Konferenz
»Der Haupt­feind steht im eigenen Land«

Die jährlich stattfindenden Konferenzen gegen den deutschen Imperialismus sollen den politischen Austausch und die Zusammenarbeit derjenigen revolutionären Kräfte fördern und vorantreiben, die in der Arbeiter- und demokratischen Bewegung für die Linie »Der Hauptfeind steht im eigenen Land« kämpfen wollen.

Weltwirtschaftskrise 2008 – ???

Rolf Fürst, KAZ-AG »Zwischenimperialistische Widersprüche«

Mai 2009

Ich werde versuchen, einige Aspekte der aktuellen Situation aus meiner Sicht, insbesondere der aktuellen Lage in Deutschland und natürlich vor allem der ökonomischen Lage des deutschen Imperialismus, hier darzustellen. In welche Aspekte wir dann etwas tiefer einsteigen wollen, ist abhängig von Euch, von der Diskussion, denn das Thema ist so umfassend, man kann es so breit und tief ergründen, dass wir heute sicherlich nicht alle Fragen klären können. Deshalb verweise ich auch auf die KAZ und auf die Internetseite secarts.org, da können viele Ergänzungsmaterialien nachgelesen werden. Zunächst versuche ich erst mal einige Dinge aneinanderzureihen, um einen Gesamtüberblick zu geben.

Ich beginne mit ein paar Sachen aus meiner Sammlung der Kuriositäten in Verbindung mit dem Thema. Ein Zitat: »Immer das gleiche Muster, in der Not soll es überall der Staat richten, wann endlich, liebe Freunde, lernt die SPD, dass der Weg zu mehr Staat immer der Weg zu weniger Wachstum, Aufschwung und Beschäftigung ist?« Wer sagte das? Angela Merkel, auf dem CDU-Parteitag am 1.12.2003.

Angela Merkels Schimpftiraden gegen Staatsinterventionen sind im Moment ziemlich abgeflaut. Aber es wirkt schon mehr als skurril, wenn man sich diese Zitate wieder raussucht. Man sieht aber auch, wie wandlungsfähig die sind. Ich komme am Ende noch mal darauf, wie die momentanen Verstaatlichungen zu beurteilen sind, die den Charakter haben, das System zu erhalten. Daher können wir diesen Verstaatlichungen momentan nichts besonders Positives abgewinnen. Wir müssen das auch von daher einstufen und sehen, dass das Element der Verstaatlichung ganz unterschiedlichen Charakter annehmen kann innerhalb des kapitalistischen Systems.

Hier die Entwicklung der Zahl der Steuerberater. Die hat sich in den letzten 25 Jahren verdoppelt. Wir sind mittlerweile bei 84.000 Steuerberatern. In der DDR brauchte man zum Beispiel so gut wie gar niemanden dafür. Auch ein Zeichen für Unproduktivität und Fäulnis innerhalb einer imperialistischen Entwicklung. Ähnlich ist es übrigens bei Rechtsanwälten. 100.000 zugelassene Rechtsanwälte in Westdeutschland. In der DDR gab es 1.000 (Gregor Gysi darunter, wie die meisten ja wissen), und 1.000 waren mehr als genug. Das sind alles Effekte, die in dieser Gesellschaft einfach voranschreiten.

Das wird auch so weitergehen, denn die Idee von Friedrich Merz mit der Steuererklärung auf dem Bierdeckel wird noch schwieriger. Die Krise erreicht jetzt auch den Bierdeckel, der größte Bierdeckelhersteller der Welt im Sauerland ist in Konkurs gegangen.

Was haben wir noch an Kuriositäten? Das erste und wahrscheinlich auch das letzte Interview von Adolf Merkle im Dezember 2008: »Ich habe viele Börsencrash überstanden«. Anschließend hat er dann im Januar den letzten kostenlosen Service der Deutschen Bahn in Anspruch genommen und sich durch Selbstmord von seinem zusammenbrechenden Firmenimperium verabschiedet.

Im September 2008 wird vermeldet, dass der Vatikan vorausschauend auf die Krise reagiert hat: Bereits im August 2008 kauft der Vatikan rund eine Tonne Gold und reduziert gleichzeitig seine Investitionen im Aktienmarkt, so eine offizielle Mitteilung des Haushaltsamtes des Vatikan. Eine Tonne Gold – für die, die nicht so viel Gold zuhause haben – hat einen Wert von ca. 20 Millionen Euro.

Da gibt es mittlerweile auch jede Menge Glücksritter, die versuchen, aus der Lage ihren Vorteil zu schlagen. Andreas Klaus ist im Moment ziemlich groß im Kommen, reist durch die Lande und empfiehlt, Lebensmittelvorräte anzulegen, Gold zu kaufen und Ackerflächen anzupachten. Er war früher Vermögensberater, hat dann festgestellt, dass das nicht immer so ganz mit sauberen Dingen zugeht und hält jetzt also Vorträge in Richtung Lebensmittelhortung und »zurück zu den wahren Werten«. Es ist nicht verwunderlich, dass sowas in dieser Krise den entsprechenden Zulauf hat. Wobei – und da sind wir dann schon beim Ernsthaften – er bringt politisch Riesenschwung rein, der dann in Richtung antiamerikanische Propaganda verläuft. Das gipfelt darin, dass er behauptet, selbstverständlich müssten an der Wallstreet entsprechende Anleger und Börsenmakler vor den Anschlägen vom 11.09.2001 gewusst haben. Eine These, die leider auch in der Linken zum Teil entsprechenden Zulauf und Verbreitung findet. Das waren ein paar Schlaglichter zum Einstieg.

Ich habe eine Anzeige mitgebracht von einer süddeutschen Zeitarbeitsfirma vom April 2009: »15% auf alle Stundensätze unserer Hilfs- und Fachkräfte. Angebot gilt nur vom 27.04. bis 30.06.09« – zu lesen in der FAZ vom 20.5.2009.

Das skizziert, was uns möglicherweise auch in Zukunft an Angriffen begegnen wird. Es gab über diese Anzeige hinterher ziemlichen Trouble, die IG Metall hat sich extrem beschwert, es wäre moderner Sklavenhandel usw. Ich bin da sozusagen zweischneidig: Einmal ist da der Angriff auf die Arbeiter, das lehnen wir natürlich ab. Andererseits bringt so was auch den realen Kern zum Vorschein. Es ist kein Sklavenhandel, es ist genauso wie jedes andere Lohnarbeitsverhältnis im Kapitalismus auch. »Nur« dass die Bedingungen – aber das ist ja bekannt – bei der Zeitarbeit deutlich schlechter sind. Das Verhältnis wird hier nur deutlicher rübergebracht.

Wir haben hier vor einem Jahr in unserer Fraktion »Für Dialektik in Organisationsfragen« von der KAZ ein Seminar gehabt und haben uns die Frage gestellt: Gibt es einen Aufschwung? D.h. vor einem Jahr waren wir in einer völlig anderen Situation, wir hatten eigentlich erlebt, und so hatten wir es da analysiert, dass es insbesondere 2006 einen ziemlich beachtlichen Aufschwung gab, Aufschwung im bürgerlichen Sinn, also Erweiterung der Produktion, Steigerung des Bruttoinlandsprodukts. Wir waren zu dem Zeitpunkt, also Mai 2008, in der Einschätzung, jetzt eine leichte Abkühlung zu erleben, also die Phase gegen Ende dieses Aufschwungs zu erleben. In keiner Weise haben wir vermutet, uns wenige Monate später in der größten kapitalistischen Krise seit Jahrzehnten wiederzufinden. Das kann man auch nicht vom Zeitpunkt her genau vorhersehen und vorausberechnen. Dies führt uns vor Augen, in welchen relativ kurzen Zeiträumen wir in diese Situation heute gekommen sind.

