Konferenz
»Der Haupt­feind steht im eigenen Land«

Die jährlich stattfindenden Konferenzen gegen den deutschen Imperialismus sollen den politischen Austausch und die Zusammenarbeit derjenigen revolutionären Kräfte fördern und vorantreiben, die in der Arbeiter- und demokratischen Bewegung für die Linie »Der Hauptfeind steht im eigenen Land« kämpfen wollen.

Arbeiteraristokratie in Deutschland

Ludwig Jost, KAZ-Arbeitsgruppe »Stellung des Arbeiters in der Gesellschaft heute«

Mai 2010

Liebe Genossinnen und Genossen!

Die Frage der Arbeiteraristokratie ist kein leichtes Thema, und zwar in dem Sinne, dass dieser Begriff und der dahinter stehende Inhalt in der Arbeiterbewegung kaum noch bekannt oder auch als ein wichtiger Punkt der Auseinandersetzung im Klassenkampf unerwünscht sind. Damit wird eine für das Herankommen an die Revolution und für die Kampfkraft der Arbeiterklasse wichtige Frage aus der Diskussion ausgeklammert und als Problem so gut wie nicht gesehen bzw. geleugnet. Was die Linke angeht, scheitert die Diskussion nach meiner Auffassung und Erfahrung ganz offensichtlich an marxistisch-leninistischem Grundwissen. Das gilt selbst für die DKP, die sich auf dieses Wissen beruft und in der man sofort mehr oder weniger Schwierigkeiten bekommt, wenn man über Arbeiteraristokratie reden will und sich dabei auf Lenin beruft. Insofern geht es natürlich auch jetzt darum, sich über einige historische Fakten zu verständigen, die ich im Gesamtzusammenhang für wichtig halte. Hierbei will ich versuchen, auf Ähnlichkeiten zu aktuellen Entwicklungen hinzuweisen. Dabei werde ich auf die von Marx, Engels und Lenin zum Thema gemachten Aussagen zurückgreifen. U.a. gehören dazu auch Untersuchungsergebnisse der ungarischen Kommunisten Fogarasi und Varga, soweit sie für unsere Diskussion notwendig und wichtig sind. Im Übrigen hat auch unsere Genossin Renate Münder bei einem Themenabend der DKP zur Frage der Arbeiteraristokratie referiert.

Zum Einstieg ins Thema folgende Aussage von Lenin:

»Die Bourgeoisie braucht solche Handlanger, denen ein Teil der Arbeiterklasse vertraut und die die Bourgeoisie mit Redereien über die Möglichkeit des reformistischen Wegs aufputzen und herausstreichen, dem Volk mit solchen Redereien Sand in die Augen streuen, das Volk durch Ausmalen der Reize und Möglichkeiten des reformistischen Wegs von der Revolution ablenken.«1

Um die Handlanger der Bourgeoisie im Lager der Arbeiterklasse geht es bei der Arbeiteraristokratie, womit und wodurch diese gefügig gemacht wird, um im Interesse des Kapitals erfolgreich Sand zu streuen. Dafür müssen wir jetzt zunächst klären, was mit der Bezeichnung »Arbeiteraristokratie« gemeint ist. Heißt das, die Arbeiter sind auf einmal adelig geworden?

Um es kurz zu machen, Marx und Engels bezeichnen damit die bestbezahlten Schichten der Arbeiterklasse bzw. bestimmte Schichten innerhalb der Klasse. Das sind, historisch gesehen, die im 19. Jahrhundert hochqualifizierten und deswegen bestbezahlten Facharbeiter. Auf die heutigen Verhältnisse übertragen – den technischen Fortschritt berücksichtigt – ist das mit Sicherheit nicht anders. Es geht zunächst um die Schicht der bestbezahlten Arbeiter. Die VW-Arbeiter sind oder könnten die Krisengewinner werden. In dem Zusammenhang ist dann die Frage zu klären: Gehören die VW-Arbeiter z.B. unter heutigen Verhältnissen zur Arbeiteraristokratie? Gehen wir hierbei von den über Haustarifvertrag ausgehandelten Löhnen aus, müssen wir dazu ja sagen. Die VW-Löhne sind in der Regel immer höher als die nach dem so genannten Flächentarifvertrag vereinbarten. Von den Zulieferbetrieben abgesehen, dürfte das für die gesamte Autobranche und auch noch für andere gelten. Hierbei ist klar, dass weder die VW-Belegschaft noch die übrigen in Frage kommenden »bestbezahlten Belegschaften« gleichzusetzen sind mit der Oberschicht der Arbeiteraristokraten, über die vor allem Lenin geschrieben hat.

Aber zunächst zurück zu einigen interessanten Feststellungen von Marx und Engels, die sich auf Entwicklungen innerhalb der englischen Arbeiterklasse, auf deren Verhalten und die Arbeiteraristokratie im 19. Jahrhundert beziehen. In Bd. 21 der MEW schreibt Engels auf den Seiten 191 bis 197 über England 1845 und 1885 und hierbei über »die großen Trade Unions« – also über die damaligen Gewerkschaften – und stellt dazu fest: »Sie sind die Organisationen der Arbeitszweige, in denen die Arbeit erwachsener Männer allein anwendbar ist oder doch vorherrscht. Hier ist die Konkurrenz weder der Weiber- noch der Kinderarbeit, noch der Maschinerie bisher imstande gewesen, ihre organisierte Stärke zu brechen. Die Maschinenschlosser, Zimmerleute und Schreiner, Bauarbeiter, sind jeder für sich eine Macht, so sehr, dass sie selbst, wie die Bauarbeiter tun, der Einführung der Maschinerie erfolgreich widerstehen können. Ihre Lage hat sich unzweifelhaft seit 1848 merkwürdig verbessert; der beste Beweis dafür ist, dass seit mehr als fünfzehn Jahren nicht nur ihre Beschäftiger mit ihnen, sondern auch sie mit ihren Beschäftigern äußerst zufrieden gewesen sind. Sie bilden eine Aristokratie in der Arbeiterklasse; sie haben es fertig gebracht, sich eine verhältnismäßig komfortable Lage zu erzwingen, und diese Lage akzeptieren sie als endgültig. Sie sind die Musterarbeiter der Herrn Leone Levi und Giffen (und auch des Biedermannes Lujo Brentano), und sie sind in der Tat sehr nette, traktable Leute für jeden verständigen Kapitalisten im besonderen und für die Kapitalistenklasse im Allgemeinen.«2

