen Verbündeten der 1980er Jahre in Afghanistan.

Horn von Afrika

An der Piratenbekämpfung vor dem Horn von Afrika beteiligen sich zur Zeit (November 2012) rund 250 deutsche Soldaten. Sie intervenieren dort formal im Auftrag der EU. Das ist insofern bemerkenswert, als auch die NATO dort einen Einsatz betreibt. Als Berlin und Brüssel sich entschieden, am Horn von Afrika eine EU-Intervention zu starten, da war dies eine bewusste Entscheidung, dort selbst aktiv zu werden und sich aus dem gemeinsamen Vorgehen mit den USA zu lösen. Die EU-Militärmacht nimmt dort – wenn auch noch in kleinem Maßstab – weiter Gestalt an.

Die Gewässer vor dem Horn von Afrika haben eine erhebliche geostrategische Bedeutung. Zum einen liegen sie unmittelbar südlich der Arabischen Halbinsel mit ihren riesigen Erdöl- und Erdgasvorräten. Vor allem aber führt durch sie der Seeweg aus dem Indischen Ozean über das Rote Meer und den Suezkanal ins Mittelmeer und damit nach Europa. Genau diese Route nimmt der deutsche Seehandel mit Asien, insbesondere mit China, dessen wirtschaftliche Bedeutung für die Bundesrepublik ungebrochen wächst. 70 Prozent des deutschen China-Handels werden per Schiff abgewickelt; damit ist Deutschland auf die Seewege am Horn von Afrika vorbei angewiesen, denn der Umweg am südlichen Afrika vorbei käme die deutsche Industrie teuer zu stehen. Die Gewässer vor Somalia sind übrigens auch militärstrategisch wichtig: Für den Westen ist es sehr vorteilhaft, seine Kriegsschiffe rasch aus dem Persischen Golf in das Mittelmeer verlegen zu können (und umgekehrt); das zeigte sich zuletzt während des Libyen-Kriegs. Alles spricht also aus westlicher Sicht dafür, die dortigen Seewege von Hindernissen jeglicher Art freizuhalten.

Dass es vor dem Horn von Afrika gewisse Hindernisse gibt, ist im Großen und Ganzen eine relativ neue Entwicklung. Zwar ist Somalia Anfang der 1990er Jahre zerfallen; die Versuche des Westens aus dem Jahr 1993, im Namen der UNO staatliche Strukturen zu stärken, misslangen. Das aber war zunächst auch – aus westlicher Sicht – kein Problem: Das Elend im ruinierten Somalia wirkte sich nicht auf westliche Interessen wie etwa die Seewege aus. Dies war erst der Fall, als zur Mitte des letzten Jahrzehnts sich die Piraterie am Horn von Afrika stärker entwickelte und gelegentlich auch westliche Schiffe zu entern begann. Da es keinen somalischen Staat gab, dem man die Bekämpfung der Piraterie hätte aufnötigen können, mussten eigene Kriegsschiffe her, um die Seewege wieder zu sichern. Seitdem wird auch immer wieder überlegt, ob man nicht doch Somalia wieder zumindest zu einem staatlichen Gebilde verhelfen kann, das die Piraterie in Schach zu halten vermag.

Neue Bemühungen in dieser Richtung haben Mitte 2011 begonnen und sind inzwischen teilweise realisiert – jedenfalls formal. Mehrere westliche Staaten haben ihre Anstrengungen zur Ausbildung somalischer Staaten intensiviert; die Bundeswehr beteiligt sich daran mit Ausbildungsmaßnahmen, die in Uganda durchgeführt werden. Eine handverlesene Versammlung in Mogadischu hat dieses Jahr eine neue Verfassung verabschiedet und eine neue Regierung gewählt, die staatliche Strukturen aufbauen soll. Gleichzeitig haben Truppen mehrerer afrikanischer Staaten dieser Regierung größere Gebiete in verschiedenen Teilen des Landes freigekämpft. Die äthiopischen Streitkräfte etwa sind von der äthiopisch-somalischen Grenze aus vorgerückt, ugandische und burundische Einheiten haben im Namen der Afrikanischen Union Teile Mogadischus freigekämpft, zuletzt sind Truppen der kenianischen Streitkräfte in den Süden Somalias einmarschiert und haben dort im Herbst die Hafenstadt Kismayo okkupiert. Die Besetzung Südsomalias hat eine zweite Funktion – dazu später mehr –, sie soll aber auch dem neuen Regime in Mogadischu neue Freiräume schaffen, das zugesagt hat, sich mit aller Macht gegen die Piraterie zu wenden. Ob dies gelingen kann, das darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Die Stoßrichtung der deutschen Militär-Aktivitäten in Uganda und am Horn von Afrika jedoch lässt sich an den Planungen deutlich ablesen.