…vor einem Jahr: Gibt es einen Aufschwung?

Zusammenfassung Einschätzung für FDO-Klausur 02.05.2008

  1. Im bürgerlichen Sinne gab es/ gibt es in Deutschland einen Aufschwung, eine Erweiterung der Produktion seit 2006 .

  2. Diese Erweiterung zeigt sich insbesondere in der Steigerung der originären, industri- ellen Produktion und hier in der Abteilung I, der Produktion von Produktionsgütern (Maschinen, technischen Anlagen)

  3. Diese Erweiterungsmenge wird überwiegend exportiert, betrifft also nicht in inländische Nachfrage. Diese Tendenz ist überragend in den vergangenen 15 Jahren.

  4. Ebenso ist der Kapitalexport in den letzten Jahren deutlich angestiegen.

  5. Die Erweiterung der Produktion wirkt in deutlich geringerem Maße als in früheren Phasen dieser Art auf die Zahl der beschäftigten Arbeiter. Die derzeit zusätzlich eingestellten Arbeiter sind in erheblichem Maße vorrübergehend (Zeitarbeit und befristet).

  6. Die Erweiterung wirkt nicht auf dem Konsum der Arbeiterklasse, die Verteilung verläuft unverändert zu Lasten der Arbeiter, zu Gunsten des Kapitals.

  7. Die Erhöhung von Arbeitsintensität und Arbeitsproduktivität zur Steigerung des Profits läuft im Aufschwung unvermindert weiter, ja verstärkt sich noch.

  8. Diese Entwicklung ist so gravierend, dass sogar die nötige Erhöhung des konstanten Kapitals relativ zurückgeht. Folglich gelingt es dem Kapital in Deutschland derzeit, dem tendenziellen Fall der Profitrate erfolgreich entgegenzutreten und zusätzliche Mittel für Kapitalexport zu gewinnen. Die Arbeiterklasse ist somit trotz eines objektiven Aufschwungs – zumindest nach den ökonomischen Fakten – in völliger Defensive.

Vor einem Jahr war klar, es wird nicht ewig so weiter gehen. Wir waren aber in der Situation, dass die Arbeitslosigkeit in der Tat reduziert war. Allerdings wie in früheren Aufschwüngen nicht durch überwiegende Festeinstellungen (wie es jetzt heißt), sondern ein Großteil der Reduzierung von Arbeitslosigkeit lief über die Zeitarbeit.

Wir hatten ein in der Dimension für Deutschland neues Phänomen, dass 1 Million Arbeitskräfte in Zeitarbeit waren, die mittlerweile auch größtenteils wieder entlassen sind. Das heißt, dieser Aufschwung wurde nicht genutzt, aus Sicht der Arbeiterklasse, um bestimmte Verbesserungen zumindest innerhalb des Kapitalismus zu erreichen, und das hat sich jetzt ziemlich brutal gerächt. Da hat man nicht versucht, den Druck auszunutzen: das Kapital hatte ja das Problem in vielen Bereichen, dass es mit den Aufträgen kaum hinterherkam.

Eine idealere Situation für den Kampf kann man sich von den ökonomischen Bedingungen kaum vorstellen. Man hat das nicht genutzt. Und so hat man die Situation, dass die Arbeiter, die eingestellt wurden, heute wieder ganz überwiegend arbeitslos sind, weil die Bedingungen der Zeitarbeit überwiegend so sind, dass man sich dieser Arbeitskräfte völlig flexibel und kostenfrei wieder entledigen kann.

In den Jahr seit dieser genannten Analyse ist viel passiert. Vor einem Jahr standen wir vor einer ganz anderen Situation. Im September erschütterte die Pleite der Lehmann Brothers weltweit die Ökonomie. Danach überschlugen sich die Ereignisse. Mittlerweile haben wir die verschiedenen Rettungspakete, die es gibt; Verstaatlichung und Teilverstaatlichung von Commerzbank, Hypo Real Estate (die vorher in der Runde auch nicht jeder kannte, weil sie nicht weiter präsent ist in Form von Filialen) und so Manches mehr. Opel – die Situation ist auch noch ungeklärt, aber heftig in Bewegung. Das sind alles Dinge, die noch kein Jahr her sind, und sie stellen uns vor eine verschärfte Situation. Auf den Vergleich mit 1929 komme ich gleich noch.

Auch für die Handelnden im Kapital ist es eine neue Situation. Man wusste nicht, ich hatte keine konkrete Vorstellung, was denn das nun heißt: solch eine Krise – wie funktioniert das konkret? Es ist ja nicht so, da beginnt die Krise, die Pleite der Lehmann Brothers zum Beispiel, und dann geht jede Woche eine Bank pleite und irgendwann sind alle hin. So funktioniert es nicht. Das heißt, wir haben Phasen dazwischen, wo wir uns momentan auch befinden, wo so eine scheinbare Ruhe einkehrt. Die Propagandamaschine versucht das zu unterstützen, ja, es gibt jetzt schon wieder Hoffnungsschimmer hier und da, die Stimmung verbessert sich, usw. usf. Der DAX (deutscher Aktienindex) steigt mal wieder um ein paar Punkte. Und dann wird wieder ein Punkt kommen, in absehbarer Zeit, wo wieder was Gegenläufiges passiert, wieder deutlich was ausbricht, das den nächsten Punkt in dieser Krise markiert.

Die Krise von 1929 ging insgesamt drei bis vier Jahre, und das ist auch eine neue Erfahrung für uns. Darauf müssen wir uns einstellen. Das ist nicht so, dass alles um uns herum ständig explodiert, sondern es gibt solche Phasen der gewissen Ruhe. Das ist meine Einschätzung, und das müssen wir hier aufnehmen.

Zwischenruf: Heute stand in der Zeitung: Größte Bankenpleite des Jahres in den USA – United ist pleite – 4,5 Milliarden-Dollarloch …

Das ist aber nicht so viel. 2007 gingen 3 Banken pleite, 2008 schon 25, 2009 jetzt schon 34.

Das führt momentan nicht dazu, dass Panik ausbricht, das die Leute zur Bank laufen und versuchen, wenn sie denn was haben, ihr Spargeld dort abzuheben usw. Das ist bisher alles noch verhindert worden. Das muss man ganz klar sehen. Also es gab zeitweise einen gewissen Run von überwiegend Kleinbürgern auf Gold, so dass es teilweise keinen Nachschub gab (von Gold in kleinen Mengen, Münzen usw.). Aber ansonsten ist hier jetzt keine Panikstimmung oder Lebensmittelengpass oder irgendwas, was man mit der historischen Krise 1929 verbinden könnte. Das ist erst mal eine Erkenntnis, zu sagen, wie verhält sich das eigentlich in unserem alltäglichen Umfeld? Das hat für die Bedingungen des Kampfes und der Agitation eine Bedeutung.

Die Zahlen aus bürgerlichen Quellen, die ich mitgebracht habe, haben natürlich immer die Einschränkung, nicht hundertprozentig so ermittelt zu werden, wie wir das gern in unserer Analyse haben wollen. Gleichwohl gibt es keine andere Möglichkeit, als sich auf diese von bürgerlichen Instituten ermittelten Zahlen zu stützen. Man kommt dennoch auf die ziemlich eindeutige Ergebnisse.