Mit diesen Aussagen haben wir die Erklärung dafür, welche Schichten, oder besser, welche Berufsgruppen innerhalb der englischen Arbeiterklasse von Marx und Engels im 19. Jahrhundert als »Arbeiteraristokratie« bezeichnet wurden. Sehen wir uns hierbei die heutige Situation an, müssen wir darüber diskutieren, wer dazu gehört. Dabei haben wir es sicherlich ebenfalls damit zu tun, dass die große Masse »ihre Lage« bzw. das System scheinbar als endgültig akzeptieren will. In dem Zusammenhang finden die »verständigen« Kapitalisten die Arbeiterinnen und Arbeiter auch heute ganz »nett«, solange sie alles mitmachen. Hierbei natürlich in vorderster Linie die Mehrheit der Gewerkschaftsführer, die sich fürs Kapital ständig als besonders »traktabel«, was »umgänglich« heißt, erweisen. Besonders dann, wenn sie sich aktiv dafür einsetzen, dass alles so bleibt, wie es ist. Die Tarifrunde der IGM war dafür ein Beispiel. Darauf werden wir später noch zurückkommen. Jetzt noch einmal zu Engels. Im o.g. Artikel verweist er auf eine 1847 entstandene Situation und stellt fest, als Folge davon sei »… die englische Arbeiterklasse politisch der Schwanz der ›großen liberalen Partei‹ geworden, der von den Fabrikanten angeführten Partei. Diesen einmal gewonnenen Vorteil galt es zu verewigen. Und aus der heftigen Opposition der Chartisten, nicht gegen den Freihandel sondern gegen die Verwandlung des Freihandels in die einzige Lebensfrage der Nation, hatten die Fabrikanten begriffen und begriffen täglich mehr, dass die Bourgeoisie nie volle soziale und politische Herrschaft über die Nation erringen kann, außer mit Hilfe der Arbeiterklasse. So veränderte sich allmählich die gegenseitige Haltung beider Klassen. Die Fabrikgesetze, einst der Popanz aller Fabrikanten, wurden jetzt nicht nur willig von ihnen befolgt, sondern mehr oder minder auf die ganze Industrie ausgedehnt. Die Trade Unions, vor kurzem noch als Teufelswerk verrufen, wurden jetzt von den Fabrikanten kajoliert und protegiert als äußerst wohlberechtigte Einrichtungen und als ein nützliches Mittel, gesunde ökonomische Lehren unter den Arbeitern zu verbreiten.«3

Setzen wir auch hier wieder die Geschichte ins Verhältnis zur heutigen Situation, lassen sich Ähnlichkeiten, wie z.B. der Versuch zur Instrumentalisierung der Gewerkschaften durch die Bourgeoisie zur Durchsetzung ihrer Ziele – Machterhaltung gegenüber der Arbeiterklasse und ihrer Hilfe bei der Profitmaximierung – feststellen. Die Kapitalisten können sich hierbei über die Verbreitung von in ihrem Sinne gedachten »gesunden ökonomischen Lehren« durch die Gewerkschaftsführer innerhalb der Arbeiterklasse nicht beschweren. So erklärte der oberste Arbeiteraristokrat im DGB, Vorsitzender Sommer, im Angesicht der von der Krise angerichteten Verwüstungen: Man müsse die Krise dafür nutzen, deutlich zu machen, die »soziale Marktwirtschaft« sei ein sinnvolles System, sie müsse nur durch entsprechende Gesetze – ähnlich wie dies für das Finanzkapital gefordert wird – geregelt werden. Mit solchen Feststellungen versucht die große Mehrheit »unserer« Gewerkschaftsführer immer wieder das kapitalistische Ausbeutungssystem zu verteidigen und zu beschönigen, die Tatsachen zu verdrehen und zu verschleiern. Das Ziel dabei ist auch immer das Gleiche: Verhinderung von Systemkritik oder von Anwandlung revolutionärer Gedanken und Ideen in der Arbeiterklasse.

Warum es nach Meinung von Engels in England nicht zum Sozialismus gekommen ist, begründet er mit der Aussage: »Die Wahrheit ist diese: Solange Englands Industriemonopol dauerte, hat die englische Arbeiterklasse bis zu einem gewissen Grad teilgenommen an den Vorteilen dieses Monopols. Diese Vorteile wurden sehr ungleich unter sie verteilt; die privilegierte Minderheit sackte den größten Teil ein, aber selbst die große Masse hatte wenigstens dann und wann vorübergehend ihr Teil. Und das ist der Grund, warum seit dem Aussterben des Owenismus es in England keinen Sozialismus gegeben hat.«4

Zu dieser Entwicklung schrieb Engels in einem Brief an Kautsky vom 12.9.1882: »… die Arbeiter zehren flott mit von dem Weltmarkts- und Kolonialmonopol Englands.«5 Und 1858 stellte er in einem Brief an Marx fest, »dass das englische Proletariat faktisch mehr und mehr verbürgert, so dass diese bürgerlichste aller Nationen es schließlich dahin bringen zu wollen scheint, eine bürgerliche Aristokratie und ein bürgerliches Proletariat neben der Bourgeoisie zu besitzen.«6

Was Engels hier beschreibt, ist ganz offensichtlich die Tatsache, dass sich zumindest ein Teil der Arbeiterklasse zu einem bestimmten Zeitpunkt mit dem System abgefunden und sich durch Verbesserung ihrer sozialen Lage sozusagen eingerichtet hat. Man kann jetzt natürlich darüber streiten, ob dieses Verhalten den Sozialismus in England verhindert hat. Nicht darüber streiten lässt sich meiner Meinung nach, dass die Akzeptanz des kapitalistischen Systems durch große Teile der Arbeiterklasse den Kampf für den Sozialismus wesentlich erschwert. Eine Situation, mit der wir es auch hier als großes Problem zu tun haben, was u.a. mit dazu führt, dass Kämpfe – wenn überhaupt – nur noch für ökonomische Verbesserungen und nicht mit dem Ziel der Abschaffung des Systems geführt werden. Hierbei leisten die Handlanger der Bourgeoisie im Lager der Arbeiterklasse ganze Arbeit. Eingangs habe ich die so genannte Tarifrunde der IGM bereits erwähnt. Sie ist dafür ein Beispiel. Als Antwort auf die Krise und ihre Auswirkungen in den Betrieben hat die IGM-Führung Mitglieder, Betriebsräte und Belegschaften auf den »Kampf« für gesetzliche und tarifliche Kurzarbeit festgelegt.

In Bd. 1 des Kapital schreibt Karl Marx auf Seite 697 unter der Überschrift: »Wirkung der Krisen auf den bestbezahlten Teil der Arbeiterklasse«: »Bevor ich zu den eigentlichen Agrikulturarbeitern übergehe, soll an einem Beispiel noch gezeigt werden, wie die Krisen selbst auf den bestbezahlten Teil der Arbeiterklasse, auf ihre Aristokratie, wirken.«

Bezogen auf die zyklische Krise von 1866 stellt er fest, dass auch die bestbezahlten Arbeiter – und um bei Marx zu bleiben –, »die Arbeiteraristokratie«, ihre Reserven, ihre Ersparnisse im Krisenverlauf nach spätestens einem halben Jahr gänzlich aufbrauchte. Zu diesem Zeitpunkt wurde in den englischen Zeitungen von den vielen Hungertoten in der Arbeiterklasse berichtet. U.a. hieß es dazu in Reynold’s Newspaper vom 20. Januar 1867: »In diesem Augenblick, während englische Arbeiter mit Weib und Kind an Kälte und Hunger sterben, werden Millionen von englischem Geld, dem Produkt englischer Arbeit, in russischen, spanischen, italienischen und anderen fremden Anleihen angelegt.«7

Eine Sozialversicherung gab es damals noch nicht, was für viele das Armenhaus und eben auch Verhungern bedeutete. Heute gibt es in aller Regel kein Verhungern, sondern zumindest eine Zeitlang Kurzarbeitergeld. Auch wenn dabei den »Bestbezahlten« mit der Zeit die Luft ausgeht, wie wir das aktuell von Kolleginnen und Kollegen hören, heißt es: »Immer noch besser als arbeitslos!« Und damit es mit den »Anleihen« demnächst oder auch jetzt schon wieder gut läuft, sorgt die Merkel-Regierung hier mit Milliarden-Krediten aus den Knochen der Arbeiterklasse. Was ich damit sagen will: Aus dem, was sich hier vor aller Augen als Auswirkung der Krise abspielt, entsteht nicht automatisch in der Arbeiterbewegung die Forderung nach Abschaffung des ständig die eigene Existenz bedrohenden Systems. Im Gegenteil, die nächste Krise ist schon voll eingeplant. Das IGM-Beispiel, mit der Forderung nach Verlängerung der Kurzarbeitergeldzahlungen, macht das deutlich. Mit Sicherheit ist das ebenso ein Beispiel dafür, wie sich die ständige Desorientierung durch die Gewerkschaftsführer unmittelbar auf das Bewusstsein innerhalb der Klasse auswirkt.