Dabei gibt es noch einen weiteren Aspekt, der Somalia inzwischen doch wieder Bedeutung für den Westen verleiht. Er hat einmal mehr mit China zu tun – und damit, dass es Industrieprodukte, aber auch Rohstoffe in großen Mengen über den Indischen Ozean transportiert und die Seewege dort daher ebenfalls dringend benötigt. Einflussreiche Außenpolitik-Experten wie der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Volker Perthes, gehen daher davon aus, dass der Indische Ozean geostrategisch ganz zentrale Bedeutung gewinnt; manche sprechen sogar schon von einem »Schlüsselmeer« der Zukunft. China baut entlang der dortigen Küsten Häfen, die für seinen Handel, perspektivisch vielleicht aber auch für seine Kriegsmarine wichtig werden können – Häfen in Myanmar, in Sri Lanka und in Pakistan; man spricht von einer »Strategie der Perlenkette«. Der Schweizer Militärstratege Hans Bachofner hat die Lage mit Blick auf die Gewässer im westlichen Indischen Ozean – das sind die Gewässer vor dem Horn von Afrika – einmal so formuliert: »Im Indischen Ozean findet zur Zeit ein gigantischer Machtkampf statt. Die Marinen Chinas, Japans, Indiens, der USA, der Europäer, der NATO und der EU marschieren [am Horn von Afrika, J.K.] auf, Häfen werden gebaut, Seestreitkräfte aufgerüstet. Erstmals seit dem 16. Jahrhundert beobachten wir einen Niedergang der westlichen Seemacht in dieser Schlüsselregion.« Vizeadmiral a.d. Ulrich Weisser, einst Leiter im Planungsstab des deutschen Verteidigungsministeriums, hat den Indischen Ozean Ende 2009 als »Schlüsselregion für die Weltmeere« und als »entscheidend für das künftige Machtgefüge in Asien« eingestuft – mit Blick auf die sogenannte Pirateriebekämpfung.

Sudan

Im Sudan und im Südsudan gibt es jeweils einen UN-Einsatz, an dem deutsche Soldaten beteiligt sind – als Militärbeobachter.

Der Sudan war in den Zeiten der Systemkonfrontation tendenziell ein Verbündeter des Westens; er ist sogar mit bundesdeutschen Waffen aufgerüstet worden. Das änderte sich erst in den 1990er Jahren, als die Notwendigkeit entfiel, mit ihm gegen prosozialistische Staaten zu kooperieren. Als sich abzuzeichnen begann, dass der nächste Expansionsschritt des Westens sich gegen die arabische Welt richten würde, da begannen die Bundesrepublik und die Vereinigten Staaten, sich gegen die arabisch dominierte Hauptstadt Khartum im Norden des Sudan zu wenden und mit dem Süden zu kooperieren, der schwarzafrikanisch und sezessionswillig war – für die Abspaltung vom Norden hatte er bereits einen jahrzehntelangen Bürgerkrieg geführt. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre begannen deutsche und US-amerikanische Kräfte – übrigens unter starker Beteiligung evangelikaler Christen, die unter der schwarzafrikanischen Bevölkerung missionierten –, den Südsudan bei seinen Bemühungen um Abspaltung zu unterstützen. Ein kleines Beispiel: Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg nahm sich damals der Frage an, wie eine Staatsverfassung des (zunächst noch als Teil Gesamtsudans konzipierten) Südsudan aussehen könne.