Hier seht ihr die Entwicklung des BIP (Bruttoinlandsprodukts), also die Zahl, die die Gesamtwirtschaftsleistung innerhalb eines Staates ausdrückt. Sie entspricht nicht dem, was wir an statistischer Erhebung machen wollen oder würden, aber eine bessere Annäherung steht unter den derzeitigen Umständen nicht zur Verfügung. Das BIP ist hier ein Prozentwert. Das aktuelle Grundlagenjahr ist das Jahr 2000, das damalige BIP entspricht 100%. Wir kommen hier von 2001, da haben wir eine leichte Steigerung auf 101%. Dann beginnt 2006 der sehr starke Anstieg von 104% auf 111%, also eine Erweiterung der Gesamtwirtschaftsleistung innerhalb von 2 Jahren von 7%. Ein starker Aufschwung, wie er in den vergangenen Jahrzehnten selten zu beobachten war. Vor einem Jahr haben wir die Lage analysiert – und jetzt bis zum ersten Quartal 2009 ein drastischer Abstieg. Für das zweite Quartal gibt es noch keine Zahlen, es ist aber keine Richtungsänderung erkennbar.

Dieser aktuelle, regelrechte Absturz ist der mit Abstand größte Rückgang in der Geschichte der Bundesrepublik, den es je gegeben hat. Das ist definitiv keine Meinungsmache – die Wirtschaftsleistung und damit die Produktion sind massiv reduziert. Es ist nun ungefähr auf dem Niveau von vielleicht 2001.

Man könnte jetzt sagen, na gut, 2001, das gleiche Niveau, wo ist das Problem? Aber man darf nie vergessen, dass es im kapitalistischen System immer den grundsätzlichen Zwang gibt, zu erweitern und die Produktion weiter zu steigern. Jetzt zu sagen, wir beschränken uns mit dem, was vor 20 Jahren war, unsere Eltern sind auch damit zurechtgekommen, funktioniert so gerade nicht.

Wir haben den größten Rückgang des BIP seit Beginn der Ermittlungen, seit Bestehen der Bundesrepublik. Im ersten Quartal minus 6% zum dritten Quartal 2008, wo sich die Krise auch schon auszuwirken begann. Dabei ist die Produktion der Teilbereich bei der Gesamtermittlung, der die größte Schwankung hat. Zum BIP zählt z.B. auch das Gesundheitswesen und alle Verwaltung. Es gibt jetzt nicht wegen der Krise 10% weniger Kranke oder Verwaltungsvorgänge, die sind kontinuierlich. Ein so großes Minus kann primär nur aus der Produktion kommen. Also heißt das, dass die Reduktion im Produktionssektor noch wesentlich größer ist als 6%.

Im März 2009 ist die Produktion in Deutschland verglichen mit März des Vorjahres minus 20% – 20% weniger ist produziert worden. Und ein weiterer Faktor – es gibt viele Dinge, die nicht produziert und gleich verkauft werden, z.B. große Maschinen, technische Anlagen, der ganze Maschinenbau – ist der Auftragseingang. Die Entwicklung des Auftragseingangs deutet in die Zukunft, wie sich die Produktion in nächster Zeit entwickeln wird.

Der Auftragseingang ist in einem Jahr um 35% zurückgegangen. Weil da eben immer ein zeitlicher Vorlauf ist zwischen Auftragseingang und Produktion, kann sich die Produktionsmenge also kaum kurzfristig verbessern. Es gibt auch Dinge, die werden sofort produziert und dann verkauft. Aber für viele Dinge, die für die Industrieproduktion, die Ökonomie in Deutschland wichtig sind, gibt es zunächst diesen Auftragseingang. Selbst bei Automobilen hat man aufgrund der komplexen Produktionsweise einen gewissen Vorlauf.

Die Zahl Produktionsrückgang = -20% ist natürlich eine Gesamtmischung der gesamten Industrieproduktion. In der Stahlindustrie sind es bis zu 50%! Es gibt Produktionsgüter für den Konsum der Bevölkerung, die normalerweise stetiger verlaufen. Marxistisch gesprochen hat die Abteilung I (= Produktion von Produktionsgütern) stärkere Ausschläge. Eine Investition in eine Produktionsmaschine macht momentan fast niemand mehr. Wofür auch, wenn das Produzierte dann wieder nicht abgesetzt werden kann?

Die Krise nährt die Krise. Man kann es auch im PKW-Bereich sehen. Da hat man nun diese Abwrackprämie, die hat das zunächst ein bisschen abgefedert. Bei großen LKW ist der Rückgang über 50%.

Die nächste Kennzahl ist für unsere Lage besonders wichtig, weil sie die Auswirkung des Ganzen zeigt: 4% aller Beschäftigten (das meint jetzt nicht nur die Produktionsarbeiter, sondern alle) sind in Kurzarbeit.

1,5 Millionen Arbeiter in Deutschland haben im Moment Kurzarbeit. Das geht von wenigen Wochenstunden, die sie weniger arbeiten müssen und vergütet bekommen, bis hin zur so genannten Kurzarbeit Null. Das ist der Status der Kurzarbeit, bei dem man gar nicht arbeitet. Man hat hier vom Arbeitsinhalt und von der Bezahlung her den Zustand eines Arbeitslosen, ist aber juristisch nicht arbeitslos. 1,5 Millionen Kurzarbeiter, das hat es auch noch nie gegeben. Im Durchschnitt arbeiten die Kurzarbeiter im Moment etwa ein Drittel weniger. D.h., was mit der Kurzarbeit momentan stattfindet, entspricht aktuell etwa 500.000 Arbeitslosen.

Die Kurzarbeit ist nun so ausgeprägt, dass es sie in dieser Form nur in Deutschland gibt und sie in verschiedene Aspekte aufzuteilen ist. Zum einen kann sich das Kapital für einen gewissen Zeitraum zu Lasten der Kasse des Arbeitsamtes praktisch seiner Probleme entledigen. Die reduzierten Stunden, die nicht gearbeitet werden, werden letztendlich fast ausschließlich vom Arbeitsamt bezahlt (oder wie es jetzt heißt: Arbeitsagentur). Man geht an die Kasse, die durch die Arbeitslosenbeiträge der Arbeiter finanziert ist, und federt das Ganze erst mal ab. Es ist klar, auf Dauer hilft die Kurzarbeit nicht, dadurch kommen auch keine neuen Aufträge herein. Aber man hat das Instrument noch einmal verlängert, bis zu zwei Jahren kann die Kurzarbeit jetzt gemacht werden. Und das ist das einzige Instrument, um einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern.

Die Kurzarbeit ist das älteste Mittel, das die Arbeitslosenstatistik schönt. Man müsste die Leute wenigstens anteilig als »Teilarbeitslose« rechnen. Aber das geschieht nicht. Im Moment hat man im Gegenteil den Eindruck, die rufen beim Arbeitsamt an: Wir machen jetzt Kurzarbeit, und das geht alles einfach so durch. Also die Möglichkeit, auf diese Kasse zuzugreifen, ist vom Kapital momentan quasi unbegrenzt. Auch mal nur für eine Woche und so, Produktionsschwankungen können sie so völlig problemlos ausgleichen. Und: Wenn die Arbeiter in der kommenden Woche wieder da sind, arbeiten sie »erholt« und komprimiert auch noch produktiver.

Im finanziellen Ergebnis wird dies dazu führen, dass das Arbeitsamt im Jahr 2010 ca. 20 Milliarden Euro Verlust macht, denn kurzfristige Änderung ist nicht in Sicht. Eigentlich müssten die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung schon jetzt deutlich angehoben werden. Aber 20 Milliarden ist heute schon nicht mehr der Rede wert, das wird erst mal so durch gewunken. Es verstärkt sich der Eindruck, dass im Moment vermieden wird, mit Steuererhöhungen oder Ähnlichem dem Ganzen zu begegnen. Zunächst wird im Gegenteil das Geld erst mal aus der Staatskasse gedeckt, diese 20 Milliarden Minus im nächsten Jahr.