Es war mir wichtig, den Ausflug in die Geschichte der englischen Arbeiterklasse im Vergleich zu heutigen Verhältnissen und aktuellen Entwicklungen zu stellen. Kommen wir jetzt wieder zur Arbeiteraristokratie und ihrer Herausbildung im Verlauf der Entwicklung vom Konkurrenz- zum Monopolkapitalismus und schließlich zum Imperialismus. Bei seinen Studien dazu hat Lenin festgestellt, dass die oberste Schicht der Arbeiteraristokratie der Träger des Opportunismus in der Arbeiterklasse ist und es sich hierbei um eine internationale Erscheinung handelt. Im Vorwort zur französischen und deutschen Ausgabe seiner Schrift Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus führt er aus:

»Es sind eben der Parasitismus und die Fäulnis des Kapitalismus, die seinem höchsten geschichtlichen Stadium, d.h. dem Imperialismus eigen sind. Wie in der vorliegenden Schrift nachgewiesen ist, hat der Kapitalismus jetzt eine Handvoll (weniger als ein Zehntel der Erdbevölkerung, ganz ›freigiebig‹ und übertrieben gerechnet, weniger als ein Fünftel) besonders reicher und mächtiger Staaten hervorgebracht, die – durch einfaches ›Kuponschneiden‹ – die ganze Welt ausplündern. Der Kapitalexport ergibt Einkünfte von 8-10 Milliarden Francs jährlich, und zwar nach den Vorkriegspreisen und der bürgerlichen Vorkriegsstatistik. Gegenwärtig ist es natürlich viel mehr. Es ist klar, dass man aus solchem gigantischen Extraprofit (denn diesen Profit streichen die Kapitalisten über den Profit hinaus ein, den sie aus den Arbeitern ihres ›eigenen‹ Landes herauspressen) die Arbeiterführer und die Oberschicht der Aristokratie bestechen kann. Sie wird denn auch von den Kapitalisten der ›fortgeschrittenen‹ Länder bestochen – durch tausenderlei Methoden, direkte und indirekte, offene und versteckte.

Diese Schicht der verbürgerten Arbeiter oder der ›Arbeiteraristokratie‹, in ihrer Lebensweise, nach ihrem Einkommen, durch ihre ganze Weltanschauung vollkommen verspießert, ist die Hauptstütze der II. Internationale und in unseren Tagen die soziale (nicht militärische Hauptstütze) der Bourgeoisie. Denn sie sind wirkliche Agenten der Bourgeoisie innerhalb der Arbeiterbewegung, Arbeiterkommis (Beauftragte, Handlungsgehilfen) der Kapitalistenklasse (labour lieutenants of the capitalist class), wirkliche Schrittmacher des Reformismus und Chauvinismus. Im Bürgerkrieg zwischen Proletariat und Bourgeoisie stellen sie sich in nicht geringer Zahl unweigerlich auf die Seite der Bourgeoisie, auf die Seite der ›Versailler‹ gegen die ›Kommunarden‹.

Ohne die ökonomischen Wurzeln dieser Erscheinung begriffen zu haben, ohne ihre politische und soziale Bedeutung abgewogen zu haben, ist es unmöglich, auch nur einen Schritt zur Lösung der praktischen Aufgaben der kommunistischen Bewegung und der kommenden sozialen Revolution zu machen.«8

Ich kann mir gut vorstellen, dass es diese Schärfe ist, mit der Lenin hier die Arbeiteraristokratie charakterisiert und ihr Wirken und ihre Bestechung durch tausenderlei Methoden offenlegt, die heute auch Kommunisten davon abhält, dieses Thema zu diskutieren. Hierbei denke ich z.B. wieder an die DKP, die »Partei der Arbeiterklasse«, in der ich Mitglied bin. Es wäre dort die Aufgabe, sich intensiver mit diesem Kreis der Arbeiteraristokraten wie Gewerkschaftsführer, Betriebsratsvorsitzende u.a. und ihrer Politik in Betrieb und Gewerkschaft schärfer auseinanderzusetzen, als das bisher der Fall ist. Geschieht das nicht, dann gelten der oben zitierte wichtige letzte Satz von Lenin und die aufgezeigten Auswirkungen.

Doch kommen wir jetzt zur Frage der Bestechung, und wie das funktioniert. Das Hauptmittel dafür ist immer noch das Geld. Das Herausheben von Funktionären aus der Klasse durch finanzielle Besserstellung, um dadurch z.B. Betriebsräte u.a. abhängig und hörig zu machen. Abgesehen von anderen ist uns das Beispiel VW und das, was durch und mit dem damaligen Betriebsratsvorsitzenden Volkert passiert ist, sicher in guter Erinnerung. Die Süddeutsche Zeitung schrieb damals dazu: »Betriebsräte wurden angefüttert«. Beim »Anfüttern« ist Volkert im Knast gelandet und der »Anfütterer« und »Arbeiteraristokrat« aus dem Lager der SPD, Hartz I-IV, hat sich freigekauft. Nur nebenbei bemerkt, zu einer bestimmten Zeit – Ende der 1970er oder auch noch über die 1980er Jahre – hat es an den Gewerkschaftsschulen immer wieder Diskussionen über die Bezahlung der Betriebsratsmitglieder bei VW gegeben. Danach stieg jede und jeder, der in den BR gewählt wurde, sofort in die für BR-Mitglieder höhere und nach Dauer der BR-Zugehörigkeit mit dem Kapital vereinbarte Lohnstaffelung auf. Die direkte Folge davon war, dass die sich bei den BR-Wahlen vor Kandidaten nicht retten konnten. Ob das heute noch so ist, kann ich nicht sagen, damals haben das jedenfalls Vertrauensleute von VW immer wieder auf IGM-Seminaren berichtet. Sie wurden u.a. als so genannte »Seminarhengste« bezeichnet, die dort manchmal in Gruppen von 10 bis 12 Leuten – ausgerüstet mit reichlich Tagesspesen – oft in mehreren Seminareinheiten vertreten waren. Die Spesen haben selbst die IGM-Referenten dazu gebracht, diesen Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt »Wer jede Nacht saufen geht, lernt am Tage nichts im Seminar« zu thematisieren.