Ein Aspekt der Spaltungsbemühungen, die 2005 in ein Friedensabkommen mündeten und 2011 nach einem Referendum schließlich zum Erfolg führten – seitdem existiert ein eigener, freilich ökonomisch und sozial extrem rückständiger und gänzlich von sogenannter Entwicklungshilfe abhängiger Staat Südsudan –, war Öl. Rund 70 Prozent der gesamtsudanesischen Erdölvorkommen liegen unter südsudanesischem Boden und damit in einem Land, auf das der Westen maßgeblichen Einfluss zu haben meint, da er seine Gründung schließlich gegen Khartum durchgesetzt hat. Daran waren tatsächlich nicht nur Berlin allgemein, sondern speziell auch deutsche Soldaten beteiligt – wenn auch vorwiegend indirekt. Der Südsudan konnte seine Abspaltung nur auf der Grundlage einer relativen militärischen Stärke durchsetzen, die auf nicht geringen Waffenbeständen beruhten. Ins Land gelangten diese unter den Augen auch deutscher Militärbeobachter. Bekannt geworden ist vor allem ein Beispiel, das weltweit Wellen schlug. Anfang 2009 kaperten Piraten vor dem Horn von Afrika einen ukrainischen Frachter, der ausgerechnet Panzer an Bord hatte. Die Crew gab an, die Panzer in die kenianische Hafenstadt Mombasa bringen zu wollen. Auf den Frachtpapieren war als Empfänger »GOSS« angegeben. Zwar reagierte das kenianische Verteidigungsministerium geistesgegenwärtig und erklärte, in seinen Räumlichkeiten gebe es eine Abteilung mit dem Kürzel »GOSS«, die für die Beschaffung von Kampfpanzern zuständig sei. Doch mochte das niemand so recht glauben – nicht nur war die Abteilung bis dato selbst findigen Waffenhändlern unbekannt, vor allem aber wussten eigentlich alle, die sich in irgendeiner Form mit der politischen Landschaft Ostafrikas beschäftigen, das »GOSS« gemeinhin als »Government of South Sudan« ausbuchstabiert wird. Tatsächlich führt der übliche Transportweg in den Südsudan von Mombasa über Nairobi und das Rift Valley, von wo man entweder auf direktem Wege oder über den Nordosten Ugandas nach Juba gelangen kann. Die Kampfpanzer wurden nach der Befreiung des Frachters in Mombasa an Land gebracht; über ihren weiteren Verbleib wurde nichts bekannt, auch die deutschen Militärbeobachter im Südsudan schwiegen sich konsequent aus.

Freilich besteht in puncto Öl noch ein gravierendes Problem: Die Pipelines, durch die der südsudanesische Rohstoff abtransportiert wird, verlaufen bislang sämtlich durch den nördlichen Sudan; Khartum kann also Durchleitungsgebühren kassieren und hat Einfluss auf die Geschäfte. Um dies zu ändern, entwickelte ein deutsches Unternehmen vor rund zehn Jahren erste Pläne, das Öl über eine Schienenverbindung nach Mombasa abzutransportieren. Eine – renovierungsbedürftige – Strecke von der ugandischen Hauptstadt Kampala über Nairobi in die Hafenstadt Mombasa existiert bereits; sie sollte ausgebaut und um eine Pipeline erweitert werden. Die Verhandlungen zogen sich in die Länge, scheiterten – angeblich an kenianischer Korruption – und wurden später insgeheim wieder aufgenommen; im Herbst 2012 wurde das Ergebnis bekannt. Demnach werden chinesische Unternehmen nicht nur eine Strecke, sondern vermutlich ein ganzes Schienennetz in Ostafrika bauen, das schnellen Zugverkehr von Mombasa über Nairobi nach Kampala ermöglicht, Südsudan aber vor allem über eine gänzlich neu zu bauende Strecke anbindet. Diese verläuft durch den recht unentwickelten Norden und Osten Kenias und endet in Lamu, einer kleinen Stadt an der kenianischen Küste, die den größten Tiefseehafen Ostafrikas erhalten soll. Die Infrastruktur wird also tatsächlich in großem Stil entwickelt, um Südsudan vom nördlichen Sudan unabhängig zu machen; allerdings geschieht das unter der Führung Chinas, das gleichzeitig enge Beziehungen zu Khartum unterhält. Für die Einflussbemühungen Deutschlands und der anderen westlichen Staaten ist das ein spürbarer Dämpfer. Nebenbei: Lamu ist nicht weit von der somalischen Grenze entfernt; grenzüberschreitende Überfälle somalischer Clans sind in Kenia nichts Neues. Die Infrastruktur für den Abtransport des südsudanesischen Öls ist allerdings so sensibel, dass Schutzmaßnahmen nötig scheinen; schließlich führt der Westen gerade Krieg gegen Piraten und Islamisten in Somalia. Die Intervention Kenias schafft eine Pufferzone, die die neu entstehende Infrastruktur sichern könnte – wenn sie nicht selbst zum Schauplatz eines neuen, nun auch Kenia involvierenden Krieges wird. Letzteres ist alles andere als unwahrscheinlich.