Die Kurzarbeit bewirkt, dass die Situation im Bereich der Arbeitslosigkeit noch nicht so massiv durchschlägt. Sie wirkt aber auch auf das Bewusstsein. Sie führt beispielsweise zu einer großen Verunsicherung: »Jetzt haben wir schon Kurzarbeit« sagen sich die Kollegen, und es beginnt ein ständiger Wechsel zwischen Hoffen und Bangen um den Arbeitsplatz, der schnell zermürbend werden kann.

Die Arbeitslosigkeit steigt momentan trotz Kurzarbeit, obwohl saisonal normalerweise in bestimmten Branchen eingestellt würde. Das ist diesmal nicht der Fall. Auch das ist relativ einmalig. Ohne die Kurzarbeit wären die Verhältnisse wohl wie beispielsweise in Spanien. In Spanien sind innerhalb von drei Monaten 800.000 Menschen neu arbeitslos geworden. Nominell sind dort insgesamt auch so 4 Millionen Menschen arbeitslos, wobei man berücksichtigen muss, dass dort nur 45 Millionen Menschen leben (im Gegensatz zu ca. 80 Millionen in der BRD).

Nun komme ich zurück zu meinem Titel: Wirtschaftskrise! Da wurde am Anfang viel von einer Bankenkrise gesprochen, dann von einer Finanzkrise. Dann gab es bunte Ergänzungen und Wortschöpfungen: Ratingagenturkrise, Hypothekenkrise – gestern vernahm ich sogar: Denkkrise!

Historisch auf 1929 bezogen ist es wichtig zu sagen, dass der Begriff Weltwirtschaftskrise nicht zutrifft, weil die Krise nicht die ganze Welt betraf. 1929 (und folgende) war die Sowjetunion in weiten Teilen abgekoppelt und hat in der gleichen Zeit, als die kapitalistische Welt in dieser tiefen Krise war, große Fortschritte gemacht. Das wird dabei in der Regel von Linken unbeabsichtigt ausgeklammert. Deswegen würde ich den Begriff Weltwirtschaftskrise nicht unbedingt teilen. Für heute ist es noch schwieriger. Was man als Faktor nehmen könnte, wäre China, möchte ich jetzt nicht ausgiebig diskutieren. China ist aber sicherlich nicht so weit abgedrängt wie die Sowjetunion 1929.

Dennoch finde ich, wir sollten erst mal von Wirtschaftskrise reden. Das ist jedenfalls eine Krise der allgemeinen Ökonomie und nicht nur einzelner Sektoren wie zum Beispiel der Banken und Versicherungen.

Am Anfang hieß es, nun übertreibt mal nicht, so stark ist der Einbruch der Produktion nicht. Das hat sich aber jetzt sehr verstärkt. Am Anfang hieß es minus 1%, minus 2%. Aber dann haben die Prognoseinstitute sich teilweise wöchentlich wirklich überschlagen. Mittlerweile minus 6%, minus 7%. Und mittlerweile sind wir eindeutig in der Krisensituation. Man sieht es hier an der linken Grafik: blau ist die Krisenentwicklung von 1929 und rot der Verlauf von heute. Dies bezieht sich auf den Absturz der Welt-Industrieproduktion. Der Rückgang heute ist absolut vergleichbar mit dem von 1929. Natürlich basierten die Zahlen von 1929 statistisch nicht auf einem so umfangreichen Zahlenmaterial wie heute, dennoch: Es ist auf jeden Fall vergleichbar. Die setzen den Punkt irgendwo im April letzten Jahres, das ist auch Geschmackssache, ich würde es eher in den September setzen, aber wer will das definieren? Wenn man das in den September setzen würde, weil man sagt, im Frühjahr war eigentlich noch nicht Krisenentwicklung, wäre der Absturz wesentlich härter.

Ein wichtiger Unterschied zu 1929 ist heute insbesondere in der organischen Zusammensetzung des Kapitals zu sehen. Das Kapital setzt sich aus marxistischer Sicht aus konstantem und variablem Kapital zusammen. Verkürzt gesprochen setzt sich das konstante Kapital aus Maschinen und Anlagen zusammen, also aus Kapital, das sich nur langfristig wieder amortisiert und umgesetzt wird auf die Produkte. Der Anteil von Maschinen ist heute bekanntermaßen weit höher als 1929, d.h. der entsprechende Anteil des variablen Kapitals, sprich des Arbeitslohns ist entsprechend relativ niedriger.

Welches Problem birgt das für die Kapitalisten? Ihr Problem ist: Maschinen können sie nicht entlassen. Ich kann sie zwar verschrotten, aber das Kapital habe ich einmal ausgegeben, und dann kann ich nichts mehr daran ändern. Heißt im Umkehrschluss: Die Möglichkeit, durch Entlassungen als Einzelkapitalist der Krise Herr zu werden, diese Möglichkeit wirkt sich in der Kasse viel geringer aus als zum Zeitpunkt 1929. Was letztendlich die ganze Problematik extrem verschärft.

Wenn ich einen Lohnanteil habe von vielleicht (z.B. bei VW) 20% Lohnkosten (variables Kapital), und theoretisch entlasse ich jetzt alle, dann spare ich 20%. Diese Möglichkeit war in der Krise 1929 in viel größerem Maße gegeben. Das heißt, die Kapitalisten haben das Problem, dass sie so viel (konstantes) Kapital fix gebunden haben in der Produktion. Da werden sie zunächst eher versuchen (und bis jetzt kann man es auch in diese Richtung erkennen), dass sie durch Verbilligungen, Rabattaktion und Abwrackprämien die Preise senken, um zumindest noch etwas abzusetzen und noch den Teil der Kosten hereinzubringen, die sie zur Finanzierung des fixen Kapitals brauchen. Natürlich werden sie auch Leute entlassen, wenn sie können, aber damit allein können sie es so nicht bewältigen. Angenommen, sie kaufen eine neue Maschine oder bauen eine ganze Anlage und nehmen dafür Kredit auf. Dann wird die Maschine jetzt in der Krise stillgelegt, weil der Absatz nicht gegeben ist. Dann läuft aber der Kredit weiter, das ist der Unterschied.

Wenn ich die Arbeiter rausschmeiße, muss ich nichts mehr bezahlen. Dann zahlt das Arbeitsamt oder wer auch immer. Maschinen kann ich nicht entlassen und damit den Kredit loswerden. Und diese Thematik ist viel extremer geworden durch die langfristige Entwicklung des Kapitals. Das verschärft die aktuelle Lage extrem. Deswegen wird es zumindest bestimmte Teile des Kapitals geben, die versuchen, eher durch Billigaktionen, durch sinkende Preise zumindest einen Teil abzusetzen, weil es dann scheinbar besser ist, als die Maschine ganz stillzulegen. Was in der Folge natürlich »15% auf alles« bedeutet.

Also konkret: Lohnverzicht und Lohndrücken wird viel stärkere Bedeutung haben gegenüber der Frage der Entlassung. Natürlich wird es auch Entlassungen geben, sie werden wie immer alles zusammen versuchen, aber im Vergleich zu 1929 wird diese Frage verstärkter werden. Wenn ein kleines Auto auf einmal noch mal 2000 billiger sein soll, wo soll es denn herkommen? Das kann nur aus den Löhnen kommen.

Hier ist dargestellt die Entwicklung der Profite von Aktien, die sind rot, und Staatsanleihen, die sind blau. Konzentrieren wir uns auf die Aktien. Das beginnt hier 1880 – wie sie das nun wieder genau ermittelt haben wollen, die Effekte von Statistiken, mit eierlegenden Hunden usw. Aber wir können dennoch einiges ablesen.