In einer Untersuchung, die der ungarische Kommunist B. Fogarasi 1935 über die Arbeiteraristokratie gemacht hat, bezeichnet er »höhere Löhne« als eine der wichtigsten Formen der Bestechung. Er nennt dazu eine ganze Reihe anderer so genannter Zuwendungen, die uns heute ebenso bekannt sind, dazu zählen Prämien, Belegschaftsaktien, Gewinnbeteiligungen, Versorgungseinrichtungen wie Pensionskassen, Werkswohnungen und vieles andere. Das Problematischste daran ist hierbei die Tatsache, dass vieles davon meistens nicht als Bestechung angesehen und auch nicht als ökonomische Anbindung an Kapitalinteressen wahrgenommen wird. Damit bleibt dann auch vollkommen aus der Betrachtung, was dadurch in den Köpfen angerichtet werden soll und wird und wie sich das unmittelbar auf die Handlungsweise von Kolleginnen und/oder Kollegen, von Vertrauensleuten, Betriebsräten, Freigestellten usw. auswirkt. Dazu werde ich später noch einige Beispiele bringen.

In dem Buch »Kritik der Mitbestimmung«9 beschreibt Frank Deppe die Auseinandersetzung der Gewerkschaften mit dem Kapital über die Durchsetzung der Montanmitbestimmung in den 1950er Jahren und stellt dazu auf Seite 121 fest: »Ein bekannter Wirtschaftsführer sagte 1951 in Düsseldorf: ›Wir werden das Gesetz aushöhlen. Nach einigen Jahren werden die Arbeiter ihre Vertreter aus den Betrieben hinausjagen. Die Arbeitsdirektoren bekommen sofort die größten und luxuriösesten Personenwagen. Wir bauen ihnen Villen und geben diesen eine Luxusausstattung, die diese Bonzen korrumpieren. In die Vorzimmer setzen wir ihnen ihre weiblichen Verhältnisse. Mit Hilfe der Aufsichtsratsvergütungen sind so viele Möglichkeiten der Manipulierbarkeit gegeben, dass sich die Gewerkschaftsbonzen in den ihnen gelegten Schlingen nicht mehr bewegen können.‹«

Wie schön für die Bonzen oder auch für die Fürsten, wie sie heute häufig in den Betrieben und auch in der Gewerkschaft genannt werden. Die Arbeiter haben sie – im obigen Zitat u.a. bestimmte Spezies aus der Arbeiteraristokratie, die Arbeitsdirektoren – bisher noch nicht verjagt. Sie bewegen sich bis jetzt noch immer ganz gut in den ihnen bereitgelegten Schlingen. Und um Schlingen geht es tatsächlich. Hierbei merken manche Kolleginnen oder Kollegen gar nicht, dass ihnen eine Schlinge um den Hals gelegt wird, aus der sie sich unter Umständen nicht mehr befreien können. Aus meiner ehrenamtlichen Referententätigkeit bei der IG Metall und meiner Zeit als Betriebsratsmitglied und Betriebsratsvorsitzender weiß ich, was sich u.a. mit Geldgeschenken bewirken lässt.

Dazu zwei Beispiele. Ein guter Kollege, Betriebsratsvorsitzender, über unsere Bildungsarbeit zum Referenten geworden, erzählt mir eines Tages: »Gestern war der Chef bei mir, der hat mir 1.000 Mark für meine gute Arbeit gegeben!« Ich habe den angekuckt und gesagt, was ist los, hast du sie noch alle, bringe dem sofort das Geld zurück, schmeiß es ihm nach. Wenn du das behältst, kannst du dem und in der Bude doch nichts mehr sagen, und die haben dich da, wo sich dich haben wollen. Meine Proteste haben leider nichts bewirkt. Der Kollege hat mir erklärt, dass er das Geld gut brauchen kann, weil er gerade sein Haus baut. Späterhin haben sich seine Kolleginnen und Kollegen darüber gewundert, dass er auf einmal »etwas ruhiger« geworden ist. Um es mit den Worten der Süddeutschen Zeitung auszudrücken, ruhiger durch »Anfüttern«!

Ähnliche Wirkungen verspricht sich die Bourgeoisie von der Zahlung der Aufsichtsratsdiäten. Wie oben gesagt, um sie als »Möglichkeiten der Manipulierbarkeit« zu nutzen. Ich war selbst eine Zeit lang im Aufsichtsrat der Firma, in der ich gearbeitet habe. Es gab da zuletzt nur noch 3.000 Mark im Jahr. Für ein Aufsichtsratsmandat ist das in der Regel nicht viel Geld. Es geht hierbei häufig um andere Dimensionen. Ein Kollege aus einem Bergbau-Betrieb, den ich vor einigen Jahren auf einem Seminar traf, berichtete mir, dass er 70.000 Mark im Jahr als Aufsichtsratsmitglied bekam und sich davon sein Häuschen gebaut hat. Als ich wissen wollte, was denn sonst so in dem Laden lief, kam da nichts. Wofür die Belegschaft mobilisiert wurde, waren z.B. die Aufsichtsratswahlen und, dass er dabei wieder gewählt wurde. »Du musst wissen«, erklärte er mir, »das ist viel Geld für mich!« Für wen nicht, kann man dazu nur sagen. Die hatten ihn mit dem Geld gekauft. Das ist eine der wichtigsten Schlingen, die das Kapital legt. Auf diesem Wege wird die Arbeiteraristokratie im wahrsten Sinne des Wortes durch Geldgeschenke herangezüchtet. Aber das ist nicht alles. Wie Lenin feststellt: »Bestechung funktioniert durch tausenderlei Methoden!«

»Einen ungeheuren Einfluss hat bei der Verbürgerlichung die ›Anerkennung‹ der Arbeiteraristokratie, ihre Einbeziehung in die bürgerliche Gesellschaft, ihr Salonfähigwerden …«, schreibt der oben genannte ungarische Kommunist Fogarasi in seiner Untersuchung.10 Hierbei verweist er auf die Formen politischer Bestechung, bei denen es im Wesentlichen um die Vergabe von Posten geht. So werden z.B. Bezirksleiter der IGM o.a. aus der Gewerkschaftsbürokratie zu Arbeitsdirektoren, andere Funktionäre – und das ist eine ganze Reihe – finden wir irgendwo als Abgeordnete in Kommunen, Land- oder Bundestag, eventuell als Minister, in der Bürokratie im Europaparlament oder sonstwo in »staatstragenden« und/oder anderen Leitungsfunktionen auf lukrativen Posten wieder.

Was die Postenvergabe in den Betrieben betrifft, ging oder geht es immer noch um die Beförderung zum Vorarbeiter, Meister, Abteilungsleiter oder in andere Funktionen, so wie wir das aus den Industrie- und Handwerksbetrieben kennen. Wir haben es hierbei wieder mit einer Besserstellung und damit dem Herausheben von Arbeiterinnen und/oder Arbeitern und Angestellten aus der Klasse zu tun. Sie erhalten eine Vorgesetztenfunktion, die sich unmittelbar als Kontroll- und Disziplinierungsinstrument des Kapitals und als Spaltung der Klasse auswirkt. Ich weiß nicht, ob ihr das kennt. Bei mir ist das auch einige Male versucht worden, ohne dass ich darauf eingegangen bin. Dabei hieß es – vielleicht ist das heute auch noch so – wenn jemand die Schnauze zu weit aufreißt, musst du ihm oder auch ihr zur Ruhigstellung einen Posten geben! In vielen Betrieben war das die Realität und das hat auch meistens so funktioniert, wie es sich die Kapitalisten vorgestellt haben.