Demokratische Republik Kongo

Im Kongo ist eine einstellige Zahl deutscher Soldaten im Rahmen einer eher unbedeutenden EU-Mission im Einsatz – kein Vergleich zu den beiden großen Kongo-Interventionen der EU aus den Jahren 2003 und 2006. Um beide Interventionen gab es heftigen Streit vor allem zwischen Berlin und Paris. Der Hintergrund: In der Bundesrepublik besteht seit je eine heftige Abneigung dagegen, deutsche Soldaten für französische Interessen in den Krieg zu schicken. Zwar verlangt man von der EU, in deutschem Sinne in Südosteuropa zu intervenieren – in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo –, Gleiches gesteht man jedoch Frankreich nicht zu. »Das Eurokorps ist kein Afrikakorps«, ließ sich der damalige deutsche Verteidigungsminister Volker Rühe bereits 1994 zitieren; die beiden Einsätze im Kongo, die Berlin nicht verhindern konnte, wurden wenigstens pünktlichst beendet – die beiden einzigen Militärinterventionen unter deutscher Beteiligung, die nicht mehrmals verlängert wurden. Entsprechend spielt auch die aktuelle EU-Mission in der Demokratischen Republik Kongo für die Bundesrepublik keine besondere Rolle; die wenigen Soldaten, die beteiligt sind, dienen vor allem der Informationsgewinnung über die Lage vor Ort.

Libanon

Vor der libanesischen Küste ist die Bundesmarine seit 2006 im Einsatz. Offizieller Zweck ist die Verhinderung von Waffenschmuggel; außerdem bilden deutsche Einheiten Soldaten der Marine des Libanon aus. Insgesamt zielt die Intervention darauf, die prowestlichen Kräfte im Libanon zu stärken, und zwar vor allem auch deswegen, weil die antiwestlichen Kräfte dort – insbesondere die Hizbullah – als Verbündete Irans gelten. Iran aber ist gegenwärtig der zentrale Feind des Westens im Nahen und Mittleren Osten, weil das Land eigene Regionalmachtambitonen entfaltet und nicht bereit ist, sich dem Westen bedingungslos unterzuordnen. Insofern dient der Libanon-Einsatz dem Ziel, den Boden für den Machtkampf gegen Teheran zu bereinigen.

Es gibt Nebeneffekte – und inzwischen neuen, nicht ausgesprochenen Zweck. Ein Nebeneffekt ist, dass die Bundesmarine mit ihren Libanon-Aktivitäten in unmittelbarer Nähe Israels tätig ist; damit ist das wohl letzte Tabu für Einsatzgebiete der Bundeswehr gefallen, sieht man einmal davon ab, dass manche sogar einen Einsatz in Israel selbst nicht ausschließen – selbstverständlich, wie es die Bundeswehr immer tut, nur zur »Friedenssicherung«.

Rein technisch, aber nicht unwichtig ist nach Angaben von Militärs ein zweiter Nebeneffekt: Im östlichen Mittelmeer operiert die deutsche Marine dauerhaft in warmen Gewässern. Zumindest eine Zeitlang war das für die Bundesmarine, die in den Zeiten der Systemkonfrontation auf die kühlen Gewässer der Nord- und vor allem der Ostseee spezialisiert war, neu und erprobungswert; inzwischen allerdings hat man die relevanten Erfahrungen wohl alle gemacht.

Neu hinzugekommen ist die Bedeutung des Libanon-Einsatzes für den Krieg in Syrien. Bekannt ist, dass die libanesische Hafenstadt Tripoli für den Nachschub der syrischen Rebellen von einiger Bedeutung ist: Sie gilt als Hochburg sunnitischer Islamisten im Libanon, die die sunnitischen Rebellen in Syrien unterstützen; über ihren Hafen lassen sich zudem Waffen umschlagen, etwa aus Libyen, dessen Milizen nach dem Sturz Gaddafis nun den Sturz Assads vorantreiben. Die deutsche Marine ist in den libanesischen Gewässern eigentlich auch für den Kampf gegen Waffenschmuggel zuständig; offenbar bleiben in jüngster Zeit jedoch Erfolge meistens aus. Der Nachschub für die Rebellen in Syrien scheint jedenfalls zu funktionieren; dies berichten jedenfalls immer wieder Korrespondenten aus dem nordlibanesischen Grenzgebiet unweit Tripoli.