Ich habe mal so eine rote Linie eingezeichnet. Die messen das sogenannte Kursgewinnverhältnis. Kurz gesprochen: Ich habe einen Aktienkurs und ich habe den Profit in Euro oder in Dollar, und dieses Verhältnis, der wie vielfache Jahresgewinn entspricht dem Aktienwert, das nennt man Kursgewinnverhältnis. Letztendlich ist ein Aktienkurs immer nichts anderes als die Erwartung künftiger Profite.

Wenn jetzt das Kursgewinnverhältnis sehr stark ansteigt, wie zum Beispiel im Jahr 2000, in dieser Entwicklung der »New Economy«, bedeutet das, dass die Erwartung der Gewinne extrem steigt, die Aktienkurse im Vergleich zum Durchschnitt höher sind. Wir haben jetzt die Situation, da ist noch ein sozusagen relativ normaler Wert. Das ist die Aussage. Das heißt, die Börsenkurse sind jetzt noch nicht völlig abgestürzt, obwohl sie hier im Vergleich zu 1929 schon niedriger waren, das heißt da kann einiges durchaus noch nach unten gehen. Die Erwartung ist eigentlich immer noch, dass sich das relativ bald wieder erlösen wird für das Kapital. Die Börsenkurse sind noch nicht total am Boden angekommen. Auch das wieder als Hinweis: wir sind halt in einer scheinbaren Phase eine gewisse Beruhigung. Es kann sich recht bald oder wird sich dann auch weiterentwickeln. Wir müssen es einschränken, in welcher Phase sind wir jetzt möglicherweise? Wir sind in einer Krise, die bisher etwas mehr als ein halbes Jahr dauert – aller Wahrscheinlichkeit nach noch ziemlich am Anfang.

Ich habe viel geredet von der Industrie. Da gibt es auch immer wieder die schöne Diskussion: Ist denn Produktion und so was in Deutschland überhaupt noch angesagt, oder sind wir nicht vielmehr Dienstleistungsland oder ähnliches?

Eine interessante Statistik hier von »Eurostat«. Wir haben hier in der orangenen Kurve die Entwicklung in Deutschland von 1991 bis heute, also rund 20 Jahre, die Entwicklung der Industrieproduktion als Anteil am Bruttoinlandsprodukt. Also wie hoch ist – verkürzt gesprochen – die Industrieproduktion an der Gesamtwirtschaft in dem jeweiligen Land. Verglichen sind hier Deutschland, Italien, Großbritannien, Frankreich. Man sieht, es hat einen gewissen Rückgang des Anteils der Industrie gegeben, wobei hier natürlich auch die Vernichtung der Kapazitäten der DDR für Deutschland eine spezielle Rolle spielt. Ansonsten aber haben wir eine relativ kontinuierliche Entwicklung, im Gegensatz zum Beispiel zu Großbritannien, wo sich in dem Zeitraum in der Tat der Industrieanteil fast halbiert hat.

Der Anteil der Industrie in Deutschland hat sich kaum verändert im Gegensatz zu bestimmten Konkurrenten, wie zum Beispiel Großbritannien oder Frankreich. Also es ist nicht so, wie uns immer wieder gesagt wird: Ständig werden Arbeitsplätze ins Ausland verlagert. Das stimmt so nicht. Deutschland hat zu einem ganz erheblichen Anteil auch und weiterhin Industrieproduktion. Nach wie vor. Das muss schon deshalb so sein, weil sonst die Entwicklung von minus 6% in der Wirtschaftsleistung und damit ein größerer Rückgang als in anderen Ländern so nicht vorkommen würde. Diese große Schwankung kommt aus der Industrie.

Frage: Ist es dann reine Propaganda, wenn gesagt wird, der Dienstleistungssektor umfasst 70-80%?

Nein, natürlich behaupten wir auch nicht, dass der Anteil der Industrieproduktion steigen würde oder so. Die Zahl der Arbeitsplätze wird auch dann verringert, wenn die Produktivität steigt, also die Arbeiter eine höhere Wertschöpfung in der Stunde erbringen. Das ist noch mal was anderes. Aber an sich hat die Industrie in Deutschland nach wie vor hohe Bedeutung, und eine größere als zum Beispiel in Frankreich, Italien, Großbritannien. Das sind relevante Länder, wo so ein Vergleich Sinn macht.

Also die Industrie hat wesentliche Bedeutung, und das ist auch für die aktuelle Situation, für die Krisenanalyse wichtig, dass nämlich der deutsche Imperialismus teils sogar größere Probleme damit hat, weil er nach wie vor einen so starken Industrieproduktionsanteil hat.

Wie kommt eine solche Krise nun zu Stande? Wo liegen die eigentlichen Ursachen? Hier ist abgebildet, wovon ich vorhin schon sprach, der Anstieg des konstanten, fixen Kapitals. Insbesondere also der Wertbetrag des Maschineneinsatzes je Arbeitsplatz (nach der Statistik der Bundesbank). Erkennbar ist die Entwicklung von 1970 mit 150.000 Euro pro Arbeitsplatz bis heute auf über 300.000 Euro je Arbeitsplatz. D.h. pro Arbeitsplatz habe ich 300.000 Euro durchschnittlichen Kapitaleinsatz. Weil es der Durchschnitt ist, ist es in der Industrie noch mal entsprechend höher, in der Stahlindustrie ist das zum Beispiel ganz extrem an bestimmten Arbeitsplätzen, verglichen mit Sozialarbeitern und Kindergärtnern, obwohl natürlich auch Gebäude mitzurechnen sind. Es zeigt auf jeden Fall, dieser Anstieg ist massiv, und das ist eben in der Wirkung unter kapitalistischen Umständen das Problem. Wenn ich den Arbeitsplatz da habe und damit nichts mehr produziert wird, dann ist dieses Kapital dann irgendwann mal wertlos, vernichtet. Mindestens vorübergehend ist es wertlos, es wirft den Profit nicht ab, der beabsichtigt ist. Diese Thematik verschärft nun die Krise, obwohl vorher mehr effektive Maschinen mehr Profit bedeuteten. Wieder ein krasser Widerspruch: technischer Fortschritt ermöglicht extrem wirtschaftliches und rationelles Produzieren, aber natürlich zu Lasten der Menschen. Und in der Krise wird die effektive Maschine, bzw. der Kredit dafür, zum Klotz am Bein.

Wir haben also die Situation, dass das eingesetzte Kapital ständig ansteigt, und trotzdem gibt es noch viel mehr Kapital, es könnte noch viel mehr eingesetzt werden. Ich könnte noch mehr Fabriken bauen, noch mehr Maschinen einsetzen oder Geschäfte eröffnen. Das Kapital dafür wäre vorhanden. Aber wo ist die Grenze? Wie wird das reguliert?

Ich kann viel mehr produzieren, als ich absetzten kann. Die Menschen hätten auch die Bedürfnisse. Problem ist nur: sie können es nicht bezahlen! Der Einsatz, der sich dahin entwickelt hat, stößt immer nur an die Grenze, dass die zahlungskräftige Nachfrage nicht ausreicht. Es kriegt nur derjenige etwas, der es bezahlen kann. Das ist, wie wir wissen, viel zu wenig. D.h. ich stoße an die Grenze mit meiner Möglichkeit, mein Kapital zu verwerten, weil ich den Absatz nicht habe. Im Gegenteil: Ich produziere eigentlich mehr, als bezahlt werden kann, aber nicht, was benötigt wird. Ich habe den Zustand der Überproduktion!

In diesem Zusammenhang kommt als weiteres Moment, das wir betrachten müssen, der so definierte tendenzielle Fall der Profitrate. Ich habe hier ein Verhältnis von Kapital – egal in welcher Form – und ich habe den Profit, also den Mehrwert, der sich dann in Profit ausdrückt, der in Profit gewandelt wird (dabei: Summe des Mehrwerts ist gleich Summe der Profite). Und das stellen wir nun ins Verhältnis.