Die auf diesem Wege zu einer Funktion kamen, waren häufig die besten Aufpasser und Antreiber. Das gilt zumindest für die Betriebe bzw. den Betrieb, wie ich sie kennen gelernt habe. Da war die Mehrheit vom 14. Lebensjahr, vom Beginn der Ausbildung bis zum 65., zum Rentenbeginn beschäftigt. 50 Jahre Betriebszugehörigkeit waren durchaus üblich. Ich selber habe 37 Jahre in der Bude gearbeitet. Als mich meine Sportfreunde damals in den Betrieb geholt haben, wurde mir gesagt, hier hast du bis zum Lebensende ausgesorgt. Das war natürlich Quatsch. Gemeint haben sie, bis du die Rente bekommst. Aber das habe auch ich schon nicht mehr geschafft, weil der Laden vorher in die Pleite ging.

Was sich abgesehen von dem schon vorher Genannten ebenso als Schlinge auswirkt, sind die Werkswohnungen. Das Kapital, die großen Konzerne, z.B. Zechen und Stahlwerke, haben sich die früher bei den Arbeitern herrschende große Wohnungsnot, die Drecklöcher, in welchen sie hausen mussten, zu Nutze gemacht und Wohnungen gebaut. Die so genannten Arbeiterhäuser und Arbeitersiedlungen, wie sie besonders im Ruhrpott üblich waren. Aber nicht nur dort, auch in Aachen und Umgebung, im ehemaligen »Aachener Kohlen-Revier«, gab es genauso die Arbeitersiedlungen wie im Ruhrgebiet. Zu Beginn dieser Entwicklung kam besonders die Arbeiteraristokratie in den Genuss dieser Wohnungen. Später wohnten dann größere Teile der Belegschaft in den Arbeiterhäusern, und die Wohnung wurde mehr oder weniger als persönlicher Besitzstand und der Betrieb als besonders sozial verteidigt. Auf dem Wege wurden viele Arbeiterinnen und Arbeiter an den Betrieb und ihnen damit gleichzeitig die Hände gebunden. Die Wohnungen sind bzw. waren abhängig von der Betriebszugehörigkeit. Was hieß und, soviel ich weiß, immer noch heißt, wer kündigt, verliert auch seine Wohnung. Und in früheren Zeiten bedeutete das, wer sich an Streiks beteiligt, wird aufgeschrieben, fliegt aus der Wohnung und wird möglicherweise auch entlassen. Der stand dann sozusagen gleich zweimal auf der Straße.

Man kann sich leicht vorstellen, welches Disziplinierungsmittel sich die Bourgeoisie mit dem Bau der Arbeiterwohnungen zugelegt hat. Werkswohnungen gibt es heute nach wie vor. Auch in der Firma, wo ich gearbeitet habe, gab es die Häuser mit den Werkswohnungen. Und der Betriebsrat hat über die Mitbestimmung bei sozialen Angelegenheiten nach dem Betriebsverfassungsgesetz mitzubestimmen bei der Belegung der Wohnungen, über Miethöhe usw. In dem Zusammenhang gab es in Betrieben auch Zuschüsse, wenn sich jemand selber ein Häuschen bauen oder sonstige Anschaffungen machen wollte. Dann war es z.B. möglich, sich in der Personalabteilung einen zinslosen Kredit, oder auch Vorschuss genannt, zu holen, vielleicht 2.000 oder 3.000 Mark. Der wurde dann ohne Zinszahlung über Löhne und Gehälter abgestottert. Bei uns liefen auch solche Sachen.

Womit wir wieder beim »Schlingenlegen« sind. Allerdings bei den Schlingen, die sich Kolleginnen oder Kollegen selber legen und die dabei entstehenden Abhängigkeiten nicht bedenken. Was sich dadurch dann in den Köpfen abspielt, merkt man, wenn man etwas gegen Schweinereien in der Bude oder bei der Tarifbewegung machen will. Hierbei kann es passieren, dass du die oft genug von Überstunden abhängigen Häuslebauer – allerdings auch andere – auf dem Teppich stehen hast. Bei uns ist das früher öfter so gewesen. In vielen Aachener Betrieben ist oder war die Landbevölkerung aus der näheren und weiteren Umgebung, aus der Eifel bis Monschau und eventuell darüber hinaus beschäftigt. Das waren alles Häuslebauer, halbe Landwirte usw. Die zu einem Streik zu bewegen, war oft gar nicht so einfach. Nicht selten kam dann die Frage, wer bezahlt mir das? Da hast du die anderen, die keine Häuser hatten, auf die hetzen müssen, um Überzeugungsarbeit zu leisten. Was dann natürlich auch vielfach über die zwischenmenschlichen Beziehungen gelaufen ist.

In Aachen gibt es heute noch Werkswohnungen bei den Philips-Betrieben, auch bei Bombardier. Wenn du kündigst, ist die Wohnung weg. Die Wohnungszusage gilt nur für Betriebsangehörige. Damit ist dann auch deine so genannte Mobilität weg. Wenn du dich irgendwo anders verbessern kannst, hast du immer die Drohung im Genick, dass damit auch deine Wohnung weg ist. Bei uns hat die Firma die Werkswohnungen nachher alle verkauft. Über seine Mitbestimmung hat der Betriebsrat dabei seine Finger mit drin gehabt und dafür gesorgt, dass die Mehrheit der bisherigen Mieter in der Lage war, die Wohnungen zu einem akzeptablen Preis zu kaufen. Ich weiß das nicht mehr genau, die sind für 20.000-30.000 DM – mehr oder weniger – weggegangen. So billig konntest du nie mehr an eine Wohnung kommen.

Insgesamt lässt sich also feststellen, dass die Kapitalisten mit dem Bau dieser Werkswohnungen einerseits versucht haben, ihr angebliches soziales Engagement herauszuputzen und andererseits damit Teilen der Arbeiterklasse Fesseln anzulegen, um sie in ihrer Handlungsfreiheit einzuschränken. Also, wie es so schön heißt, »zwei Fliegen mit einer Klatsche schlagen«. Die Privilegierung, die Bestechung der Oberschicht der Arbeiteraristokratie, ist hierbei noch einmal von besonderer Bedeutung. Ich erinnere an die von mir genannten Beispiele mit Volkert von VW sowie mit den Aufsichtsratstantiemen und der Zuwendung an den BR-Vorsitzenden vom Chef. Wenn es den Kapitalisten auf diesem Wege gelingt, Betriebsräte bzw. die Betriebsratsvorsitzenden von Betrieben zwischen 1.800 und 5.000 oder mehr Beschäftigten aus der Streikfront herauszukaufen, führt das natürlich zu einer entsprechenden Schwächung der gewerkschaftlichen Kampfkraft.

Hierbei ist es nicht so, dass die vielen Bestechungsmethoden des Kapitals und ihre Auswirkungen auf Köpfe und Handlungsweise der Lohnabhängigen in den Gewerkschaften gänzlich unbekannt wären. Ich habe z.B. noch ein Arbeitsheft aus der ehemals hervorragenden Bildungsarbeit der IG Metall, in dem die so genannten materiellen, psychologischen und ideologischen Sozialleistungen und dazu gehörende Begrifflichkeiten auf ihre Auswirkungen hin untersucht und problematisiert werden. Abgesehen davon, dass diese Geschichte zumindest bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Bildungsarbeit behandelt wurde, sind daraus keine Konsequenzen für die Gewerkschaftspolitik gezogen worden.