Die Kriege der Zukunft

Die Bundeswehr bereitet sich umfassend auf neue Kriege vor. In Zukunft sollen den Planungen zufolge, die Verteidigungsminister Thomas de Maizière im Frühjahr 2012 bekanntgab, gut 10.000 Soldaten gleichzeitig eingesetzt werden können – 3.000 mehr als jetzt. Man will mit ihnen zwei große und ein paar kleinere Einsätze auf einmal stemmen können. Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) hat de Maizières Pläne so kommentiert: »Es wird mehr auf die Bundesrepublik zukommen als bisher. Berlin darf keine rechtsfreien Räume auf diesem Globus dulden.«

Wie werden die Kriege der Zukunft aussehen? Besatzungskriege werden gegenwärtig eher kritisch gesehen – schließlich sind sie in Afghanistan und zuvor schon im Irak faktisch gescheitert. Als Modell gilt hingegen der Libyen-Krieg: Einheimische Verbände stellen die Bodentruppen, die vom Westen ausgebildet, ausgerüstet und möglicherweise auch mit Daten von Spionagesatelliten und ähnlichem »Aufklärungs«-Gerät versorgt werden; eventuell notwendige Luftunterstützung wird von den westlichen Staaten gewährt, die es sich auch vorbehalten, zusätzlich mit Drohnen einzugreifen. Dass die Bundeswehr in absehbarer Zeit Kampfdrohnen für solche Zwecke erhalten wird, gilt als sicher. Im Prinzip gleicht dieses Szenario – abzüglich der Drohnen – dem Krieg, den die NATO 1999 gegen Jugoslawien führte – gemeinsam mit Bodentruppen von der UÇK. Auf diese Weise schont man das Leben der eigenen Soldaten – und kann sich außerdem mit dem Image des Befreiers schmücken, der den einheimischen Bodentruppen lediglich humanitär gebotene Hilfen angedeihen lässt.

Häufig ist zudem von »kleinen Kriegen« die Rede. Dabei handelt es sich um Gewaltmaßnahmen, die nicht – wie herkömmliche Kriege – zwischen Streitkräften ausgetragen werden, sondern in denen die Streitkräfte westlicher Staaten gegen nichtstaatliche Strukturen wie Al Qaida kämpfen. Genutzt werden dabei vor allem Spezialkräfte und Drohnen. In einem Text, den die Bundeszentrale für politische Bildung im Mai 2002 veröffentlichte, heißt es dazu: »Kennzeichnend für die kleinen Kriege ist die Abwesenheit bzw. Durchbrechung verbindlicher Regeln für die Kriegführung, die in der fehlenden Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten, dem Herzstück des modernen humanitären Völkerrechts, am augenfälligsten wird. Aber auch die Grenzen zwischen Krieg und Frieden sind in ihnen fließend […]. Der kleine Krieg ist per definitionem entgrenzt, alle Mittel kommen in ihm zum Einsatz, und oft nimmt er in seiner charakteristischen Brutalität – insbesondere gegenüber Nichtkombattanten, hier vor allem Frauen und Kinder – Züge an, die mit dem Phänomen des totalen Krieges in Zusammenhang gebracht werden: Die Gesamtheit des Gegners, und nicht nur dessen Kombattanten, wird als Feind angesehen und bekämpft.«

Last not least: Auch Seekriege dürften in Zukunft eine Rolle spielen. Die Bundesmarine hat dabei in den letzten Jahren eine einschlägige Schwerpunktsetzung entwickelt: Sie befasst sich intensiv mit einer Art von Küstenkrieg. Sie hat in Glücksburg ein spezielles NATO-Zentrum eingerichtet, das sich mit Seekriegen in Küstengewässern befasst. Dabei geht es unter anderem darum, in flachen Küstengewässern zu kreuzen, von Schiffen aus Ziele an Land anzugreifen, Feuerunterstützung für an der Küste kämpfende Einheiten zu geben etc. Aktuelle Rüstungsvorhaben der deutschen Marine passen dazu; mit entsprechenden Einsätzen ist also durchaus zu rechnen.