Der Kapitalist interessiert sich nur dafür: Ich habe soundsoviel Kapital, und wie hoch ist mein Profit? Wie ist meine Verzinsung? Aufgrund dieser Entwicklung, dass immer mehr Kapital eingesetzt wird, das konstante Kapital immer mehr wird, aber der Umfang des Mehrwerts trotz aller Maßnahmen nicht entsprechend steigt, habe ich im Ergebnis einen Fall der Profitrate in Prozent. Absolut kann der Mehrwert durchaus steigen, manchmal weniger, manchmal mehr. Aber das Kapital stieg über Jahrzehnte stärker an, und deshalb steht da der nächste Widerspruch: Mehr Profit durch mehr Maschinen verkehrt sich irgendwann ins Gegenteil: Mehr Maschinen bedeuten weniger Profit in %, zumindest »tendenziell«.

Um diese Funktion annäherungsweise darzustellen, habe ich hier als Annäherung die Zinsentwicklung der BRD-Staatsanleihen seit 1972 genommen:

Seit den 70er Jahren habe ich einen langfristigen Trend. Der geht nicht so glatt und linear, sondern über gewisse Wellen, deshalb heißt es auch »tendenziell«, also über längere Zeiträume.

Die Kapitalisten können dem Fall der Profitrate nicht zusammen und dauerhaft begegnen, ohne dass es heftige, zugespitzte Widersprüche gibt. Der einzelne Kapitalist kann es natürlich versuchen und tut es auch täglich: durch eine Ausweitung der Produktion, die Kürzung des Lohnes, Verlängerung des Arbeitstages usw.

Aber insgesamt haben sie letztlich kein Entrinnen, es ergibt sich die Notwendigkeit der Kapitalvernichtung, es wird notwendig, gesellschaftlich geschaffene Werte zu vernichten, um den Profit für die Verbliebenen wieder zu steigern.

Eine Möglichkeit, dem Fall der Profitrate entgegenzuwirken und das Kapital in einer anderen Art und Weise anzulegen, ist zum Beispiel die Verwendung als fiktives Kapital in Form von Aktien oder auch Staatsschulden (die auch zum fiktiven Kapital gehören).

Dies stellt dann als ersten Schritt die Übertragung von Kapital in den Bereich des fiktiven Kapitals dar, als letztlich ein kurzzeitiges Ventil.

Langfristig funktioniert das nicht, was wir im Detail nun auch gerade nachweisen und sehen können, aber grundsätzlich ist es erstmal auch eine Möglichkeit in dieser Hinsicht. Und das passiert.

In der Ausgangslage der Überproduktion ist sehr viel Kapital in der Produktion angelegt, und weitere Fabriken machen keinen Sinn. Folglich fließt Kapital in die weitere Anlagesphäre (zum Teil von Anderen auch als »Spekulationssphäre« bezeichnet). Hierzu sehen wir eine Prognose aus einer Studie der großen, weltweit tätigen Beratungsfirma McKinsey von 2008. Die Prognose für 2010 ist natürlich hinfällig. Aber man sieht ganz klar den Anstieg des Finanzvermögens über längere Zeiträume.

Dies ist letztlich die Folge des beschriebenen Zustandes der Überproduktion, die dazu führt, dass ein Kapitalüberschuss entsteht, der nicht in Produktionsmitteln angelegt werden kann. Das ist natürlich wieder etwas anders definiert, als wir das machen würden, aber wir haben eben kein eigenes Institut, das uns solche Daten liefert. Die Tendenz ist auf jeden Fall deutlich, dass im Verhältnis das Kapital stärker gewachsen ist als die gesamte Wirtschaftsleistung, das kann man hier sehen.

Hier ist das Verhältnis dieses Finanzvermögens zum Weltbruttoinlandsprodukt. Auch bei Berücksichtigung gewisser Ungenauigkeiten wird die Gesamttendenz klar. Wir haben hier 1995 ein Verhältnis gehabt von 229%.

Das heißt, 1995 war nach dieser Studie das Finanzvermögen 229% von der Gesamtwirtschaftsleistung, also etwas mehr als das Doppelte. Und jetzt hat sich die Gesamtwirtschaftsproduktion erweitert und vergrößert, aber das Kapital hat sich entsprechend noch stärker erweitert, nämlich auf 319% im Jahr 2005.

Dies muss eben zu einem gewissen Missverhältnis und an einen gewissen Punkt führen, weil nur durch die Anwendung der menschlichen Arbeitskraft am Ende des Tages Mehrwert und damit Profit auch für dieses Anlagekapital gezogen werden kann.

Anders kann es auf Dauer auch nicht funktionieren, und das beweist uns diese Krise erneut. Hier waren also 2005 319%, vom Doppelten hat sich das auf das Dreifache entwickelt. Das Kapital ist stärker gewachsen als die Wirtschaftsleistung und die Profite.

Wo ist das vor allem passiert? Hier haben wir drei Bereiche: USA, Großbritannien und die so genannte »EURO-Area«, also die Länder mit der Euro-Währung. Bei diesen ist die Entwicklung des Finanzanlagevermögens am stärksten: da gibt es eine Entwicklung von 180% auf 303%. Das heißt, insbesondere im deutschen Imperialismus als stärkster Euro-Macht ist diese Tendenz besonders deutlich. Die Erweiterung der Kapitalmenge ist beim deutschen Kapital wesentlich stärker gewachsen als die Produktion, die Wirtschaftsgesamtleistung.

Zwischenfrage: Hat die jüngste EU-Osterweiterung diese Statistik verschoben?

Dafür müssten vor allem Länder insbesondere mit sehr viel Finanzvermögen dazugekommen sein, was bei Zypern und Malta nicht zu erwarten ist.

Die Kapitalmenge wächst deutlich schneller als die Wirtschaftsleistung und Profite. Das kann auf die Dauer nicht gut gehen. Außerdem, was machen wir jetzt mit dem Geld? Jetzt ist es nun mal da. Kapital muss arbeiten, und da sind die deutschen Banken darauf gekommen: neue Fabriken bauen? VW haben wir schon usw., mehr davon lohnt sich irgendwie nicht, verleihen wir doch das Geld gegen Zinsen.

Das ging über mehrere Jahre. Hier ist der Stand vom 30.09.2008 laut Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), einer Institution, die in keiner Weise politisch links steht. Diese hat ermittelt: 4,3 Bio. $ waren die Forderungen aller deutschen Banken zusammen gegen Schuldner im Ausland, weit mehr als das gesamte Bruttoinlandsprodukt eines gesamten Jahres, müsste sogar mehr als zwei Jahre sein. Und das bezieht sich nur auf den Bereich der ausländischen Schuldner. Es gibt natürlich noch anderes Finanzvermögen, das dem deutschen Imperialismus zuzurechnen ist. Im Vergleich dazu: das Eigenkapital aller deutschen Banken insgesamt beträgt 400 Millionen (vor der Krise). Die deutschen Banken haben massiv Kapital ausgeliehen. Wohin?

Die USA ist der größte Schuldner weltweit insgesamt, wie ihr sicher wisst. Darauf baut auch ein Teil dieser antiamerikanischen Propaganda auf: Die saugen sozusagen das ganze Geld der Welt auf und geben es aus – ungeheuerlich und überhaupt … China ist in der Tat der größte Gläubiger der USA, da haben wir schon eine Konstellation, die etwas komplizierter ist. Wir betrachten aber die deutschen Banken. Zum Beispiel auch in Island sind die deutschen Banken die größten Gläubiger. Da sind es zwar nur 19 Milliarden gewesen (von insgesamt etwas über 70), allerdings für einen Staat mit 200.000 Einwohnern doch eine ganze Menge.