Kommen wir jetzt noch zu einem anderen wichtigen Punkt, nämlich zu unseren Angestellten, wir kennen sie meistens alle unter der Bezeichnung »die Hauptamtlichen«. Auf die Gewerkschaften bezogen verstehen wir darunter Bevollmächtigte, politische oder für Tarif- und/oder Sozialpolitik und Arbeitsrecht zuständige Sekretärinnen und Sekretäre, Tarifexperten, Bezirksleiter, Vorstandsberater und viele andere. Bei ihnen handelt es sich um die »Arbeiter- oder auch Gewerkschaftsbürokratie«, die sich zumindest in der Vergangenheit aus der Arbeiteraristokratie zusammengesetzt hat. Das waren BR-Vorsitzende, vielleicht auch Bildungsobleute u.a., die sich beim DGB, an Gewerkschaftsschulen, bei den Verwaltungsstellen oder Bezirksverwaltungen und anderswo bei den Einzelgewerkschaften als Sekretäre o.a. beworben haben und angestellt wurden. Wie ich das aus der IGM mitbekommen habe, geht hierbei schon seit längerem der Trend zur Einstellung studierter Leute. Natürlich ist es hierbei auch eine Tatsache, dass die durch entsprechende Bezahlung meistens direkt finanziell besser gestellt werden als die Mehrheit aller Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben. Hinzu kommt, dass sie nicht oder nicht mehr im kapitalistischen Betrieb arbeiten und in der Regel auch keinen Rausschmiss befürchten müssen. Und wenn wir vom Bewusstsein der Arbeiterklasse reden, müssen wir auch darüber reden, wie sich durch diese Besserstellung das Bewusstsein unserer Gewerkschaftsangestellten entwickelt.

Dazu gibt es ebenfalls ein historisches Beispiel. So ist in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung zu lesen, dass sich im Verlauf ihrer »stürmischen« Entwicklung die Zahl der hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionäre von 108 im Jahr 1899 auf 1.625 im Jahr 1907 erhöht hat. Eine Entwicklung, worauf die Genossen, die Gewerkschaftsmitglieder zu der Zeit stolz waren. Was aber ihren damaligen Bewusstseinsstand angeht, heißt es:

»August Bebel warnte mehrfach vor dem Treiben dieser Arbeiterbürokraten. Auf dem Jenaer SPD-Parteitag von 1905 berichtete er von der Äußerung alter Hamburger Gewerkschaftsfunktionäre, die gesagt haben, ihr wisst gar nicht, wie böse es bei einem Teil der jüngeren Gewerkschaftsführer aussieht. Die höhnen ja über die Partei, über den Sozialismus, über den Zukunftsstaat, bestreiten sogar, dass wir einen Klassenkampf führen. Ich bin einfach starr gewesen, als ich das hörte. Da muss ich dann doch sagen, seid auf dem Posten, überlegt euch, was ihr tut. Ihr wandelt einen sehr verhängnisvollen Weg, an dessen Ende ihr euren eigenen Niedergang herbeiführt, ohne es zu wollen.«11

Bei einem Blick in die Geschichte müssen wir also feststellen: Die damalige Warnung Bebels und die aufgezeigte Konsequenz sind zu verhängnisvollen Tatsachen geworden. 1914 haben diese Gewerkschaftsführer, die Arbeiteraristokratie und Arbeiterbürokratie, beschlossen, das größte Verbrechen, das es gibt, den Krieg, durch die »Burgfriedenspolitik« zu unterstützen. Hierbei haben sie die eigene Klasse, ja auch sich selbst, an die Bourgeoisie ausgeliefert und die deutsche Arbeiterklasse gegen die Arbeiter anderer Länder in den Krieg gejagt.

Wenn ich mit Kolleginnen und Kollegen bei Seminaren über diese Geschichte diskutiere, fordere ich sie immer auf, sich genau einzuprägen, was das heißt. Das Schlimme dabei ist, dass die Gewerkschaftsführer – von Ausnahmen abgesehen – diese Politik bis heute mitmachen. Hierbei gilt, was Rosa Luxemburg gesagt hat: »Seit dem 4. August 1914 ist die Sozialdemokratie nur noch ein stinkender Leichnam.« Und dieser Leichnam stinkt immer noch, verbreitet weiterhin seinen Gestank und vernebelt die Hirne in den Gewerkschaften. Abgesehen von der Machtergreifung durch die Faschisten brauchen wir hierbei, was den Krieg betrifft, nur an Jugoslawien zu denken. Der NATO-Überfall ist auch von Teilen der Gewerkschaftsführer verteidigt und unterstützt worden. Und meines Wissens hat es hierbei Gewerkschaftsausschlüsse gegeben – nicht bei der IGM. Ein Gewerkschaftskollege, der in Jugoslawien war, berichtete uns z.B. in Aachen und bei anderen Gewerkschaftsveranstaltungen über die Kriegsverbrechen der NATO mit deutscher Beteiligung. Hierbei erzählte er, dass deswegen gegen ihn und gegen andere entsprechende Verfahren liefen. Ich bin aber nicht mehr sicher, ob diese auch durchgezogen wurden. Das war in der ÖTV oder GEW.

Ich selbst habe zu dem Zeitpunkt ebenfalls auf mehreren Gewerkschaftsveranstaltungen der IGM gegen diesen Krieg gesprochen, meistens als einziger. Von der großen Mehrheit gab es dann immer viel Beifall, bis der Bezirksleiter oder andere kamen, die die Notwendigkeit deutscher Beteiligung am Krieg verteidigt haben.

Auf einer IGM-Konferenz habe ich einleitend gesagt: »Damit du überhaupt zu diesem Krieg reden darfst, musst du dich selbst in der Gewerkschaft schon vorher von den angeblichen Verbrechen der Serben im Kosovo distanzieren.« Dabei habe ich diesen Irrsinn auseinandergenommen, erklärt, dass es bei dem Krieg nicht um die Verteidigung und Durchsetzung der Interessen der Lohnabhängigen geht und Riesenbeifall bekommen. Dann ging der Bezirksleiter in die Bütt und erklärte wörtlich genau: »Jeder, der hier über den Krieg redet bzw. reden will, muss sich zuerst von den Verbrechen im Kosovo distanzieren!« Die Kollegen haben wieder geklatscht. Es ist unglaublich, was sich manchmal in den Köpfen abspielt. Auf einem IGM-Gewerkschaftstag hat der damalige Vorsitzende Steinkühler einmal erklärt, die Kolleginnen und Kollegen klatschen für die eine und auch für die andere Sache. Sie muss nur gut genug vorgetragen werden – womit er leider nicht unrecht hatte.

In diesem Zusammenhang noch ein Beispiel. Jahrelang haben wir versucht, den Blüm, einen Arbeiteraristokraten von der anderen Seite, und zwar einen der demagogischsten, aus der IGM zu werfen. Das ist am Widerstand aus den eigenen Reihen gescheitert. Bei einem Gewerkschaftstag in Hamburg habe ich die gewerkschaftsfeindlichen Aktivitäten von Blüm aufgelistet und unter großem Beifall begründet, warum so jemand nichts mehr in der IGM zu suchen hat. Dann ist der Steinkühler aufgetreten. Der hat alle Ausschlussanträge einschließlich der Reden dazu mehr oder weniger mit dem Satz erledigt: »Kolleginnen und Kollegen, glaubt ihr denn, die würden ihre Politik ändern, wenn wir den Kollegen Blüm rausschmeißen?« Natürlich werden die ihre Politik deswegen nicht ändern. Es ging ja einfach darum, durch ein Zeichen klar zu machen, dass jemand, der als Minister ständig Schweinereien gegen uns verbricht, als Mitglied nichts in unserer Gewerkschaft zu suchen hat. Aber da ziehen auch viele Kolleginnen und Kollegen nicht konsequent genug mit. Zu den Worten Steinkühlers wurde gelacht und geklatscht, womit wir wieder beim Einfluss der Arbeiteraristokratie sind.