Nebenbei: Die haben da auch sehr schöne Sachen mit dem Geld gemacht, beheizte Bürgersteige zum Beispiel, Schneefegen war da schon gelöst. Nun aber Spaß bei Seite. Das isländische Volk hat wenigstens in der Entwicklung durch regelmäßige Demonstrationen und Proteste, Stürmung der Zentralbank usw., seine Regierung zum Rücktritt gezwungen.

Die nachfolgende Regierung ist eine sozialdemokratische, die wird das Ganze nicht an der Wurzel packen, aber immerhin haben sie diese Bewegung hingekriegt, während wir hier nichts Vergleichbares momentan aufzuweisen haben, das muss man schon anerkennend sagen. Wenn überall das passieren würde, was in Island war, dass zumindest die Regierung gezwungen wird zurückzutreten, dann wären wir sicher schon ein Stück weiter.

Dann gibt es hier noch diese sogenannten Hedgefonds, oder auch Steueroasen, die Begriffe werden teilweise variabel verwendet. 295 Milliarden haben die deutschen Banken dort finanziert. Also auch in diesem Bereich ganz massiv an vorderster Front ist das deutsche Kapital mit dabei.

Die deutschen Banken sind die größten Gläubiger von Großbritannien, Spanien, Island. In allen Bereichen waren sie überdies bedeutend tätig. Bei Weitem waren nicht nur diese Hypothekenkredite in den USA das Thema, sondern sie haben wirklich versucht, auf der ganzen Welt ihren Kapitalexport zu tätigen. Sie waren damit insgesamt in Summe die größten Finanzierer weltweit. Mehr als Frankreich, mehr als das Finanzkapital von Großbritannien, Japan – über alle Bereiche weltweit verteilt.

Machen wir noch einen Schwenk zu dem Thema der sogenannten »Heuschrecken«. Wer sind die Heuschrecken? Ein ganz erheblicher Aspekt, der 2006 von dem damaligen und jetzt wieder SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering in die Diskussion gebracht worden ist. Er hat damals gesagt: »Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten. Sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter. Gegen diese Form von Kapitalismus kämpfen wir.«

Müntefering hätte vielleicht recht, wenn er betonen wollte, dass sich der durchschnittliche Kapitalist nicht viel Sorgen macht über die Lage seiner Arbeiter. Soweit kann man nicht widersprechen. Was dann im Weiteren kommt mit diesen »Heuschrecken«, mit diesen Vergleichsbildern … Dazu kommt noch, was die zugehörige SPD-Kommission daraus gemacht hat: ganz explizit 11 Firmen rauszusuchen. Dies sind sogenannte Beteiligungsfirmen, Firmen, die Kapital einsammeln oder sich leihen und dann Firmen aufkaufen mit dem Ziel, nach einiger Zeit diese wieder mit Profit zu verkaufen. Dabei kaufen sie zum Teil – sozusagen als eine Seite dieses Geschäftsmodells – Firmen, die vor der Pleite stehen oder pleite sind und wälzen diese einmal durch, versuchen dann, profitable Teile zu erhalten, andere werden geschlossen usw. Das trägt dann zu dieser extrem negativen Sicht auf das, was sie tun, bei.

Ich halte diese Gesellschaften für etwas ganz Normales im Kapitalismus. Alles wird zur Ware, und es gibt vor allem keinen Grund, jetzt von insgesamt 833 Mitgliedern des Bundesverbandes der Venture Capital Gesellschaften einzelne rauszugreifen, wo dann nicht mal eine einzige aktive deutsche Gesellschaft dabei ist.

Die Angeprangerten waren alles ausländische Gesellschaften, obwohl wie gesagt die Meisten sich mehrheitlich in inländischem Eigentum befinden. Das ist der Punkt, den man kritisieren muss. Dass sich Kapitalisten nicht viel Gedanken über ihre Arbeiter machen, ist banal, das wissen wir schon lange in allen möglichen Konstellationen.

Die 833 Beteiligungsgesellschaften haben zusammen ein Beteiligungskapital von 20 Milliarden Euro, alle zusammen haben 20 Milliarden Euro angelegt! Da hatten wir gestern schon einen guten Vergleich: an deutschem Kapital sind allein in Südafrika 40 Milliarden Euro, also etwa das doppelte, angelegt.

Ich meine das auch ausdrücklich als Hinweis für diese Komponente der politischen Propaganda gegen die ausländischen, die amerikanischen Beteiligungsgesellschaften. Denn in der Relation sind 20 Milliarden für den Bereich der gesamten Kapitalanlage kein wirklich großer Betrag.

Frage: Ist dieser Bundesverband BVK ein internationaler oder ein deutscher? Kann da beispielsweise eine »amerikanische Heuschrecke« Mitglied werden?

Antwort: Das ist ein deutscher »Heuschreckenzoo«, da können alle Mitglied werden, die in Deutschland ansässig sind, egal, welche Eigentümer mehrheitlich dahinter stehen. Die meisten, die dort sind, sind Landesbanken und damit verbundene Sparkassen, Allianz, Siemens. Alle, die so eine Beteiligungsgesellschaft haben, sind in diesem Bundesverband. Der macht dann halt Lobbyarbeit, Bildungsprogramme für seine Mitglieder usw.

Wie hoch der Anteil des Beteiligungskapitals (Private Equity) vom Gesamtinvestitionskapitals ist, zum Beispiel in Deutschland, ist schwer genau zu berechnen. Aber es sieht deutlich danach aus, dass es nicht auf 1% kommt. Ich habe das mal in eine Relation gesetzt:

Wir haben hier das ganze Beteiligungskapital in Deutschland, also die sogenannten Heuschrecken in Deutschland – und daneben VW. Für die einen ist es VW, für die anderen das größte Familienunternehmen der Welt. Da sind wir hier mit dem Börsenwert vom letzten Montag – nur diese eine Gesellschaft VW. Und das führt uns wieder zurück zu unserem gestrigen Thema: Es geht eigentlich rückwärts in Richtung nationaler, bodenständiger Familienunternehmen.

Wir haben hier Porsche und Piech, zwei Familienclans oder zwei Familienstränge mit maximal 200 Menschen, die regieren über VW und Porsche und damit über zehntausende Menschen. Bei Porsche zum Beispiel arbeiten schon mal 20.000 in Europa allein im Autohandel, also wesentlich mehr, als in der eigentlichen Porscheproduktion beschäftigt sind. Und dann haben die noch ca. 300 Firmen, die zu diesem ganzen Konglomerat Porsche/Piech gehören. Das ist insgesamt ziemlich undurchsichtig, was da dazu gehört. Gerüchteweise geht es dabei auch um (legale) Steuerreduzierung: Gesellschaften in Panama und Lichtenstein und und und.

Dieser Kuchen zeigt die Besitzanteile an der Europäischen Zentralbank. Es ist nicht so, dass die Euro-Länder irgendwie gleichberechtigt wären im Hinblick auf diese Institution. Die weiter existierenden Nationalbanken (wie die Bundesbank) haben jeweils unterschiedlich hohe Eigentumsanteile an der EZB. Das große, schwarze Stück ist die Bundesbank, daneben Banque de France, Banca d’Italia und die anderen 12 Länder, die am EURO beteiligt sind.