Als der Blüm bei einem anderen Gewerkschaftstag reden durfte, wollten wir den mit einer Gruppe von Kollegen rauswerfen. Da gab es Protest bei den Delegierten und es hieß: »Der Blüm ist unser Gast!« Da dachte ich, wir müssen den in den Arsch treten. Das hat ein Kollege bei einer Demo in Rheinhausen gemacht. Als der Blüm kam, ist der Kollege aus der Reihe und hat ihn hinten reingetreten. Daraufhin sind andere Kollegen auf ihn zugestürzt und haben ihn fest gehalten. Du kannst ja keinen Gast in den Arsch treten. Aber der Kollege hat bewiesen, dass man das bei solcher Art Gäste wohl kann.

Heute haben wir es in der IGM-Spitze mit den Figuren um Huber zu tun. Die IGM-Führung will sich jetzt verstärkt für »faire Leiharbeit« einsetzen. Dafür wurde eine Initiative ins Leben gerufen, und Huber hat sich zu ihrer Unterstützung drei ehemalige Arbeitsminister ins Boot geholt. Den Ehrenberg, den Blüm, der – wie schon gesagt – eine ganze Latte gegen uns auf dem Kerbholz hat, und den Riester, der die Rente kaputt gemacht hat. Diese Typen sollen jetzt für »faire Leiharbeit« sorgen. Das passt mit dem zusammen, was die den Arbeitern immer wieder versuchen in den Kopf zu hämmern. Das kapitalistische Ausbeutungssystem ist nicht so schlimm und Leiharbeit nichts Verwerfliches. Beide müssen nur durch Gesetze »fair« geregelt werden. Hierbei haben die IGM-Führer die ursprüngliche, durch Resolutionen und Gewerkschaftstagsbeschlüsse in der IGM aufgestellte Forderung, »Leiharbeit gehört verboten!« (wie vieles andere) längst aufgegeben.

Was wir jetzt im Zusammenhang mit dem Wirken der Arbeiteraristokratie in der BRD noch als ganz wichtige Frage behandeln müssen, ist das Streikrecht. Hierbei insbesondere die Frage des politischen Streiks, des Massenstreiks. Darüber wurde die Diskussion in den Gewerkschaften wieder begonnen, und es gibt dazu Anträge. So wurde z.B. bei der IG BAU die Forderung nach politischem Streik beim letzten Gewerkschaftstag in die Satzung aufgenommen. Diese Frage war bereits zu Zeiten August Bebels und Rosa Luxemburgs Streitthema in der damals noch revolutionären Sozialdemokratie und Trauma sozialdemokratischer Gewerkschaftsführer. So gelang es z.B. den reformistischen Gewerkschaftsführern 1905 auf dem Kölner Kongress der Gewerkschaften eine Resolution durchzusetzen, in der es heißt: »Der Kongress hält daher auch alle Versuche, durch die Propagierung des politischen Massenstreiks eine bestimmte Taktik festlegen zu wollen, für verwerflich; er empfiehlt der organisierten Arbeiterschaft, solchen Versuchen energisch entgegenzutreten.«12 Massenstreiks sind also »verwerflich«, das muss man sich mal vorstellen.

Die Arbeiter haben diesen Beschluss damals wieder gekippt. Das ändert allerdings nichts daran, dass die Mehrheit unserer Gewerkschaftsführer den Forderungen nach politischem Streik bis heute – also nach über 100 Jahren – immer noch energisch entgegentritt, wie aktuell der DGB-Vorsitzende Sommer. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung stellt er am 12. Mai 2010, bezogen auf einen Antrag zum DGB-Bundeskongress, fest: »… politische Streiks sind nicht die Sache des DGB.«

Dieser Streikfeindlichkeit der opportunistischen Gewerkschaftsführer ist die Tatsache geschuldet, dass wir in der BRD kein gesetzlich geregeltes Streikrecht haben. Es gibt nur einen einzigen Satz im Grundgesetz (Artikel 9), der das Koalitionsrecht regelt, in dem heißt es, Arbeitskämpfe zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, wie wir das in der BRD kennen von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, dürfen nicht behindert werden.

Auf diese Aussagen gründet sich das ganze so genannte Streikrecht in der BRD. Die Gewerkschaftsführer haben die bei der Verabschiedung des Grundgesetzes in breiten Teilen der Arbeiterklasse vorhandene Streikbereitschaft nicht dafür genutzt, das Streikrecht als elementares bürgerliches Recht der Lohnabhängigen zu verankern. Dabei hat es bis in die 1950er Jahre hinein Streiks mit Millionenbeteiligung gegeben; geschrieben wird z.B. von sieben oder neun Millionen, die u.a. für die Durchsetzung der Mitbestimmung auf der Straße waren. Das ist heute unvorstellbar, und man wünscht sich, dabei gewesen zu sein.

Unsere französischen, italienischen, griechischen u.a. Kolleginnen und Kollegen in Europa streiken z.B. auf der Grundlage von Artikel 6 der Europäischen Sozialcharta. Das einzige Land, in dem das nicht läuft, ist die BRD, und dann gibt es natürlich auch noch England, wo die damalige Thatcher-Regierung das Streikrecht gegen die englische Arbeiterklasse amputiert und verschärft hat. Unsere Gewerkschaftsführer schwätzen hier bei jeder Gelegenheit großmäulig vom angeblichen »Europa der Arbeitnehmer«, nur wenn es darum geht, das Streikrecht nach der Europäischen Sozialcharta für die Lohnabhängigen in der BRD zu fordern, hört man von ihnen so gut wie gar nichts. Darin wird bezogen auf den Klassenwiderspruch ausgesagt, dass man auch als einzelner zur Durchsetzung und Verteidigung seiner Interessen ein Streikrecht hat. Das heißt, man kann auch als Betriebsrat zum Streik aufrufen, was hier in der BRD nach dem Betriebsverfassungs- und nach dem Tarifvertragsgesetz ausdrücklich verboten ist. Im Letzteren sind die ganzen Regeln für den Streik festgelegt und die ganze Klassenjustiz in der BRD. Die bundesdeutschen Arbeitsgerichte haben das so genannte Streikrecht so zementiert, dass es nur für Gewerkschaften gilt. Nur sie dürfen unter Einhaltung der Regeln nach dem Tarifvertragsgesetz – Zeiten der Friedenspflicht usw. – zum Streik aufrufen.

Alles andere, was wir so machen und zum Glück auch noch erleben, dass z.B. Belegschaften den Kapitalisten die Klamotten vor die Füße werfen, ist nach deutschem Arbeitsrecht illegal und wird als wilder Streik verleumdet. Mit Begründungen wie der Teilnahme an wilden Streiks sind schon häufiger Kolleginnen und/oder Kollegen fristlos entlassen worden. Diese Drohung besteht nach wie vor, vor allem dann, wenn sich nur wenige Leute am Streik beteiligen.

Was die Verhinderung von Streiks und direkte Unterstützung der Bourgeoisie durch die Gewerkschaftsführer betrifft, dafür ist die abgelaufene Tarifbewegung bei der IGM ein Musterbeispiel. Es gibt dazu in der KAZ Nr. 330 einen Artikel mit dem Titel »Eine neue Qualität des vorauseilenden Burgfriedens«, in dem wird beschrieben, was sich die IGM-Führung geleistet hat. Statt die durch die Krisensituation angeschlagene Bourgeoisie für die Durchsetzung von Forderungen der Arbeiterklasse zu nutzen, hat die IGM-Führung alles unterlassen, um die Kapitalisten auch nur annähernd unter Druck zu setzen. Im Gegenteil, in einer Situation, in der die Gewerkschaft ver.di mitten in der Tarifbewegung war und versucht hat, ihre Mitglieder für die Durchsetzung ihrer Forderungen zu mobilisieren, hat die IGM-Führung weder eine Forderung aufgestellt noch dafür mobilisiert. So wurde im Metall-Extranet unter Bildern, auf welchen Protestierende und streikende Kolleginnen und Kollegen mit IGM-Fahnen, Trillerpfeifen und anderen bei Warnstreiks benutzten Utensilien zu sehen sind, erklärt: Wir wollen einen Tarifabschluss ohne die alten Rituale. Was bedeutete, die Mobilisierung von rund 3,4 Millionen Arbeiterinnen/Arbeitern und Angestellten ist unterblieben. Wie die IGM-Führung selbst immer feststellt, werden für diese Anzahl Beschäftigter Tarifverträge abgeschlossen.

Wir müssen uns vor Augen führen, was das im Zusammenhang für die notwendige Mobilisierung in den Betrieben heißt. Die Versorgung von 3,4 Millionen Lohnabhängigen mit Material, die Durchführung von entsprechenden BR- und Vertrauensleutesitzungen und anderen Mobilisierungskonferenzen usw. unterbleiben. Sehen wir das im Zusammenhang mit der Forderung nach politischem Streik, dann geht es ja nicht nur um die eigenen Leute, sondern ebenso darum, anderen Mut zu machen und sie mitzuziehen. So z.B., um den so genannten »sozialen Bewegungen« ein Zeichen zu geben und sich an die Spitze dieser gesellschaftlichen Bewegungen zu setzen. Sie entstehen häufig genug nur aufgrund der Untätigkeit und der ständigen Abwiegelungsversuche der Gewerkschaftsführer. Wenn wir über gesetzliche Arbeitszeitverkürzung reden oder Herabsetzung des Rentenalters, dann müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass das ohne Massenstreik nicht zu machen ist. Ohne Druck aus den Betrieben kommt auch die Regierung nicht unter Druck. Vor Druck und Unruhe aus den Betrieben hat die IGM-Führung die Kapitalisten mit ihrer Tarifrunde »ohne die alten Rituale« bewahrt und damit der notwendigen Stärkung der eigenen Kampfkraft ins Gesicht geschlagen.

Es gibt mehrere schöne Bilder, die nach dem Tarifabschluss belegen, welchen Schaden die IGM-Führung mit ihrem Vorgehen der gesamten Gewerkschaftsbewegung zugefügt hat. Eines der Bilder zeigt Huber mit der Kanzlerin und darunter steht: »Angela Merkels neuer Bündnispartner«. Auf dem anderen ist mit der Bildunterschrift »Neue Freunde« der lachende Huber mit dem geradezu feixenden Gesamtmetallpräsidenten Kannegießer zu sehen. Der reißt dabei das Maul so weit auf, dass man ihm einen Tennisball reinwerfen möchte.

Abgesehen vom Lob in den bürgerlichen Zeitungen und dem Dank von Kapital und Regierung an Huber zeigen beide Bilder deutlich, wer Gewinner der IGM-Tarifrunde wurde und ist. Früher haben wir immer gesagt: »Wenn mich meine Feinde loben, dann habe ich einen Fehler gemacht.« Das Wenigste ist, dass man dann misstrauisch sich selbst gegenüber werden muss. Stattdessen lobt der IGM-Vorsitzende wörtlich einen Tarifvertrag als »weltweit einzigartiges Modell für sicherere Arbeitsplätze«13. Das »weltweit Einzigartige« ist ein Tarifvertrag über die Einführung von sechs Monaten tariflicher Kurzarbeit. Sie ist freiwillig, das Kapital kann nicht dazu gezwungen werden, was für Belegschaft und Betriebsrat bedeutet, sie haben darauf keinen Rechtsanspruch. Die Durchsetzung dieser Kurzarbeit hat die IGM-Führung, der Forderung der Kapitalisten entsprechend, den Betriebsparteien übertragen. Das fällt unter den Begriff »Verbetrieblichung der Tarifpolitik«.

Nach Untersuchungen der Hans-Böckler-Stiftung wehrt sich die große Mehrheit aller Betriebsräte gegen diese Gewerkschaftspolitik, weil sie aufgrund des fehlenden Streikrechts dem Kapital gegenüber wehrlos ist. Seit Jahren fordern die Kapitalisten die Abänderung des Paragraphen 77 aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Dort soll der Absatz 3 gestrichen werden, wofür sich vor allem die FDP stark gemacht hat. Die Gewerkschaften sollen dadurch aus den Betrieben herausgehauen werden und die Betriebsräte faktisch über Betriebsvereinbarungen regeln, was sonst nur in Tarifverträgen geregelt werden darf. Ich vermute, dass die Gewerkschaftsführer, um dieses zu vermeiden, genau das tun werden, was die Kapitalisten wollen. Also auch wieder in vorauseilendem Gehorsam die Betriebsräte regeln lassen, was ein Kampfauftrag für die Gewerkschaft ist. Wenn die Kapitalisten jetzt doch die Leute auf die Straße werfen wollen, hat der BR nach diesem hoch gelobten Tarifvertrag überhaupt kein Recht darauf, Kurzarbeit einzuführen. Sehen wir jetzt in die Runde, so werden z.B. bei Siemens und anderen – die IGM berichtet immer darüber in ihrem Extranet – überall Kolleginnen und Kollegen herausgeworfen. Vom Tarifvertrag ist hierbei keine Rede mehr.


  1. Über die Aufgaben der III. Internationale, LW Bd. 29, S. 500 

  2. MEW Bd. 21, S. 194 

  3. MEW Bd. 21, S. 192/193 

  4. Engels, Die Lage der arbeitenden Klasse in England, MEW Bd. 2, S. 647 

  5. MEW Bd. 35, Berlin 1967, S. 357 

  6. 7.10.1858, MEW, Bd. 29, S. 358 

  7. MEW Bd. 23, S. 697/698 

  8. LW Bd. 22, S. 198 

  9. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1969 

  10. B. Fogarasi, Lenins Lehre von der Arbeiteraristokratie und ihre Anwendung auf Frage der Gegenwart, in: Unter dem Banner des Marxismus, Heft 4, Moskau 1935 

  11. Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, S. 54/55, Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED 

  12. Interview mit www.igmetall.de vom 23.02.2010 

  13. Zitiert nach: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Bd. 2, S. 98/99, Dietz Verlag Berlin 1966