Einen Aspekt der Krise, der möglicherweise noch an Bedeutung gewinnen könnte, möchte ich auch ansprechen: die plötzlich aufgetretenen Differenzen in den Zinssätzen der Euro-Länder. Diese Tabelle zeigt die drastische Veränderung der Risikobeurteilung an den Finanzmärkten seit Krisenbeginn. Dazu muss man zunächst sehen, dass es innerhalb einer Währung normalerweise immer so ist, dass die Zinssätze für die Staatsanleihen der beteiligten Länder annähernd identisch sind. Beim Euro gab es bis zur Krise kleine Unterschiede zum Beispiel zwischen Deutschland, Spanien und Griechenland in Höhe von bis zu 0,5%. Das bedeutete, der griechische Staat musste 0,5% mehr Zinsen bezahlen als die BRD, wenn er Schulden gemacht hat.

Seit August 2008 haben sich die Zinsen im Euroraum plötzlich stark ausdifferenziert, auf einmal mussten Irland und Griechenland 3,5% pro Jahr mehr bezahlen als Deutschland (wenn sie überhaupt in der Praxis noch Geld kriegten). Und das, obwohl es innerhalb einer Währung eigentlich solche Unterschiede eben nicht gibt und diese vorher nicht existiert haben.

Das war seit der Existenz des Euro ein völlig neuer Vorgang. Es heißt nichts Anderes, als: Die Akteure an den Finanzmärkten sind der Meinung, es sei ein extrem unterschiedliches Risiko zwischen den Euro-Ländern aufgetreten. Dies nicht zuletzt deswegen, weil es keinerlei nennenswerte, gemeinsame Aktionen im Krisenverlauf durch die Euro-Länder gab. Jeder löste es national, weil der Euro eben eine Währung von 16 Staaten ist und damit einen unveränderten Nachteil zum US-Dollar hat!

Die Euro-Länder wurden nicht mehr einheitlich bewertet. Zwischenzeitlich hat sich das etwas beruhigt. Was letztlich dabei rauskommt, das weiß man nicht. Es kann im Extremfall sein, dass in dieser Krise der Euro total auseinanderknallt, die Wahrscheinlichkeit stellt sich momentan aber sicher noch gering dar. Ich kann nur sehen, es gibt Leute, die tätig sind in diesem Finanzmarkt, die das für möglich halten, sonst gäbe es diese Differenzierung so nicht, denn es haftet kein Euro-Staat für einen anderen, ganz ausdrücklich.

Diese Euro-Thematik zeigt einen strukturellen Nachteil für den deutschen Imperialismus auf: Er hat kein einheitliches Land, keine einheitliche Regierung wie die USA. Er hat mit dem Euro in der Konkurrenz zum Dollar einen Riesenfortschritt gemacht, aber es bleibt mit Nachteilen behaftet.

Zusammenfassend die Sicht auf den deutschen Imperialismus, unser Kernthema: Die Banken sind stark betroffen. Die grundsätzliche Ausgangslage ist eine starke Exportabhängigkeit, ein (relativ) zu kleiner Binnenmarkt. Die Industrie hat weiterhin eine sehr hohe Bedeutung, die Inlandskaufkraft ist letztendlich zu niedrig (zumindest für die Ziele und Bedürfnisse des deutschen Imperialismus). Dies ist in den USA etwas anders. Die haben mehr Möglichkeiten, auf ihrem eigenen Staatsgebiet gewisse Dinge auszugleichen.

Der Export aus Deutschland bricht jetzt massiv zusammen. Das betrifft sowohl Produktions- als auch Konsumgüter, streut sich über verschiedene Länder und Regionen, gerade dort, wo in den letzten Jahren großer Zuwachs verzeichnet wurde! In früheren Krisen wie der Russlandkrise, der Südostasienkrise usw., da gab es immer auch zeitgleich bestimmte Regionen, wo sie einen gewissen Ausgleich für den krisenbedingten Rückgang erreichen konnten. Im Moment ist es sozusagen überall gleich (oder ähnlich).

Die Versuche, dem zu begegnen, war und ist die absolute Rückkehr zu eigenstaatlichen Lösungen. Es gilt: »Jeder haftet für sich selbst«, jeder muss seine Sachen »lösen«, kein gesamteuropäisches Rettungsprogramm oder Ähnliches. Ein scheinbarer »Rückfall« auf den Nationalstaat, eigentlich aber eher die Offenlegung der ohnehin vorherrschenden Verhältnisse zwischen den europäischen (Haupt-)staaten!

Wir erleben Verstaatlichung als Mittel zum Systemerhalt: Commerzbank, Hypo Real Estate usw. Bei Opel ist Vieles offen, ein Teil wird auch über den Staat abgedeckt in Form von Bürgschaften usw. Ich kann, was den Euro und die EU betrifft, momentan keine klare Strategie erkennen. Erkennbar sind allerdings die genannten Risse und Differenzen. Es gibt da diese politischen Ausraster, wie von Steinbrück usw., aber ich kann nicht erkennen, wie sich das in welche Richtungen umsetzen soll.

Aber es gibt offenbar auch eine gewisse Hilflosigkeit unter den Handelnden selbst. Man darf nie verkennen: Die letzte Krise dieser Art ist 8 Jahrzehnte her. Es gibt kaum Leute, die praktische Erfahrungen mit dem Umgang haben, auch das hinterlässt seine Wirkung!

Welche Lösungen sind also da, oder welche Lösungen werden angestrebt? Da müssen wir zusammen diskutieren, der Nebel ist nicht aufgelöst.

Im Moment gibt es noch keine massiven Angriffe auf die Arbeiterklasse. Also in voller Breite, auf allen Ebenen usw. Die Seite steht noch bevor. Im Moment herrscht der Gedanke, die Arbeiterklasse noch ruhig zu halten, vor. Es gibt sogar ein paar Bonbons für diejenigen, die noch volle Arbeitszeit haben: Kleine Steuersenkung, Subventionen, Abwrackprämie usw. Deshalb: Die massiven Angriff haben noch nicht begonnen.

In der für die BRD bedeutsamen Autoindustrie ist nicht ganz klar, wohin es geht. Konzentration oder Kapazitätsabbau? Insgesamt gibt es weit mehr Kapazitäten in der Autoindustrie, als man benötigt, nicht nur hier im Land. Wie man aber damit umgeht, ist nicht so ganz klar. Bei Opel wäre auch eine Variante: jetzt Kapazitätsabbau, also Versuch der Krisenlösung über Schließung. Alternative wäre: Konzentration. Im Moment läuft es eher Richtung Konzentration in irgendeiner Form, Opel ist »geparkt im Halteverbot«. Die Flucht in die Konzentration ist keine eigentliche Krisenlösung, aber es ist die Ausnutzung der Chancen der Großen in der Krise!

Damit wird die Überproduktion nur bedingt beseitigt. Deshalb muss in dem chaotisch-anarchischen Prozess irgendwo zunächst massiv weiteres Kapital vernichtet werden, wenn eine fortschrittliche Lösung nicht in Sicht kommt. Dies bewirkt natürlich automatisch die Gefahr der Stärkung auf der Rechten, auch die Stärkung der Kriegsgefahr ist da drin, denn Kapitalvernichtung ist Teil der Lösung von Widersprüchen in destruktiver Form.

Bei der EU könnte es in die Richtung einer offenen Kerneuropastrategie gehen, aber das ist nicht sicher. Und ich habe zum Teil wirklich den Eindruck, dass die selber auch etwas ratlos sind in Teilen. Dies wiederum interessiert die aus dem System logisch und folgerichtig entstandene kapitalistische Krise nicht, es macht sie auch nicht ungefährlicher.

Für uns steht deshalb hier die Frage erneut: Wie und in welche Stoßrichtung die Arbeiterklasse informieren, aufklären und mobilisieren? Wie den Hauptfeind im eigenen Land, den Deutschen Imperialismus, in der Krise angreifen?

Ich danke für die Aufmerksamkeit.